Giersch

“Unkraut vergeht nicht” lautet ein altes Sprichwort und ich kann es nur bestätigen….

“Wenn man Giersch auf dem Grundstück hat, sollte man es verkaufen”, so ein Ausspruch meiner Mutter. Tatsächlich ist Giersch eine der wenigen Pflanzen, die meiner destruktiven Hege und Pflege ihr Wachstums  erfolgreich entgegensetzen. Alles andere Grünzeug erliegt bei mir binnen kürzester Zeit einen durstigen Tod.

Als wir vor über 10 Jahren in unser Haus mit Garten einzogen, legte mein Mann für mich ein Rosenbeet an. Dieses Rosenbeet wurde Jahr für Jahr von mir kultiviert, ergänzt und gepflegt. Aber leider forderte von Anfang an der passiv-aggressive Giersch sein Überlebensrecht ein. Je nach Lust und Laune, Zeit und körperlichem Wohlbefinden nahm ich den aussichtslosen Kampf auf. Die Kooexistenz mit den Rosen funktioniert, denn mein Rosenbeet blüht trotz allem Gierschbewuchs bis zu drei mal pro Jahr.

Am Wochenende-Garten-Samstag sagte ich dem reichlich aktiven Giersch mal wieder den Kampf an. Um ihn bis auf die Wurzeln ausmerzen zu können, beschnitt ich vorher sachgerecht meine Rosen, die sich aktiv-aggressiv wehrten (wahrscheinlich, weil ich sie etwas vernachlässigt hatte), so dass ich unter massivem Blutverlust durch Dornen erst einmal reichlich Desinfektionsmittel und diverse Pflaster benötigte.

“Wenn man eine Gierschstaude ausreißt, kommen zur Beerdigung zwei Neue.” Eine weitere Bauernweisheit meiner Mutter. Egal. Mir gelang es jedenfalls einige größere Stauden mit Wurzeln zu eliminieren. Nun ist das Beet nicht extrem groß, aber der Gierschbewuchs dafür extrem dicht. Eine Freundin, die ein ähnliches “Giersch-Problem” hat, riet mir daraus einen gesunden Salat zu machen und man findet im Internet auf den einschlägigen Seiten tatsächlich eine Vielzahl von Rezepten mit Giersch. Wohlmöglich lässt sich ein lukratives Geschäft damit machen… Ein “Girsch-Start-up” gewissermaßen.

Dieser Gedanke veranlasste mich, die verhasste Pflanze mal etwas genauer zu betrachten, da ich wegen zunehmender Rücken-und Beinschmerzen eh eine Pause brauchte. Mittlerweile hatte ich schon fast zwei Stunden in einer sehr unphysiologischen Körperhaltung verbracht. Ich setzte mich als auf das kleine Mäuerchen, das mein Rosenbeet umgiebt und betrachtete das Grünzeug genauer.

Gar nicht hässlich, dass saftig grüne, schön gezackte und geformte Blatt. Noch dazu die feingliederigen, fast doppelt so langen Wurzeln, und der frische Geruch von Chlorophyll… (ja, es ist noch etwas aus dem Bio-Unterricht hängen geblieben. Und auch  über Fotosynthese weiß  ich noch ein bisschen… Allerdings nicht mehr so ganz genau…).

Mein Blick fiel auch auf die bereits ausgerissenen Giersch-Leichen und schon hatte ich ein schlechtes Gewissen, da ich nun als Massenmörderin von harmlosen Giersch in der Pflanzenwelt gelten würde. Schnell verdrängte ich den Gedanken, beförderte den Rest der noch lebenden Gierschfeinde vom Leben zum Tod (jetzt kam es auch nicht mehr darauf an) und entsorgte den Leichenhaufen auf den Kompost. Und schon war mein unterschwellig schlechtes Gewissen dahin, würden doch die Gähr-und Verwesungsprozesse für neues, grünes Wachstum sorgen. Hoffentlich nicht für Enkel und Urenkel des Giersch, sondern für die Rosen….

Fazit: Grün ist die Hoffnung – Rosen sind rot – Unkraut ist tot….

Pfarrgarten

Als ich vor einigen Wochen bei meinem Freund Martin in dem wunderschönen Pfarrkeller aus dem 17. Jahrhundert eine Lesung aus meinem Buch hielt, gingen wir spät abends durch den Pfarrgarten zu meinem Auto zurück. Es war zwar schon dunkel, aber ich konnte etwas von der “verwilderten Ödnis” erkennen. Als wir durch das halb verfallene Tor aus sehr alten Sandsteinen gingen, fragte ich Martin, der erst seit ein paar Monaten dort wohnte und arbeitete, ob der Garten in Stand gesetzt würde…. wäre doch schade darum, den geschützten Innenhof nicht nutzen zu können. Ja, da würde sich bald etwas tun, verriet er mir mit einem Schmunzeln.

Letzte Woche in meiner “Schreib-Klausur” ging mir etwas die Luft aus und ich brauchte dringend Inspiration und Abwechslung. Kurz entschlossen schrieb ich Martin über einen bekannten Kurznachrichtendienst an, ob er Zeit für ein Treffen habe. Er antwortete sofort und lud mich in den “neuen Pfarrgarten” ein. Ich sagte für den übernächsten Tag begeistert zu und war sehr gespannt auf das neue Gartenkonzept.

Stolz brachte mich Martin in den neu gestalteten Garten, wo er in einer sehr hübschen Ecke einen Kaffeetisch vorbereitet hatte. Es war nichts mehr von der Ödnis zu sehen! Neue Pflasterung, die aber die alten Steine integrierte, farbig, freundlich gestrichene Anbauten und Pavillons, eine gepflegte, kleine Rasenfläche mit einer hübschen Hecke und mit einem sehr schönen Wasserspiel, und eine exzellent restaurierte Sandsteinmauer vervollständigten das Gesamtkonzept. In die Steinauer war ein kleines, metallenes Bildnis des Abendmahls eingelassen, das eigentlich schon auf dem Schutthaufen gelegen hatte, berichtete mir Martin. Und natürlich darf auch eine Marienfigur in diesem traumhaft schönen Pfarrgarten nicht fehlen.

Besonders der Tordurchgang, der jetzt gar nicht mehr marode wirkt, sondern sehr einladend, gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist nur ein Durchgang – ohne Tür – zu beiden Seiten offen – man kann hinaus und hineingehen, ohne Barriere. Was für eine Freiheit. Es erscheint mir besonders symbolträchtig und tatsächlich werden Martin und ich später über Türen, die offen sind – oder geöffnet werden, sprechen.

“Da waren aber Profis am Werk”, mutmaße ich. “Nur einige wenige! Das meiste haben verschiedene Menschen aus der Gemeinde, Jugendgruppen und Freiwillige gemacht” berichtet Martin nicht ohne Freude und Stolz. “Alle haben Hand angelegt und ganz praktisch Steine geschleppt, Erde umgegraben, gestrichen, gehämmert und gesägt. Und wir hatten natürlich auch ein paar finanzielle Sponsoren. Ohne geht es nicht. Das hat alles total Spaß gemacht”, gerät Martin richtig ins Schwärmen.

Ich hatte das Privileg, den ganzen, sonnigen Nachmittag in tiefen Gesprächen in diesem wunderschönen alten und doch neuen Pfarrgarten mit einem offenen Tor zu sein und Inspiration in überreichlichem Maß mitzunehmen.