Alte Tasse und alte Freundschaft

Vor vielen Jahren verschenkte ich an eine Freundin aus der Kindheit eine schöne, getöpferte Tasse, die ich auf einem Kunstgewerbemarkt für sie erstanden hatte. Das dürfte annähernd 25 Jahre her sein. Ich kenne sie schon seit der Grundschule, im Teenie-Alter waren wir in der selben Clique und einmal sogar in den selben Jungen verliebt. Das tat unserer Freundschaft aber keinen Abbruch. Sie wurde Buchhändlerin, ich Krankenschwester. Unsere Leben gingen in unterschiedliche Richtungen – ich ging nach Süddeutschland. Dennoch blieben wir in Verbindung, da unsere Elternhäuser keine 500 Meter auseinander stehen und wir so in unserem Geburtsort eine gemeinsame Konstante hatten.

Später luden wir uns zu unseren jeweiligen Hochzeiten ein, telefonierten häufig und sahen uns gelegentlich. Irgendwann wurden die Abstände unserer Telefonate länger, wir hatten beide Beruf, Familie, neue Freunde – bis der Kontakt ganz abriss. Ich dachte immer an meine “alte” Freundin, wenn ich meine Eltern besuchte, aber sie war nie dort, wenn ich gerade da war. Und so verloren wir uns irgendwie aus den Augen, noch nicht einmal die sozialen Netzwerke halfen.

In Frankfurt auf der Buchmesse waren tausende von Besuchern, Fachleuten und internationale Gästen. Jeder hatte wichtige, geschäftliche Termin. So wie ich – unter anderem das Interview auf dem Autorensofa des Katolischen Medienverbandes. Ich hatte Spaß und als ich von der Bühne klettert, kamen mehrere Leute auf mich zu, um weitere Interviews anzufragen, sich mein Buch signieren zu lassen oder für ein persönliches Gespräch. Als mein Blick umherschweifte, sah ich plötzlich in das lachende Geschichte meiner alten Freundin. Sie stand einfach vor mir und lachte mich herzlich an. Ich nicht. Ich brach sofort in Tränen aus, weil ich total fassungslos und überrascht war, mich wie verrückt freute und gleichzeitig traurig war, wegen der verlorenen Zeit, in der wir uns nicht gesprochen und gesehen hatten. Wir fielen uns in die Arme, lachten und weinten gleichzeitig und sprachen kurz, aber intensiv miteinander. Sie war als Buchändlerin natürlich auch dienstlich da und hatte mich über die Messe App gesucht und den Termin für meine Lesung gefunden.

Wir tauschten Handynummern aus und sie schickte mir am nächsten Tag das Foto mit der Tasse, die ich ihr vor vielen Jahren geschenkt hatte mit der Nachricht, dass sie immer noch bei ihr im täglichen Gebrauch ist. Ich hatte dieses Geschenk schon vergessen, aber durch die alte Tasse war ich meiner lieben Freundin wohl gelegentlich in Erinnerung gewesen. Wie dankbar ich bin, ihr dieses Geschenk gemacht zu habe…. Manchmal ist es eben nur eine alte Tasse, die Erinnerungen an Menschen zurückbringt….

Wir haben uns für diese Woche für ein laaaaaanges Telefont verabredet…. Es gibt viel zu erzählen.

Fünfzig

Dieses Jahr ist das Jahr des “halben Jahrhunderts” in unserer Familie… Ein Geburtstag und eine goldene Hochzeit… Das klingt nach viel Zeit – ist es ja auch. Oder ist es doch nur ein Wimpernschlag, gemessen an den vielen Evolutionen, Entwicklungen und Begebenheiten, die sich auf unserer Erde, in unserem Universum abgespielt haben und noch abspielen werden?

Nehmen wir unseren “begrenzten Horizont” als Maßstab, erscheinen 50 Jahre je nach Blickwinkel als eine sehr lange Zeit – wenn man sie vor sich hat. Aber rückblickend? Was passt alles in diese Lebenszeit hinein?

