Findelkind

Samstagvormittags-Einkauf verbunden mit einer Runde durch den Park mit dem Hund. Meistens übernimmt mein Mann diesen Job – so auch diesesmal. Ich decke derweil den Frühstückstisch als mein Handy klingelt…. “Komm bitte an die Wegkreuzung bei der Brücke und bring ein Behältnis mit. Ich habe ein aus dem Nest gefallenes Vogelbaby gefunden.”

Das ist nun wirklich nicht das erste Mal. Mein Sohn, mein Mann und ich haben schon jede Menge Findelkinder aufgesammelt. Eine kleine Amsel (mühevoll mit Mehlwürmern großgezogen und das Fliegen beigebracht), einen jungen, vorletzten Raben (Abraxas, sehr bissig), ein Rotkehlchen (hat es nicht geschafft), einen Maulwurf, ein ausgesetztes Katzenbaby usw.

Ich eile also mit einer Plastikschale, ausgelegt mit Zeitungspapier, los. Ich höre unseren Hund schon von weitem kläffen. Er regt sich schrecklich auf, dass mein Mann ein “Irgendwas” in der Hand hält. Sofort stelle ich fest, dass das mitgebrachte Behältnisse zu klein ist, denn das Vogelbaby ist ein Vogelbaby eines Adlers! Nein, natürlich nicht, aber es ist ziemlich groß, schwarz mit weißen Federn. Eine Elster behaupte ich… Mein Mann zweifelt. Egal – das arme Tier sieht ziemlich schlapp aus, scheint aber wenig Angst zu haben und lässt sich widerstandslos zu uns nach Hause transportieren, wo es in einen großen umgedrehten, vergitterten Wäschekorb umzieht. Der Vogel sitzt etwas schlapp in der Ecke, hat aber keine Angst als ich näher hingehe und auch nicht als der Hund an dem Korb schnuppert und wieder anfängt zu bellen. Scheint eifersüchtig zu sein.

Mein Mann erledigt die restlichen Einkäufe und ich telefoniere verschiedene Tierschutzorganisationen (NABU, Wieldtierauffangstation usw.) an, um Infos zu bekommen, was ich mit dem Federvieh machen soll und es bestenfalls sogar in wissende Hände abgeben kann. Klappt leider nicht, denn mir wird mehrfach erklärt den Vogel wieder zurück zu bringen und seinem Schicksal zu überlassen (…”So ist die Natur nunmal!”) und außerdem ist es um eine Elster sowieso nicht schade….!

Mein “Ersatzmutterherz” blutet und ich bringe das arme Wesen natürlich nicht zurück, um es von der nächsbesten Katze fressen zu lassen. Ich sause los und besorge Katzenfutter, eine Pinzette und versuche den Kleinen zu füttern. Wie erwartet klappt das ganz wunderbar. Dann müssen erst einmal mein Mann und ich gefüttert werden, denn mittlerweile ist es später Mittag und aus unserem Frühstück wird ein Brunch.

Der Kleine wird zunehmend munterer, lässt sich füttern und auf die Hand setzen. Er ist überhaupt nicht schüchtern und fängt an zu flattern, als ich mit ihm durch den Garten renne. Natürlich trage ich dabei Einmalhandschuhe, denn ich weiß ja nicht, was für komische Keime so ein Vogel mit sich bringt. Mein Mann ist da wesentlich unerschrockener und so trainieren wir abwechselnd den ganzen Samstag nachmittag und auch den Sonntag das Fliegen. Zeitweise glaube ich, einer von uns lernt es eher als der Vogel… Aber Fortschritte werden sichtbar. Welcher Gattung das Findelkind angehört ist uns immer noch nicht ganz klar, aber dem Gekrächze nach ist es irgendein Rabenvogel…

Er wird zunehmend zahm, lässt sich streicheln und auch wieder einfangen. Unser Hund ist mehr und mehr genervt und uns ist klar, dass wir ihn so bald wie möglich wieder auswildern müssen, damit er sich nicht zu sehr an uns gewöhnt. Außerdem geht das Katzenfutter zur Neige, denn unser Hund hat in einem günstigen Moment die Dose vom Gartentisch gestohlen und genüsslich aufgefressen.

Als wir uns sicher sind, dass er zumindestens hüpfend und flatternd einer hungrigen Katze entkommen kann, bringen wir ihn zu dem Baum zurück, wo wir ihn gefunden haben und setzen ihn auf einen halbhohen Ast und gehen etwas wehmütig weg. Nach einer Stunde schauen wir nach…. Er sitzt noch immer auf dem selben Ast. Eine weitere Stunde später ist er weg. Wir sehen keinen Federhaufen und hoffen, dass er es geschafft hat.

Noch tagelang gehe ich an dem Baum vorbei und schaue nach, ob ich unser Findelkind sehe. Ohne Erfolg. Aber ich bin froh, dass er in Freiheit ist, denn das ist seine Natur.

Notfallseelsorge – Feuerwehr für die Seele?

Ich war eine Woche auf der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz, um die Ausbildung zur “Leitenden Notfallseelsorgerin” zu absolvieren.  Inhalte waren z.B. die FwDV 100, Stab, EL, taktische Einsatzplanung, IuK im Einsatz, Führungsfunktionen bei Großschadenlagen als FachberaterPSNV, MANV 1 -4 usw. (Ich erkläre bewusst nicht alle Abkürzungen… Wenn es Euch interessiert, lest es nach! Es lohnt sich!)

