Friedhof

Mein Opa starb vor fast fünfzig Jahren. Seine Frau, meine Oma vor vierzig Jahren. Die Grabstätte musste teuer von der Friedhofsverwaltung der Gemeinde gekauft werden. Meine Eltern pflegten über all die Jahrzehnte liebevoll das kleine Stück Land. Ich verstand nicht, warum es so wichtig war immer frische Blumen und jahreszeitliche Bepflanzung rechtzeitig auszuführen.

Als meine Eltern vor fast drei Jahren beide zeitgleich im Krankenhaus lagen, fragten sie mehrfach, „ob auf dem Friedhof alles in Ordnung wäre“. Eine Nachbarin rief an und fragte, ob bei uns alles in Ordnung wäre. Der Friedhof sehe so „krautig“ aus…. das würde man von meinen Eltern nicht kennen.

Die gepflegte Grabstätte von Familienangehörigen scheint ein gesellschaftlicher Indikator zu sein. In der Gemeinde und bei den Freunden meiner Eltern wurde oft über den Friedhof, die Bepflanzung, riesige Grabsteine (sofern von der Gemeinde zugelassen, denn es gibt ja eine Friedhofsordnung…!) und den Grad der Pflege der kleinen „Gärten“ gesprochen….

Bei meinem letzten Besuch bei meinen Eltern erklärte mir meine Mutter, dass sie jetzt die Gräber ihrer Eltern „liegenlassen“ wolle. Damit ist das Entfernen der Bepflanzung und der Steine gemeint. Danach wird die Stelle eingesät und kann von anderen Särgen neu „belegt“ werden.

Ich war schockiert. Die Grabpflege war immer eine wichtige Routine. Ich fragte meine Mutter, ob das denn für sie nicht schmerzhaft sei. „Nein, meine Eltern sind da nicht mehr. Sie sind in meinem Herzen und im Himmel.“ Mir kamen die Tränen….

Ich habe nur liebevolle Erinnerungen an meine Großeltern. Ich bat meine Mutter mit mir ein letztes Mal zum Friedhof zu gehen. Als ich vor dem Grabplatz stand, hatte ich viele Bilder von und mit meinen Großeltern vor Augen. Mein Opa, wie er mit mir am Tisch saß und mich beim „Mensch ärgere dich nicht“ Spiel gewinnen ließ. Meine Oma, wie sie Suppe für uns kocht und wie sie mir aus einem dicken Märchenbuch vorliest. Schöne Erinnerungen, bei denen mir die Tränen in die Augen steigen…

Ja, meine Mutter hatte Recht. Auf dem kleinen „Gottesacker“ sind meine Großeltern nicht mehr. Sie sind in meinen Erinnerungen und in meinem Herzen.

In Hamburg, also nicht weit von mir, gibt es den größten Park-Friedhof der Welt – Ohlsdorf (388 Hektar).  Viele Prominente sind dort begraben. Hans Albers, Gustav Gründgens, Loki und Helmut Schmidt, Inge Meisel, Roger Willemsen, Heinz Erhardt und viele mehr.

Fast bin ich geneigt zu sagen, es ist eine “Stadt der Toten” (1,4 Mio. Beisetzungen!!!). Das greift aber viel zu kurz! Denn es ist ein sehr lebendiger Ort. Es gibt sehr viel Kunst (Baukunst und Skulpturen), Sehr viel Natur (450 Laub- und Nadelholzarten, seltene Vögel wie Eisvögel und Waldkauz) und ein Friedhofsmuseum (sehr interessant!).

Am meisten beeindruckt mich die “Ordnung”. Es gibt unterschiedliche Bereiche für: vorgeschichtliche Gräber, Gedenkplatz für nicht beerdigte Kinder, Garten der Frauen, Memento e.V. Grabstätten (für AIDS Verstorbene), Feuerwehr- und Polizeigräber, Sturmflutopfer-, Bombenopfer- Revolutions- und Opfer der NS Verfolgung. Soldatengräber für die beiden Weltkriege und für unterschiedliche Nationen (Britische und Deutsche Soldaten und andere Nationen, sowjetische Kriegsgefangenen und natürlich ein Erinnerungsmal an jüdische Opfer. Der jüdische Friedhof grenzt direkt an. Ein Bereich für islamische Beisetzungen ist ebenfalls vorhanden.

Ich erinnerte mich an einen Spaziergang über diesen Friedhof, als ich vor dem Grab meiner Großeltern stand. Orte wie diese sind wichtig und gut. Wir können dort Abschied nehmen und trauern. Wenn der Grabplatz mit Rasen eingesät ist, werde ich sie immer in meinem Herzen haben.

2 thoughts on “Friedhof

  1. ….oh wie kenne ich das….als meine mutter gestorben war, hatte ich auch bald einen anruf einer nachbarin…..das grab sieht aber nicht gut aus….heute kann ich damit anders umgehen….
    danke für deinen post…
    herzlichst
    annette

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

Current ye@r *

Artikel verfolgen