Kleine Op’s am Küchentisch…

… mache ich jetzt nur noch sehr selten… Früher allerdings häufiger…

Bei unserem kürzlichen Osterurlaub hörten mein Mann und ich ein sehr witziges Hörbuch von Bill Bryson:”Eine kurze Geschichte von alltäglichen Dingen”. Dabei geht er durch jeden Raum seines alten Hauses und erzählt dabei viele Geschichten, z.B. über Salz und Pfeffer im Esszimmer, “Treppengeschichten” und medizin-historische Geschichten aus dem Schlafzimmer… Empfehlenswert!

Natürlich kam auch die Küche vor. Hier gab es sehr viele amüsante und überraschende  Details. Nun ist es ja schon seit Jahrtausenden so, dass sich die Familie um das “Herdfeuer” versammelt. Das war und ist bei uns auch so. Viele Besuche von Freunden finden am Küchentisch statt und die besten Patys enden in der Küche.

In den letzten Tagen habe ich das ehemalige “Kinderzimmer” abgebaut. Dieser Raum wird so schon seit einigen Jahren nicht mehr benötigt und es soll ein komfortables Gästezimmer werden. Dazu war einiges an Vorarbeit nötig, denn bevor man Schränke und Regale abbaut, sollten sie leer sein. Das hieß für mich, alles in Kartons zu verpacken und auch einiges aussortieren… (ich glaube nicht, dass mein Sohn Malte jemals wieder in die lateinische Grammatik aus der 8. Klasse gucken wird…).

Bei jedem Buch, jedem Lego-Raumschiff, bei der Steinsammlung aus vielen Urlauben und dem ganzen Krimskrams, der sich über die gesamte Kindheit so ansammelt (und natürlich ungeheuer wichtig ist!), wurde ich von tausenden Bildern aus der Vergangenheit überrollt. Ich musste sehr lachen, das ein oder andere Mal rollte auch eine Träne….

Das “OP-Besteck” lag in einer Bastel-Schublade. Es wurde gereinigt und desinfiziert und wohnt jetzt im Medizinschränkchen im Bad. Zum Trocknen legte ich es auf den Küchentisch. Dabei fielen mir noch viel mehr Geschichten ein… Und ja, ich habe dort schon oft operiert. Nicht nur diverse Holzsplitter entfernt, blutende Schnittwunden versorgt, Schürfwunden desinfiziert und steril verbunden, sondern tatsächlich “Gehirn-OP’s” durchgeführt.

Es war ein täglich wiederkehrendes, sehr wichtiges Ritual uns zu dritt abends zum gemeinsamen Essen am Küchentisch einzufinden. Und dann wurde nicht nur gegessen und gelacht sondern auch buchstäblich Ereignisse, Gedanken, Ideen und Pläne definiert, analysiert, bewertet und auch oft bis ins kleinste Detail seziert, bzw. amputiert, entfernt, rekonstruiert und einer Schönheits-OP unterzogen….

Und wieder hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis…. Das war eine tolle Zeit. Das Bemühen, keine Wehmut über Vergangenes aufkommen zu lassen, fiel mir schwer, aber es dauerte nur kurz. Denn jetzt ist einfach eine andere Zeit, die auch sehr schön ist. Und in einigen Jahren werde ich daran zurück denken und mich dann über diese Erinnerungen freuen…und vielleicht neue OP-Pläne schmieden…

Auf Sand gebaut…

Ein Tag am Meer ist wunderbar, wenn man einen Strandabschnitt findet, der nicht von erholungssuchenden Massen frequentiert wird.

An einem vergleichsweise einsamen Strandabschnitt (an der Ostsee) fand ich eine Sandburg, die offensichtlich von der Anwesenheit von Zivilisation zeugte. Erinnerungen an meine Kindheit und das bauen eben solcher Burgen wurden wach. Rala, unser Hund übersprang das Kunstwerk und zerstörte es glücklicherweise nicht. Aber einige Wellen kamen bedrohlich nah. Noch schnell ein paar Fotos gemacht, bevor wir weitergingen.

