Begegnungen

Wenn man bei dem “Schlagwort-Verzeichnis” in meinem Bolg schaut, ist das Wort “Begegnungen” besonders herausgehoben. Weil ich es oft verwende. Ich habe mir sehr gewünscht, meine geschenkte Zeit mit vielen guten Begegnungen füllen zu können. Und mein Wunsch wird jeden Tag auf’s Neue erfüllt.

Vor ein paar Tagen brachte mir ein guter Freund – er ist Priester, anlässlich einer Wohnungssegnung ein Bild aus Jerusalem mit. Darauf sind zwei Frauen zu sehen – ein Bild zu der Geschichte von dem Besuch Marias bei Elisabeth. Darum ging es bei der Wohnungssegnung. Sofort hatte ich das Bild von dem Treffen mit der Freundin vor Augen (siehe letzter Blogeintrag).

Begegnung findet oft in unseren Häusern und Wohnungen statt, aber auch am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder in Vereinen und im Freundeskreis. Begegnung ist für mich mehr als sich “nur” zu treffen. Es ist viel mehr ein gegenseitiges wahrnehmen und erkennen – ein achten und wertschätzen. D. h. nicht, dass ich alles gut finden muss, was gesagt oder getan wird,  aber es hat für mich mit Respekt zu tun.

Einen Tag später hatte ich eine weitere denkwürdige Begegnung. Ich hatte die Gelegenheit mit Erzbischof Zolitsch an einer gemeinsamen Messe mit nur 8 Personen teilzunehmen. Ich bin noch nie einem “Promi” so nahe gewesen und schon gar nicht einem so hohen kirchlichen Würdenträger. Auch diese Begegnung war besonders. Denn mir begegnete ein Mensch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! Ich hatte Respekt, aber er lächelte, krauste zwischendurch mal die Nase, wünschte eine gesegnete Zeit und fuhr sich mit der Hand durch die Haare – ganz normal eben! Eine denkwürdige Begegnung, die mich lehrte, dass jeder Mensch besonders ist, aber immer auch ein ganz “normaler” Mensch bleibt, egal ob man sich 15 Jahre nicht gesehen hat oder ein hohes Amt bekleidet.

Die Begegnung mit meiner Freundin war besonders, die Begegnung mit meinem Freund war besonders, die Begegnung in der Messe war besonders – jede auf ihre Weise. Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche Anlässe. Und dennoch haben sie eines gemeinsam. Sie haben mich reicher gemacht.

Offene und geschlossene Türen

Als ich diese wunderschöne Tür in einer Nebenstraße in der Bamberger Altstadt entdeckte, musste ich an eine Begegnung mit einer Freundin denken.

Wir waren gut befreundet gewesen, als unsere Kinder noch klein waren. Bevor sie in die Schule kamen, verloren wir uns durch Umzüge, andere Interessen und “viel zu tun” aus den Augen. Eine Tür wurde geschlossen. Nicht im Zorn zugeschmissen und verriegelt, so dass keine Möglichkeit bestand sie je wieder zu öffnen – nein, sie wurde einfach leise zu gemacht und fast vergessen.

Gelegentlich ging ich gedanklich an dieser Tür vorbei, dachte an die Freundin und wie es ihr und ihren Kindern wohl geht, und machte mir eine mentale Notiz, mich mal wieder zu melden, bzw. nach ihr zu suchen (was Dank der Vielzahl an modernen Medien und sozialen Netzwerken ja nicht so schwierig ist).

Und so vergingen die Jahre.  Immer seltener dachte ich daran diese Tür wieder zu öffnen. Ich hatte einfach zu viel um die Ohren und überhaupt… Zu lange her, kann ich ja immer noch machen, und so weiter und so weiter. Die Kette der Ausreden war lang.

Was für alberne Begründungen! Denn keine davon ist wahr! Das wurde mir klar, als ich realisierte, dass ich möglicherweise eben nicht noch später Dinge erledigen kann, weil ich evtl. tatsächlich keine Zeit mehr dazu haben würde. Es dauerte ein weiteres Jahr bis ich den Mut fand an die Tür zu klopfen, in der Hoffnung, dass sie geöffnet würde.

Und das wurde sie! Ich war erfreut, gerührt und unendlich dankbar. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass die Tür ohne Vorbehalt, Vorwürfe oder Ressentiments geöffnet wurde. Und ich war überrascht, wie einfach es doch eigentlich sein kann, vermeintlich geschlossenen Türen wieder zu öffnen, wenn man sich bloß traut und zugegebenermaßen habe ich ja auch über 15 Jahre dafür  gebraucht… Aber – und das ist das Gute daran: Es war nicht zu spät!

Jahresringe

Mein Vater malte seit sein Enkel geboren war und er halbwegs stehen konnte in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen eine “Wachstumslinie” an die Kellerwand. Aufgeschrieben wurden Größe, zum Teil das Gewicht und das jeweilige Datum.

Bei meinem letzten Besuch stellte ich erstens fest, wie klein mein Sohn mal war, aber zweitens das er mich jetzt um gut 15 cm überholt hat und drittens, wie lange es her ist, seit er eben so klein war.

Gefreut habe ich mich darüber, dass mein Vater diese Erinnerungsleiste bzw. Zeitstrahl belassen hat, obwohl der Keller mehrfach saniert wurde. Wir blieben zu dritt (mein Vater, mein Sohn und ich) einige Zeit etwas versonnen davor stehen und betrachteten die Striche an der Wand. Ich glaube, uns gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Mich erinnerten die Striche an der Wand an die Jahresringe eines Baumes. Es sind “nur” Linien, aber dazwischen gab es jede Menge Ereignisse, die zu einem Leben eben dazu gehören. Bei meinem Sohn waren es natürlich Dinge wie Einschulung, Konfirmation, Abi und Studienbeginn.

Wie wäre es, wenn ich auch so einen Zeitstrahl für mein Leben hätte? Was würden die Striche für Lebensabschnitte markieren? Die Ereignisse, die eben normalerweise stattfinden oder Ereignisse und Begegnungen, die aus anderen Gründen eine besondere Bedeutung haben? Das scheint mir eine interessante Frage zu sein: Was oder wer markiert in unserem Leben “Kerben” (bzw. Jahresringe oder Striche), die unser Leben beeinflussen und sogar verändern? Bei mir kann ich sagen, dass es sehr häufig Menschen waren, die einen oder mehrere Jahresringe hinterließen. Aber natürlich auch Ereignisse, die in unserer westlichen Zivilisation  fast zur Normalität gehören (Schulbildung, Beruf, Familiengründung,  Wohnortwechsel, Alter und Tod). Selbstverständlich ist das alles aber nicht.

Der Zeitstrahl meines Sohnes kann jetzt nur noch in der Horizontalen fortgesetzt werden, da die Kellerdecke erreicht ist. Naja, wachsen wird er wohl auch nicht mehr. Mal sehen, ob sein Opa weitere Markierungen bei einschneidenden Ereignissen anbringt. Ich finde das großartig und freue mich schon darauf, wenn mein Sohn mal seinen Kindern diese Erinnerungsleiste zeigt und vielleicht einige Geschichten dazu aus seinem Leben erzählt. Mögen es viele gute Jahresringe sein.