Marienberg (Dörnwasserlos, Franken)

Ich hatte ein Versprechen zu erfüllen. Auf dem Marienberg war eine Fürbittenmesse für mich gehalten worden und ich versprach, wenn Menschen, die mich gar nicht kennen, für mich beten, dann möchte ich etwas zurückgeben – Danke sagen. Eine Woche ehrenamtliche Arbeit, egal was.

Ende August fuhr ich über 500 km in Richtung Franken. Ich liebe diese Strecke (denn ich fahre sie oft) über Hannover, Kassel, durch die Rhön und Fulda. Es wird langsam immer hügeliger. Es ist Hochsommer und sehr  heiß und ich freue mich, dass die Klimaanlage gut funktioniert. Kurz hinter Bamberg verlasse ich die Autobahn und fahre über die Landstraße Richtung Scheßlitz/Dörnwasserlos. Nach der Ortschaft geht es links den Berg hinauf (fast 600 m über NN). Ich fahre durch ein Tor – das Gelände ist umgeben von einem hohen Zaun. Es sind die Reste der ehemaligen NATO Raketenbasis der Amerikaner, die hier früher beherbergt war.

Das gesamte Gelände umfasst 10 ha, hat einen Spiel – und Sportplatz, eine kleine Gaststätte, wo es Sonntags eine kleine, aber feine Speisekarte gibt. Getränke und Eis gibt es für Wanderer, Pilger, Mountainbiker und Motorradfahrer. Und ich bin begeistert von der Blumenpracht rund um die Häuser und Wege. Sie werden mein Hauptbeschäfftigungsfeld sein. Ich lerne dort, dass Gartenarbeit sehr kontemplativ sein kann, auch wenn ich von “Viechern” total zerstochen werde.

Das Reinisch Haus, meine “Herberge” für die Woche, ist mit sehr freundlicher, moderner, heller und schlichter Einrichtung ausgestattet, fast wie in einem Kloster. Am Eingang steht ein Gedenkstein für Franz Reinisch (01.02.1903 – 21.08.1942), ein Pater, der in der NS Zeit Farbe bekannt hat.  ”Farbe bekennen” ist auch das Motto des Gästehauses. Pater Franz verweigerte den Fahneneid auf Hitler und wurde in Berlin enthauptet. Sein Lebensweg war ein Protest gegen Mitläufertum und Unverbindlichkeit. Seine Biographie wird mich noch lange nach meiner Abreise beschäftigen.

Auf meinem ersten Erkundungsgang entdecke ich auf einem Hügel eine winzige kleine Kapelle – “Kappelchen”, wie es auch liebevoll genannt wird. Hier gibt es Sitzplätze für maximal 20 Menschen. Als ich diesen stillen Raum betrete, muss ich geblendet die Augen schließen. Nicht wegen dem üppigen bayrischen Barock, das ich eigentlich erwartet habe, sondern wegen der Explosion von Farben, die durch das Sonnenlicht, das durch die modernen Kirchenfenster scheint, entsteht. Es ist angenehm kühl hier und vielleicht noch ein bisschen stiller, als es “hier oben” sowieso schon ist. Ich gehe während meines Aufenthaltes jeden Tag hierher und kann dort innere Einkehr halten. Es ist fast immer leer. Nur gelegentlich ist mal jemand dort. Bei einer Messe allerdings platzt das Kappelchen aus allen Nähten, denn viele Leute aus dem Ort kommen Donnerstags hierher. Ich treffe bekannte Gesichter, denn viele Menschen aus der Umgebung kommen regelmäßig hierher um zu helfen. Eine derartig große Bereitschaft ehrenamtlich tätig zu sein, habe ich selten erlebt. Sie sprechen auch von “Ihrem Berg” und ich spüre das Gefühl von Heimat, das die Menschen hier oben haben. Fast bin ich ein bisschen neidisch, da ich nur eine begrenzte Zeit hier bin und nehme mir fest vor wiederzukommen.

Die Woche auf dem Berg ist geprägt von Stille, innerer Einkehr, Garten- und Küchenarbeit, sehr viel Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft und von schönen Begegnungen mit freiwilligen Helfern. Besonders schön sind die Gespräche mit den beiden Schwestern der Schönstatt Bewegung. Sie kümmern sich um alles, was auf dem Marienberg zu tun ist und sind die “guten Seelen” des Berges.

Zeit für Ausflüge in die nähere Umgebung habe ich auch. Das mittelalterliche  Bamberg (Weltkulturerbe) steht gleich mehrmals auf meinem Programm. Bayreuth, Kulmbach (Bierbrauerstadt!) und Coburg sind weniger als 50 km entfernt und allesamt sehenswert. Zum Wandern in der fränkischen Schweiz brauche ich nochmal eine extra Woche, denn die Landschaft ist atemberaubend. Für alle “Nicht-Franken” empfiehlt sich ein Sprachführer, denn die fränkische Mundart ist entzückend, aber für ein ungeübtes Ohr manchmal etwas  schwer zu verstehen.

Wer also mal eine Auszeit von der hektischen Welt nehmen möchte, ist hier allerbestens aufgehoben (schaut bei den Links).  Ich fahre bald wieder auf den Berg, denn man ist dort dem Himmel ein kleines Stück näher.

Herbstspaziergang

Herbst ist eine germanische Bezeichnung der Jahreszeit zwischen Sommer und Winter (herbista). Das bedeutet auch Ernte oder Zeit der Früchte.

Ich finde den Herbst kann man hören. Die Blatter rauschen im Wind, Eicheln und Kastanien fallen herab, und es ist eine Zeit zwischen den Zeiten. Es wird irgendwie leiser in der Natur. Es riecht nach Abschied, die Stoppelfelder sind goldbraun und sogar schon ein bisschen darüber hinaus. Noch wärmt mich die Sonne, aber im Schatten ist es schon fast kalt und ich beeile mich wieder ins Licht zu kommen. Ich halte mein Gesicht in die wärmende Sonne und schließe die Augen und wünschte, ich könnte es speichern, so dass ich es in der dunklen Jahreszeit abrufen kann. Ich bemühe mich, nicht zu sehr die Abschiedsmelodie des Sommers zu hören, sondern das “Hier und Jetzt” zu genießen. Es fällt mir nicht leicht, weil ich weiß, dass mir die Wärme und das Licht fehlen werden.

Herbst, Erntezeit – Erntedank. Ein schönes Fest. Ich mochte es als Kind mit einem gefüllten Körbchen in die Kirche zu gehen und es auf den Altarstufen abzustellen. Die Früchte der Arbeit, die Ernte vor sich zu sehen ist doch etwas schönes. Sich darüber zu freuen, was man selber geleistet hat und dankbar sein, für das, was uns dazu geschenkt wurde. Sei es Regen und Sonnenschein, oder Kollegen aus unserem Team und unsere Talente.  Danke sagen, dass uns so viel gelungen ist und vielleicht teilen und abgeben, an die, denen nicht alles gelungen ist – die nicht so eine gute Ernte hatten.

Ein paar Blätter fallen vor mir herunter. Eines streift mein Haar. Ich musste in der Schule ein Herbstgedicht lernen, es fällt mir ein und ich freue mich, dass ich es noch auswendig kann:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten. Sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen, diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke)

Ich drehe um, und mache mich auf den Weg nach Hause.