Buchparty 2.0

Die Tischdeko ist in den Farben des Buch-Covers, die liebevoll gestalteten Tischgestecke exakt farblich mit Hortensien abgestimmt und ich trage ein grünes Kleid. Der Prosseco ist kalt und perlt in den schönen, langstieligen Gläsern und meine Begeisterung kennt keine Grenzen! Trotzdem muss ich einmal tief Luft holen, bevor ich meine 40 Gäste begrüße.

Ich habe zur zweiten Buchparty eingeladen. Letztes Jahr gab es eine “pinkfarbene”  und dieses Jahr eine “grüne” Buchparty. Heuer etwas kleiner, aber mindestens genau so wunderbar.

Es gab vier große Tische, jeweils mit 8 – 10 Personen. Einen Tisch mit Familie, einen Tisch mit Freunden, einen Tisch mit Menschen, die für mein physisches und psychisches Wohlergehen wichtig sind, wie mein Onkologe und mein Physiotherapeut. Und einen großen Tisch mit meinen “Geschichtenerzählern”…

Bevor ich die Gäste begrüßte und dann kurz aus dem Wartezimmer-Buch vorlas, konnte ich die gesamte Gesellschaft von vorne überblicken und mir wurde klar, das die vier Tische mein Leben repräsentieren. Die wichtigsten Säulen in meinem Leben: Familie, Freunde, Glaube und Gesundheit und das schreiben (die Protagonisten, deren Geschichte ich aufschreiben durfte).

Es wurde gegessen, getrunken, geredet und viel gelacht – besonders am Tisch der Geschichtenerzähler. Ich beobachtete sie gelegentlich aus den Augenwinkeln. Sie kannten sich untereinander nicht und wussten nur aus dem Buch voneinander. Dort hatte ich ihnen biblische Namen gegeben um ihre Privatsapähre zu schützen. Sie alle “outeten” sich sehr schnell und vernetzten sich über die digitalen Medien. Es gab angeregte Gespräche, Gemeinsamkeiten und viel Gelächter. Später sagte Jemand: “An diesen Tisch war die Lebensfreude fast greifbar!”

Eine schönere Rückmeldung hätte ich kaum bekommen können. Der gesamte Tag war gelungen, wir konnten draußen sitzen, essen, trinken und das Leben feiern. Alles war grün und hoffnungsvoll und ich glaube die Begegnungen, die stattfanden waren besonders tief.

Als ich abends totmüde aus meinen neuen, grünen High Heels stieg, fand ich viele Mails, SMS und WhatsApp Nachrichten auf meinem Handy. Die Party klang wohl nicht nur bei mir nach und ich wünsche mir, das die Erinnerung an den gemeinsamen Tag bei allen Gästen ein warmes, hoffnungsvolles Gefühl hinterläßt.

Mir bleibt es nur, zu überlegen, welche Farbe als nächstes dran ist….

Staffellauf

Der Tag danach ist geprägt von Erleichterung  (natürlich nur bei guten Ergebnissen). Menschen wie ich müssen/dürfen alle paar Monate  (bei mir ist es noch relativ engmaschig, 2-3 Monate) zu Kontrolluntersuchungen. In meiner Klinik heißt es “staging”. Wikipedia definiert es: “… als Teil der Diagnostik, der der Feststellung des Ausbreitungsgrades eines bösartigen Tumores dient. Sie wird zur Basis für die Entscheidung, zu welcher Therapie dem Patienten geraten wird.”

Ich würde es eher “Staffellauf” nennen. Man hat ein Ziel vor Augen, muss aber dazu verschiedene Positionen erreichen. Anders als beim richtigen Staffellauf gibt man den Stab allerdings nicht weiter, sondern trägt ihn selber durch alle Stationen. Bei mir sind es 6 Stationen: CT, MRT, Sono, Befundgespräch mit dem Radiologen, Labor und Abschlussgespräch mit dem Onkologen.

