Oldtimer

Gerade war ein 50zigster Geburtstag in meiner Familie, ein behandelnder Arzt sagte mit Blick auf mein Geburtsdatum: “… naja, Sie werden ja auch bald 60!” (ich bin Jahrgang 66!!!), und viele Freundinnen beschäftigen sich aktuell mit Pflegestufen für ihre zu pflegenden Angehörige. Zeit, um über “Oldtimer” zu schreiben.

Für meinen Sohn gehöre ich zu den “älteren Leuten”. Oma und Opa sind “alt”. Darüber gibt es eigentlich keine Steigerung mehr. Ok – wie so oft im Leben, ist das Alter natürlich abhängig von der Betrachtungsperspektive. Ich finde mich keineswegs “älter”, sondern eigentlich sogar recht jung und auf jedem Fall “jung geblieben”. Sowohl äußerlich als auch von meiner Einstellung her.

Und überhaupt! Was soll diese Kategorisierung mit dem Alter? Ein Oldtimer ist ein Oldtimer wenn er, je nach Definition, älter als 20, 25 oder 30 Jahre ist. Es herrscht also auch hier Uneinigkeit darüber, wer oder was “alt” ist.

Wie ist das in unserer Gesellschaft – in unseren Familien? Wie gehen wir mit “älteren” Menschen um? Wieviele Generationen leben heute noch unter einem Dach? Wie ist es um die (mangelnde) Autonomie bei Erkrankungen im Alter bestellt? Sind sie/wir Älteren “nur” eine Pflegestufe, ein Kosten- und Zeitfaktor? Ja, Pflegebedürftigkeit wird in Minuten abgerechnet. Haare kämmen: 3 min., anziehen: 7 min. usw… Mir macht das Angst.

Oldtimer, wie auf dem Bild werden liebevoll gehegt und gepflegt – sie glänzen, werden vorsichtig bewegt und vor Beschädigungen geschützt. Und sie werden bewundert! Was bewundern wir bei Menschen, wenn sie alt sind? Ihre Falten, ihre grauen Haare und ihre verlorene Fähigkeit sich an Dinge zu erinnern? Wohl kaum. Bestenfalls bewundern wir ihre Lebenserfahrung, ihre Würde oder ihre Weisheit.

Und wir lieben sie – denn diesen alten oder älteren Menschen verdanken wir viel. Sie sorgten für uns, sie schufen uns ein zu Hause, sie waren für uns da und prägten uns. Sie machten uns zu denen, die wir heute sind. Natürlch lassen Fähigkeiten im Alter nach, aber in den meisten Fällen steigert sich die Toleranz, die Güte und Nachsichtigkeit. Nicht umsonst gehen Enkelkinder gerne zu Oma und Opa – denn die haben Zeit, hören geduldig zu und schimpfen nicht dauernd.

Warum ich darüber siniere? Es ist ein Apell – in erster Linie an mich selber. Ich möchte mit einem bewundernden Blick und mit Respekt als “Oldtimer” betrachtet werden und wichtiger noch: Ich möchte nicht auf Defizite achten, die die Generation, die noch älter ist als ich, hat – sondern auf den Glanz und die Würde, die sie sich durch viele, viele Kilometer Lebensweg erarbeitet haben.

Vorurteil

Großeinkauf für’s Wochenende. Da bietet sich natürlich ein Discounter an – gut und günstig!? Offen gestanden kaufe ich dort nicht so gerne ein, da es mir oft zu “kramig” ist und einige mit etwas merkwürdigen Geschäftsgebaren, Arbeitsverträgen und Beteiligungen in Verbindung gebracht werden. Aber das mag ein Vorurteil von mir sein, denn eigentlich weiß ich es nicht genau…

Ich presche also möglichst zügig und strukturiert durch die Gänge und halte mich genau an meinen ausnahmsweise mal nicht vergessenen Einkaufszettel. Ich halte mich auch nicht an den Aktionstischen auf, denn dort ist tatsächlich alles durcheinander geworfen und aufgerissene Packungen liegen zwischen der Ware.

Als ich an der Kasse ankomme sind sogar zwei geöffnet und nur ein Einkäufer ist mit relativ wenig Ware vor mir dran. Prima! Das bedeutet keine lange Wartezeit. Als ich dran bin, erfolgt eine Pausenablösung und eine ältere, recht grimmig dreischauende Kassiererin läßt sich auf den wahrscheinlich ziemlich unbequemen Stuhl fallen. Ordnungsgemäß halte ich ihr meinen weit geöffneten Einkaufskorb hin, damit sie sehen kann, dass ich nichts zu stehlen beabsichtige. Ich grüße auch gleichzeitig freundlich-fröhlich. Sie würdigt mich und der Einkaufstasche keines Blickes und grüßt auch nicht. Ich gehe hinter die Kasse und halte ihr noch mal den Einkaufskorb hin. “Hab ich gesehen…” blafft sie mich an. Ich wage das zu bezweifeln, sage aber lieber nichts. Hastig räume ich mein Zeug ein, um ihren offensichtlichen Ärger nicht noch mehr zu erregen.

