Friseur-Theater

Am Wochenende war ich beim Friseur und im Theater. Beides gleichzeitig. “StückWerk Bremen e.V” inszenierte “bash – stücke der letzten tage” von Neil LaBute in einer mir sehr vertrauten Lokation. “Mex Coiffeur”, so heißt das Friseurgeschäft unseres Freundes Andreas in Bremen. Ich bin dort in regelmäßigen Abständen – natürlich zum Haare schneiden. Das Ladenlokal wurde an diesem Abend zur Bühne.

Es waren etwa 60 Zuschauer da und einer der Protagonisten, Christian Bergmann, hielt zu Beginn, untypisch für eine Theateraufführung, eine kleine Begrüßungsansprache. Er verkündete, dass er und seine Truppe sehr gespannt wären, da die “natürliche Grenze” zwischen Bühne und Zuschauern aufgehoben sei.

In der Tat war der Kontakt sehr “dicht”, denn ich konnte den Schauspielern direkt in die Augen sehen. Sie saßen auf Stühlen, auf denen ich auch schon gesessen habe, und sie stellten Menschen dar, die man durchaus mal auf dem Friseurstuhl neben sich haben könnte… Durch die Intenstät der Geschichte, die brilliant von den Protagonisten dargeboten wurde, war das Stück sehr verstörend und ich denke, dass sich der Magie des Stückes keiner der Zuschauer entziehen konnte.

In dem Stück von Neil LaBute geht es um drei Menschen, die eher “zufällig und mit einem eher dürftigen Motiv”, so schreibt die FAZ über das Stück, einen Mord begehen.

Die drei Schauspieler von StückWerk (Frank Auerbach, Christian Bergmann und Kathrin Steinweg) spielten, bzw. waren für die Zeit der Aufführung diese ganz normalen, nicht unbedingt auf den ersten Blick sympathischen, aber doch authentischen Figuren. Die unmittelbare Nähe zur “Bühne”, in die das Publikum ja mehr oder weniger integriert war, ließ jede noch so kleine Regung im Gesicht und in den Augen der Darsteller sichtbar werden.

Im Anschluss gab es noch einen kleinen Sektempfang, in dem ich kurz die Gelegenheit hatte mit Frank Auerbach zu sprechen um ihn fragen zu können, wie man denn in so eine Rolle hinein – und wichtiger noch – auch wieder heraus kommt. Und ob man die Rolle “träumt”…

“Ja,” bestätigte er. “Wir träumen davon und das sind meistens nicht so gute Träume. Aber in dem wir uns das zumuten, schöpfen wir Kraft, diese Geschichten auch dem Publikum zu zumuten.” Der Ausstieg aus den Geschichten sei nicht ohne, aber Gespräche mit dem Publikum nach der Vorstellung würden helfen.

Bei der Rollen-Findung müssten sie (die Schauspieler) soweit gehen, dass sie nicht mehr sagen, wir “spielen” jetzt diese Figur, sondern wir SIND die Figur. Damit muss man die Geschichte sehr an sich herankommen lassen und das bleibt nicht spurlos. In der Probenzeit haben sie sich sehr mit sich und ihrem Leben beschäftigt, um hinter die Geschichte zu kommen.

Diese Aussagen habe ich sofort geglaubt, denn in ihrem Spiel konnte ich sehen: Sie WAREN die Figuren, und genau das machte das Stück so erschreckend real und nah.

Eine großartige Vorstellung, die mir einen Einblick in die Abgründe von menschlichen Seelen erlaubte, der sowohl verstörend als auch begeisternd war! Hoffentlich gibt es eine Wiederholung!