Das Schlimmste sind eigentlich noch nicht einmal die Untersuchungen an sich. Daran “gewöhnt” man sich mit der Zeit. OK – toll ist es nicht, Kontrastmittel gespritzt zu bekommen und in dem wummernden MRT zu liegen, ohne sich bewegen zu können und dürfen. Auch das reichlich aufgetragenen Gel für die Sonographie ist ekelig. Ich mache immer die Augen zu, spreche ein Gebet und stelle mir die Hochries (mein Lieblingsberg im Chiemgau) bildlich vor. Die meisten MTA´s sind nett und kompetent, haben aber nicht viel Zeit für ein beruhigendes Gespräch oder wenigstens einen einfühlsamen Satz. Naja, viel reden will ich aber eigentlich auch nicht. Ich möchte nur da durch!

Das Schlimmste sind eigentlich die Wartezimmer, bzw. die Warterei. Also, Wartezimmer sind es ja sowieso schon mal nicht, sondern eigentlich nur Stühle auf dem Flur. Es zieht, ist kalt, hektisch laufen Leute mit den sprichwörtlichen “wehenden Kitteln” vorbei und die Stühle sind eine Zumutung für Jeden! Kalt, hart, unbequem und orthopädisch eine Katastrophe (von Design ganz abgesehen, was aber ja auch eigentlich keine Rolle spielt).

Und wieso “Wartezimmer”? Ich will nicht warten! Ich verbringe sowieso schon viel Lebenszeit bei Ärzten. Und ich habe doch einen Termin! Worauf warte ich also? Gut – es kann Verschiebungen geben, ein Notfall kommt dazwischen – sehe ich alles ein. Aber aus für mich nicht erkennbaren Gründen dauert es unnötig lange, bis ich endlich zur nächsten Station in meinem ganz persönlichen Staffellauf “darf”. Ach ja, absolut kontraproduktiv sind auch “Wartezimmer-Gespräche”. Ich finde die gehören verboten. Erstaunlich, was Menschen/Patienten für ein unfassbares Halbwissen an medizinischen Kenntnissen haben! Und gerne auch Narben, Verbände oder Wunden zeigen – Jedem! Ob man sie sehen will oder nicht! Natürlich reichlich garniert mit der entsprechenden Krankengeschichte und katastrophalen Unsachlichkeiten und verworrener Kenntnis von medizinischen Zusammenhängen. Ich will das nicht hören! Ich versuche gerade meine eigene Stabilität zu behalten und habe keine Kraft, interessiert und mitfühlend zu sein. Nicht jetzt, nicht an so einem Tag. Sonst gerne. Auch die Umstrukturierungsmaßnahmen und Verbesserungsvorschläge zu einer vernünftigen Organisation und Verkürzung von Wartezeiten von wohlmeinenden Patienten interessieren mich nicht, obwohl ich auch einiges beizutragen hätte….

Das Gespräch mit der Radiologin ist ok. Sie ist sachlich und formuliert einfühlsam. Ich habe das Gefühl sie spricht mit mir und nicht mit einer DRG.  Nächste Station: Labor. Hurra, die Braunüle liegt noch gut und ich muss nicht ein weiteres Mal gestochen werden. Eigentlich eine Kleinigkeit, trotzdem freut es mich. Letzte Station: Abschlussgespräch mit dem Onkologen. Diesmal gibt es ein richtiges Wartezimmer – und es ist knallvoll. Wieder Krankengeschichten. Und Lobeshymnen über den Onkologen. Ich könnte einstimmen, denn sie sind berechtigt. Aber ich halte meinen Mund, versuche meine Ohren zu verschließen und schaue aus dem Fenster. Ich bin müde. Ich laufe, bzw. sitze diesen heutigen Staffellauf seit 5 Stunden plus eine Stunde Anfahrtsweg.

Das Gespräch mit dem Onkologen ist sehr gut. Gute Nachrichten und er fragt nach meinen flankierenden Maßnahmen auf meinem Heilungsweg. Er sieht Körper und Seele und das tut gut!

Die Abschlussstation des Staffellaufs ist dann nicht etwa die Siegerehrung, sondern die Neuanmeldung…. in drei Monaten geht es wieder an den Start.