Auf dem Rückweg hatte sich das Meer den Sand surückgeholt Und nur die einsamen Muschelreste bewiesen, dass dort einmal ein Kunstwerk gestanden hatte. Für eine Sekunde war ich traurig über die vergebliche Mühe, die sich Jemand gemacht hatte. Aber nur kurz, denn ich bin sicher, das sehr bald eine neue Sandburg unter viel Gelächter, Spaß und Zusammenarbeit entstehen wird….

Ich wünsche allen ein wunderschönes, gesegnetes Osterfest mit festem Fundament.

Freier Fall oder Klettern 2.0

Nun bin ich dem Klettern tatsächlich ganz und gar verfallen. Ich habe mit meinem Mann Ralf nach dem Schnupperkurs gleich den nächsten Kurs gebucht, der uns nach Beendigung berechtigt, alleine (also ohne Trainer) in der Halle zu klettern.

Für diesen 2 x 3 stündigen Kurs war Rafael unser Trainer. Er ist etwas älter als ich, einen Kopf kleiner und ist extrem “drahtig” … Also nicht muskelbepackt, aber man sieht, dass er sehr gut trainiert ist. Und er ist Mexikaner mit einen sehr netten Akzent. Zu Beginn erzählt er von seinen Klettertouren in den Anden (7000m) und vom Yosemite Park/USA (El Capitan, Dawn Wall – eine fast senkrechte, 1000m hohe Steilwand), an dem er 7 Tage (und Nächte!) “in der Wand” war….

Den Anspruch habe ich definitiv nicht, denn ich mache mir schon einen Knoten in die Arme, statt in das Sicherungsseil. Geduldig erklärt Rafael mir mehrfach, wie der “Achter” geht. Das ist eine doppelte acht im Seil, die dann in den Haltegurt eingeknotet wird. Die jeweiligen Sicherungspartner kontrollieren noch mal, was natürlich Sinn macht… Aber wer lässt sich schon gerne kontrollieren?

Eine Art “Abschlussprüfung” war es, dass man sich auf etwa 8 Meter Höhe loslässt und ins Seil fallen läßt!!! Derjenige, der sichert, wird (je nach Gewicht des Fallenden) mehr oder weniger empor gerissen. Derjenige, der loslässt, muss genau dieses tun – loslassen! Und da war ich an meinem Problem: loslassen, sich fallen lassen und darauf vertrauen, dass man aufgefangen wird. Mein Adrenalinspiegel schoss extrem nach oben und ich bezweifelte sehr stark, dass ich das schaffen würde. Mein Mann übrigens auch….

Er war der Erste, der es versuchte und er vertraute mir offensichtlich ausreichend und schaffte die Übung bravourös. Ich wollte es zumindestens versuchen und kletterte auf die entsprechende Höhe. “Noch ein Stück weiter, und dann lass einfach los, wenn du soweit bist”, gab Rafael von unten Hilfestellung. Er hatte offensichtlich schon im Vorfeld erkannt, dass es ein Problem für mich werden würde. Ich kletterte also noch zwei weiter “Stufen” nach oben, schloss die Augen und….. klammerte mich fest….

“Du kannst jetzt loslassen, wenn Du willst”, klang die Stimme von Rafael sehr empathisch zu mir herauf. “Ich will aber nicht!” dachte ich, öffnete die Augen schaute entsetzt auf meine Finger, die sich lösten und dann sauste mein geschundenes “Ich” im freien Fall einige Meter nach unten. Natürlich wurde ich mit einem heftigen Ruck aufgefangen und dann langsam von Ralf nach unten abgelassen. Mit wackeligen Knien und zitternden Händen landete ich doch etwas stolz auf dem Boden.

Eine Umarmung von Ralf und ein Schulterklopfen von Rafael…. “Beim Fallen begegnet man sich selbst,” fasste Rafael meine adrenalingetränkten Gefühle zusammen. Besser hätte ich es auch nicht sagen können!