Während ich mit Karte bezahle, wendet sie sich einem Mann zu, der hinter mir dran ist. Er ist offensichtlich südosteuropäischer oder arabischer Herkunft. “Du kannst mir den Pfandzettel schon geben” befiehlt die Dame an der Kasse im Kasernenhofton. Irritiert blicke ich den Mann an und stelle fest, das er definitiv kein Kind oder Teenager ist, sondern ein erwachsener Mann von ca. 30 Jahren. Ich runzele deutlich sichtbar die Stirn und schüttele den Kopf. Dem Mann hinter mir ist diese Unverschämtheit auch aufgefallen, er grinst aber nur in meine Richtung und zuckt die Schultern.

Ich bin glücklich der Kassirerin entronnen und gerade zwei Schritte weg, als es hinter mir klirrt. Der Mann hat beim einpacken eine Flasche herunter gestoßen.

Die Furie an der Kasse springt auf und schreit: “Maaaaann – ist ja toll! Pass doch auf!” Der Herr entschuldigt sich sofort und bemüht sich den Schaden zu beheben. Mir reicht’s und ich gehe die zwei Schritte zurück und schnautze die Kassirerin jetzt ebenfalls an, dass es ja wohl keine Absicht war. Der Blick, den sie mir im Weggehen wortlos zuwirft, zerfetzt mich in der Luft… Ich mache eine etwas unhöfliche Geste in ihre Richtung und schaue den Mann entschuldigend an. Er zuckt abermals die Schultern und sagt ein ziemlich frustriertes “Danke” in meine Richtung.

Fazit: Offensichtlich hatte die Kassiererin Vorurteile… und ich jetzt auch… gegenüber der Kassiererin. Denn ich weiß natürlich nicht, warum sie so schlecht gelaunt war und was sie für Erfahrungen hat… Beim nächsten Einkauf werde ich trotzdem versuchen freundlich zu ihr zu sein, in der Hoffnung, dass sie auch freundlich zu Menschen anderer Kulturen ist!

Erntedank (Franken)

Letzten Sonntag war Erntedank-Fest. Traditionsgemäß findet es am ersten Sonntag nach Michaelis (29.09) statt. Kirchen werden festlich mit Erntkronen, Broten, Früchten und Gemüse geschmückt, um für die reiche Ernte zu danken. Häufig werden die Gaben dann an Bedürftige weiterverschenkt.

Dieses christliche Fest gibt es seit dem 3. Jahrhundert, aber auch schon in vorchristlicher Zeit wurde der Kraft der Natur gedankt.

Es gibt (besonders in Bayern/Franken) Prozessionen und einige Orte machen Festumzüge und kombinieren das Erntedank-Fest mit einem Kürbisfest (Muggendorf/Oberfranken). Hier werden alte Trecker und Bollerwagen mit Blumen- und Gesmüse-/Obstgirlanden festlich geschmückt. Kinder haben Kürbisse kunstvoll verziert und geschnitzt. Und sehr viele sind in Tracht/Dirndl. Richtiges Brauchtum eben. Die Stimmung ist erst festlich und später im Bierzelt ausgelassen und fröhlich. Familien und Nachbarn sitzen beieinander und feiern die gute Ernte und die gemeinsam Zeit.

Den Samstag vor Erntedank war ich “zufällig” in “Vierzehnheiligen”, einer großen Basilika des Spätbarocks, bzw. des Rokoko. Erbaut wurde sie von Baltasar Neumann um 1750. Die Wallfahrtskirche liegt auf einem Hügel im Landkreis Lichtenfels und ist schon von weitem sichtbar. Sie heißt so, weil in ihrem Inneren ein großer Altar für die vierzehn Nothelfer errichtet ist. Sie ist wunderschön und prächtig in hellblau, rosa, gold und weiß gehalten.

Ich war schon mehrfach dort, aber diesmal gab es ein besonderes Erlebnis. Schon beim Aufstieg fielen mir die vielen Menschen mit ihren Hunden auf und wir wurden von einigen Reitern und einer Kutsche überholt. Oben auf dem Plateau erwarete uns eine riesige Menschen- und Tiermenge. An die hundert Hunde, ca. 15 Pferde, 3 Rinder und ein Kälbchen, ein Esel und diverse Kleintiere samt Besitzer warteten auf dem Vorplatz der Basilika. “Tiersegnung is’, ” wurde mir beschieden. Zurückgehend auf den Franziskustag (Franz von Asissi), der ja eine besondere Beziehung zu den Tieren hatte, werden dort jedes Jahr Haus- und Nutztiere gesegnet und der besonderen Obhut der Menschen anvertraut. Es fand ein kurzer Gottesdienst statt, worin an die besondere Verantwortung der Menschen gegenüber den Tieren appeliert wurde. Und auch der Schlacht- und Versuchstiere wurde gedacht. Anschließend konnte ein Jeder mit seinem Tier, egal ob Rind, Hund, Frettchen, Hase oder Schildkröte zu einem der Priester gehen und seinen Schützling mit Weihwasser segnen lassen. Natürlich war ich mit meinem Hund Rala auch da, obwohl ihr die Sache mit dem Weihwasser nicht gefiel, da sie extrem wasserscheu ist.

Beide Feste, Erntedank und die Tiersegnung, haben mich noch einmal sehr eindrücklich daran erinnert, wie fahrlässig wir doch manchmal mit unseren “Naturschätzen und Schützlingen” und Ressourcen umgehen, und dass wir etwas achtsamer mit Gottes Schöpfung umgehen könnten.