Plan oder freier Wille?

Ein guter Plan, einen Film zu gucken, besonders wenn der Sommer wegen einem verfrühten Herbst ausfällt und man leider nicht bis spät abends auf der Terasse mit einem Glas Rotwein sitzen kann, sondern sich stattdessen eher einen Glühwein, bzw. einen heißen Tee wünscht.

Und nein, keine  Filmbesprechung und kein Spoiler-Alarm. Ich hatte nur keine andere Idee für ein Foto, das verdeutlicht, worum es geht…. Also der Film (à la Hollywood) hat natürlich eine Liebesgeschichte. Das war aber nicht das, was mich faszinierte, sondern die Story dahinter: Haben wir unser Schicksal selber in der Hand oder gibt es einen Plan, der unser Leben steuert? Und wenn ja, wer steckt dahinter?

Ich spreche da für mich, glaube aber, dass sich viele schon diese Frage gestellt haben: Was wäre wenn ich nach links auf meinen Lebensweg abgebogen wäre, statt nach rechts… War es mir “vorherbestimmt” nach rechts zu gehen? Und was hätte sich verändert? Kein Mensch lebt auf einer Insel. All unsere Entscheidungen beeinflussen auch die Lebenswege andere Menschen.

Ich hatte vor vielen Jahren ein Jobangebote in Süddeutschland und ich war geneigt es anzunehmen, da ich gerne wieder “zurück” nach Bayern wollte. Aus verschiedenen Gründen tat ich es nicht. Es hätte unter anderem einen Schulwechsel für meinen damals gerade 8 Jahre alten Sohn bedeutet. Er wäre in eine bayrische Schule gegangen, hätte völlig andere Freunde gefunden, hätte vielleicht etwas anderes studiert….

Ich hätte eine völlig andere Karriere gemacht, ebenfalls andere Freunde gefunden und meinen Mann nicht kennen gelernt…. Ich wäre meinen behandelnden Ärzte nicht begegnet, ein anderes Behandlungsteam hätte mich vielleicht auf einen anderen therapeutischen Weg begleitet….

Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie das Leben meines Sohnes verlaufen wäre, oder meines, oder das meines Mannes – wenn ich eine andere Entscheidung getroffen hätte. Es spielt eigentlich keine Rolle, denn ich werde es nie erfahren (noch eine Frage, die ich Gott stellen werde, wenn ich ihn treffe). Aber für eines bin ich sehr dankbar: für die Freiheit, wählen zu können. Und das ist für mich ein Zeichen einer überwältigenden Liebe: Freiheit schenken ist Liebe. Und ja, möglicherweise gibt es einen Plan für jeden Menschen, aber jeder hat immer die Wahl. Wenn schon nicht zu den Möglichkeiten, dann aber doch zu dem Standpunkt und der Haltung zu der jeweiligen Situation. Victor Frankl nennt das Logotherapie. Aber dazu ein anderes mal mehr….

Fazit: Die alles entscheidende Frage bleibt: Habe ich den Mut eine Entscheidung zu treffen – egal welche, und wie ist meine Haltung dazu…

Findelkind

Samstagvormittags-Einkauf verbunden mit einer Runde durch den Park mit dem Hund. Meistens übernimmt mein Mann diesen Job – so auch diesesmal. Ich decke derweil den Frühstückstisch als mein Handy klingelt…. “Komm bitte an die Wegkreuzung bei der Brücke und bring ein Behältnis mit. Ich habe ein aus dem Nest gefallenes Vogelbaby gefunden.”

Das ist nun wirklich nicht das erste Mal. Mein Sohn, mein Mann und ich haben schon jede Menge Findelkinder aufgesammelt. Eine kleine Amsel (mühevoll mit Mehlwürmern großgezogen und das Fliegen beigebracht), einen jungen, vorletzten Raben (Abraxas, sehr bissig), ein Rotkehlchen (hat es nicht geschafft), einen Maulwurf, ein ausgesetztes Katzenbaby usw.