Wie bitte? Der Stundenplan war auf den ersten Blick für mich in einer mir unbekannten Fremdsprache verfasst und mir war sehr schnell klar, dass ich erst einmal Vokabeln lernen muss. Auch die Akademie bzw. die Unterbringung war mir fremd. Dort wurden und werden Lehrgänge für die Freiwillige Feuerwehr, aber auch für Berufsfeuerwehren abgehalten (Truppmann 1, Truppmann 2, Gruppenführer, Zugführer…). Es hatte einen kasernenähnlichen Charakter, allerdings mit moderner Ausstattung. Ein Schaubild hing über dem Bett, wie man sein abgezogenes Bett hinterlassen muss. Die Verpflegung war auch eher “männlich” geprägt. Viel Wurst, Fleisch und deftige Salate, kein Grünzeug! Und “Feuerwehr-Marmelade” (rohes Mett mit Zwiebeln!). Für mich als Vegetarierin also kein so üppiges Angebot. Tatsächlich waren aber auch ein Paar wenige junge Frauen in den Feuerwehrlehrgängen. Natürlich immer alle in Uniform.

Die ersten 2 Tage lernten wir dann auch überwiegend “Feuerwehr”, und das war sehr gut, denn das ist eine ganz eigene Welt, die u.a. auch von Befehlsketten und Gehorsam spricht. Ebenfalls fremd, macht aber aus meiner Sicht in Großschadenlagen durchaus Sinn. Da muss eben einfach sofort alles klappen und man kann nicht “basis-demokratisch” abstimmen, ob man den Brand lieber von vorne oder von der Seite löschen möchte. Dazu ist einfach keine Zeit. Sehr oft geht es um Menschenleben, wie ich in meinem letzten Einsatz selber erlebt habe. Da haben sich einige junge Männer mit Atemschutz in ein brennendes Haus begeben und ihr Leben riskiert, um andere zu retten!  Ich ziehe ganz tief meinen Hut! Respekt! Denn der Atemschutz wiegt alleine schon 15 kg und dann kommt noch die nicht gerade leichte Ausrüstung (Werkzeug, Lampe, Gurte) und natürlich noch Schläuche dazu! Und das bei einer Umgebungsthemperatur, die schnell mal über 100 Grad geht! Nach wie vor: Diese Freiwilligen sind meine Helden des Alltags!

Zurück zum Kurs: Die anderen 2 Tage ging es primär um unsere Organisation. D.h. wie setzen wir wann und wo in einer Großschadenlage unsere NFS (Notfallseelsorger) ein, was ist für die Hilfskräfte an “Nachsorge” nötig, was sind Prioritäten am Behandlungsplatz. Den meisten ist “Triage” ein Begriff. Heute wird überwiegend eine Kategorisierung nach rot, gelb, grün und blau vorgenommen – je nach Verletzungsgrad.

Der Freitag war “Prüfungstag” – wir mussten in einem Planspiel unser neu gelerntes Wissen in ein Szenario übertragen. Ein Nahverkehrszug mit 300 Personen ist in einer Kleinstadt entgleist. Unter den Opfern befand sich eine Schulklasse der örtlichen Grundschule mit 24 Schülern. 16 wurden  (zum Teil verletzt oder tot) gefunden. Die Bergungsarbeiten sind seit 30 min. angelaufen. Wir “übten” in Echtzeit und hatten 3 Stunden Zeit in Führungsstab unser Team zu alarmieren, zu informieren und zu koordinieren!

Ich hatte schon in der Übung eine Frequenz von mindestens 120, meinen Teamkollegen ging es nicht anders und der Ton wurde zeitweise etwas ruppig. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es in einer realen Situation ganz schon zur Sache geht! Um so wichtiger Ruhe zu bewahren, sich auf sein Wissen und Können zu besinnen und dann mit sehr eindeutigen Ansagen die richtigen Entscheidungen zu treffen!

Fazit der Woche: Leibhaftige Helden, viel Fleisch, viel Inhalt, viel gelernt! Ich bin sehr froh, die Gelegenheit für so eine Ausbildung bekommen zu haben!

Seminar Notfallseelsorge

Ich bin für eine Woche im Aufbaukurs Notfallseelsorge “Führen und Leiten”.  Es geht um die Organisation von “Großeinsätzen”, wie z.B. Massenunfall, Grossbrand (hatte ich unlängst einen Einsatz), Katastrophen. Ich freue mich sehr darauf, auch wenn das vielleicht ein bisschen komisch klingt. Ich werde wieder auf dem Hurricane Festival als Notfallseelsorgerin Einsätze haben und deshalb ist es gut, umfassend vorbereitet zu sein. Und ich werde “alte Bekannte” aus dem Basiskurs wieder treffen und von deren Erfahrungen lernen. Das hilft sehr!

Der Stundenplan ist sehr voll. Beginn 9:00 Uhr, 1,5 Std. Mittagspause – inclusive essen, dann bis 18 Uhr weitere Seminareinheiten. Abends “Nachbesprechung und Selbststudium”.

Ich werde sicher viel zu erzählen haben, aber erst in der Woche darauf. Habt bis dahin eine gute Zeit!

Beste Grüsse,

Corinna