Auf einer Feier zu besagtem Anlass, traf sich der vollständige Freundeskeis. Das an sich ist ja schon mal nicht selbstverständlich, denn für manche endet das Leben eben schon eher. Die Freunde waren sich dessen sehr bewusst, denn es wurde mehrfach erwähnt. Es gab ein großes Hallo. Und es wurde gegessen, getrunken und viel gelacht. Zu fortgeschrittener Stunde kam es dem Anlass gemäß zu dem immer wieder schönen: Weißt Du noch…?!

Es wurden diverse Geschichten und Anekdoten zum Besten gegeben und jeder hatte etwas beizutragen. Manchmal variierte die Erinnerung ein bisschen, aber alles in Allem war es ein Rückblick auf eine gemeinsam erlebte Vergangenheit. Wie schön! Es wurde viel gelacht.  Ich konnte mich an einige Geschichten erinnern, obwohl ich noch ein Kind war, als sie passierten. Einige Geschichten kannte ich nicht und war überrascht, was sich von mir unbemerkt abgespielt hatte, oder einfach von mir vergessen wurde.

Aber so ist es wohl oft. Manches aus unserer Vergangenheit verschwindet im Nebel des Vergessens oder wird eben einfach unterschiedlich wahrgenommen. Bei einer Geschichte waren sich die Freunde so gar nicht einig darüber, wer im Vorgarten einer Nachbarin “Schabernack” betrieben hatte. Und es entbrannte unter viel Gelächter eine heftige Diskussion. Es konnte im Endeffekt nicht aufgeklärt werden, wer der “Haupttäter” war. Es spielt auch keine wirkliche Rolle, denn es ist kein richtiger Schaden entstanden. Fakt ist, dass diese damals gemeinsam erlebte Geschichte schon lustig und verbindend war und dass sie nach fast 50 Jahren immer noch für viel Spaß und Zusammengehörigkeitsgefühl sorgte.

Es war ein großartiger Abend – voller Freude und Freundschaft. Wenn das kein Anlass ist ein halbes Jahrhundert zu feiern… so, wie wir eigentlich jeden Tag feiern sollten!

Offene und geschlossene Türen

Als ich diese wunderschöne Tür in einer Nebenstraße in der Bamberger Altstadt entdeckte, musste ich an eine Begegnung mit einer Freundin denken.

Wir waren gut befreundet gewesen, als unsere Kinder noch klein waren. Bevor sie in die Schule kamen, verloren wir uns durch Umzüge, andere Interessen und “viel zu tun” aus den Augen. Eine Tür wurde geschlossen. Nicht im Zorn zugeschmissen und verriegelt, so dass keine Möglichkeit bestand sie je wieder zu öffnen – nein, sie wurde einfach leise zu gemacht und fast vergessen.

Gelegentlich ging ich gedanklich an dieser Tür vorbei, dachte an die Freundin und wie es ihr und ihren Kindern wohl geht, und machte mir eine mentale Notiz, mich mal wieder zu melden, bzw. nach ihr zu suchen (was Dank der Vielzahl an modernen Medien und sozialen Netzwerken ja nicht so schwierig ist).

Und so vergingen die Jahre.  Immer seltener dachte ich daran diese Tür wieder zu öffnen. Ich hatte einfach zu viel um die Ohren und überhaupt… Zu lange her, kann ich ja immer noch machen, und so weiter und so weiter. Die Kette der Ausreden war lang.

Was für alberne Begründungen! Denn keine davon ist wahr! Das wurde mir klar, als ich realisierte, dass ich möglicherweise eben nicht noch später Dinge erledigen kann, weil ich evtl. tatsächlich keine Zeit mehr dazu haben würde. Es dauerte ein weiteres Jahr bis ich den Mut fand an die Tür zu klopfen, in der Hoffnung, dass sie geöffnet würde.

Und das wurde sie! Ich war erfreut, gerührt und unendlich dankbar. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass die Tür ohne Vorbehalt, Vorwürfe oder Ressentiments geöffnet wurde. Und ich war überrascht, wie einfach es doch eigentlich sein kann, vermeintlich geschlossenen Türen wieder zu öffnen, wenn man sich bloß traut und zugegebenermaßen habe ich ja auch über 15 Jahre dafür  gebraucht… Aber – und das ist das Gute daran: Es war nicht zu spät!