Ich eile also mit einer Plastikschale, ausgelegt mit Zeitungspapier, los. Ich höre unseren Hund schon von weitem kläffen. Er regt sich schrecklich auf, dass mein Mann ein “Irgendwas” in der Hand hält. Sofort stelle ich fest, dass das mitgebrachte Behältnisse zu klein ist, denn das Vogelbaby ist ein Vogelbaby eines Adlers! Nein, natürlich nicht, aber es ist ziemlich groß, schwarz mit weißen Federn. Eine Elster behaupte ich… Mein Mann zweifelt. Egal – das arme Tier sieht ziemlich schlapp aus, scheint aber wenig Angst zu haben und lässt sich widerstandslos zu uns nach Hause transportieren, wo es in einen großen umgedrehten, vergitterten Wäschekorb umzieht. Der Vogel sitzt etwas schlapp in der Ecke, hat aber keine Angst als ich näher hingehe und auch nicht als der Hund an dem Korb schnuppert und wieder anfängt zu bellen. Scheint eifersüchtig zu sein.

Mein Mann erledigt die restlichen Einkäufe und ich telefoniere verschiedene Tierschutzorganisationen (NABU, Wieldtierauffangstation usw.) an, um Infos zu bekommen, was ich mit dem Federvieh machen soll und es bestenfalls sogar in wissende Hände abgeben kann. Klappt leider nicht, denn mir wird mehrfach erklärt den Vogel wieder zurück zu bringen und seinem Schicksal zu überlassen (…”So ist die Natur nunmal!”) und außerdem ist es um eine Elster sowieso nicht schade….!

Mein “Ersatzmutterherz” blutet und ich bringe das arme Wesen natürlich nicht zurück, um es von der nächsbesten Katze fressen zu lassen. Ich sause los und besorge Katzenfutter, eine Pinzette und versuche den Kleinen zu füttern. Wie erwartet klappt das ganz wunderbar. Dann müssen erst einmal mein Mann und ich gefüttert werden, denn mittlerweile ist es später Mittag und aus unserem Frühstück wird ein Brunch.

Der Kleine wird zunehmend munterer, lässt sich füttern und auf die Hand setzen. Er ist überhaupt nicht schüchtern und fängt an zu flattern, als ich mit ihm durch den Garten renne. Natürlich trage ich dabei Einmalhandschuhe, denn ich weiß ja nicht, was für komische Keime so ein Vogel mit sich bringt. Mein Mann ist da wesentlich unerschrockener und so trainieren wir abwechselnd den ganzen Samstag nachmittag und auch den Sonntag das Fliegen. Zeitweise glaube ich, einer von uns lernt es eher als der Vogel… Aber Fortschritte werden sichtbar. Welcher Gattung das Findelkind angehört ist uns immer noch nicht ganz klar, aber dem Gekrächze nach ist es irgendein Rabenvogel…

Er wird zunehmend zahm, lässt sich streicheln und auch wieder einfangen. Unser Hund ist mehr und mehr genervt und uns ist klar, dass wir ihn so bald wie möglich wieder auswildern müssen, damit er sich nicht zu sehr an uns gewöhnt. Außerdem geht das Katzenfutter zur Neige, denn unser Hund hat in einem günstigen Moment die Dose vom Gartentisch gestohlen und genüsslich aufgefressen.

Als wir uns sicher sind, dass er zumindestens hüpfend und flatternd einer hungrigen Katze entkommen kann, bringen wir ihn zu dem Baum zurück, wo wir ihn gefunden haben und setzen ihn auf einen halbhohen Ast und gehen etwas wehmütig weg. Nach einer Stunde schauen wir nach…. Er sitzt noch immer auf dem selben Ast. Eine weitere Stunde später ist er weg. Wir sehen keinen Federhaufen und hoffen, dass er es geschafft hat.

Noch tagelang gehe ich an dem Baum vorbei und schaue nach, ob ich unser Findelkind sehe. Ohne Erfolg. Aber ich bin froh, dass er in Freiheit ist, denn das ist seine Natur.