Der richtige Ton

Den „richtigen Ton“ zu treffen, ist in doppelter Hinsicht gar nicht so einfach. Wenn ich mit Menschen spreche, versuche ich meine Sprache so zu nutzen, das ich verstanden werde. Spreche ich mit meinen Studierenden, ist es oft beschreibend und erklärend.

Spreche ich mit älteren Menschen, versuche ich deutlicher zu reden, weil das Gehör mit zunehmenden Alter schlechter wird. Und ich bin respektvoll – nicht nur bei älteren Menschen, sondern immer…. ( ich versuche es jedenfalls).

Spreche ich mit meiner Familie ist der Ton eher liebevoll, vertrauensvoll und mit Information und Emotion beladen.

Spreche ich mit meinem Hund, beschränke ich mich auf kurze, bekannte Töne, damit Rala weiß, was sie zu tun hat, beziehungsweise lassen soll (z.B. den Postboten nicht anbellen).

Bei meinen Freundinnen und Freunden ist der Ton geprägt von Offenheit und Vertrauen.

Fremden gegenüber ist mein Ton offen, interessiert und abwartend.

Unterschiedliche Situationen mit unterschiedlichen Tonarten und manchmal passt das Eine nicht zu dem Anderen… und das hat wohl nichts mit Musikalität zu tun….

Ich habe vor kurzem wieder angefangen zu singen. In meiner Schulzeit wurden wir „zwangsverpflichtet“ im Schulchor mitzusingen. Das bremste meine Motivation ziemlich, aber es ist dennoch Einiges hängengeblieben. Ich lernte Noten und spielte zeitweise ein Instrument. Dann hatte ich irgendwann keine Zeit und keine Lust mehr und hörte überwiegend Musik. Als mein Sohn klein war, sang ich wieder mehr. Zum einschlafen, in der Krabbelgruppe und später bei Laternenumzügen.

Jetzt darf ich am dritten Advent den Messiah von Händel (im altenglischen Original!) mitsingen. Gestern bekam ich die komplette Partitur und habe einen Schreck bekommen. Ich kann – wie gesagt – Noten lesen, aber das war es dann auch schon. Ich musste erst einmal meine „Reihe“ finden, wo der Part der „Altisten“ steht…

Als ich diese Herausforderung gemeistert hatte (mit Hilfe meiner Nachbarsängerin) erklärte der Chorleiter noch einmal die DEUTLICHE Aussprache des Textes und dann die Abfolge des Chores (den „Rest“ singen Profi-Solisten). Bei einigen Tonfolgen ging mir die Luft aus, denn natürlich bin ich (trotz Yoga) relativ ungeübt in der Atemtechnik (die aber beim „Einsingen“ Beachtung findet).

Zwei Stunden und viele falsche Töne später fragte meine Sitznachbarin, ob ich noch etwas mit trinken wolle, denn im Anschluss an die Probe muss ja schließlich die Kehle geölt werden. Natürlich ging ich mit. Mir gefällt die Gemeinschaft, die Hilfsbereitschaft, die Offenheit und die Freundlichkeit, die dieser Chor neuen Mitsingern (es sind mehrere Neulinge nach den Ferien eingestiegen) entgegen bringt. Sie trafen nicht nur beim Singen den richtigen Ton!

Fazit: Üben, üben, üben, dann klappt es auch mit dem richtigen Ton…..