Feigenblatt

Wenn man sich ein silbernes Auto bestellt hat, sieht man dauernd silberne Autos… oder pinkfarbene Schuhe, wenn man besonders froh darüber ist, mal etwas zu haben was niemand Anderes hat. Mir “laufen” im Moment dauernd Feigenbäume/-blätter über den Weg. Im Urlaub und gestern im Garten von Freunden. Ich war überrascht, denn bisher hatte ich – glaube ich, bewusst noch keine Feigenbäume gesehen.

Bisher kannte ich Feigenbätter nur an dem wunderbaren David von Michelangelo (Kopie) – dort befindet sich ein “riesiges” Blatt an markanter Stelle und wurde, wie auch einige systematischen Übermalungen in der Sixtinische Kapelle von Danielle da Volterra (ein Schüler von Michelangelo) auf Geheiß der katholischen Kirche angebracht, um “notdürftig einen unschicklichen Sachverhalt” zu überdecken (weiß Wikipedia).

Symbolisch wird ein Herz von Feigenblättern abgeleitet und man weist Feigen eine besondere Heilkraft bei Nerven- und Knochenleiden, einen hohen Energiegehalt und eine positive Wirkung auf Leber, Galle und Entzündungen im Mundbereich zu.

Die Milch, die austritt, wenn man ein Blatt vom Feigenbaum abreißt, soll Warzen verschwinden lassen und Narben verschönern. Aha! Das wäre doch eine echte Marktlücke für die Kosmetik-Industrie!

Oder man hört es mal als Metapher: “… jemanden oder etwas ein Feigenblatt umhängen”, woraus “der Deckmantel (des Schweigens) umhängen” oder “kein (Feigen-)Blatt vor den Mund nehmen” abgeleitet wurde, um etwas zu verdecken oder zu verbergen.

Vielleicht registriere ich dieses symbolhafte Blatt auch deshalb, weil mir in der kürzeren Vergangenheit mehrfach aufgefallen ist, was man alles nicht sagt, anspricht oder zeigt. Warum? Weil es peinlich ist? Weil wir Angst haben, uns “eine Blöße” zu geben?

Mir ist das oft begegnet… ich wurde nicht darauf angesprochen, dass ich krank war oder auf meine vielen Narben, die nach den OP’s immer noch gut sichtbar sind. Wie gerne würde ich ein Feigenblatt darüber legen um sie zu verbergen. Nur – was würde das ändern?   Die Narben, der “unschickliche Sachverhalt”, wären ja trotzdem noch da. Zwar nicht für jederman sichtbar, aber doch existent.

Ich habe mich entschlossen zu versuchen, mein persönliches Feigenblatt ab zu legen und zu meinen Narben zu stehen. Natürlich sind sie nicht schön, aber sie sind ein Teil von mir und gehören zu meinem (pinkfarbenen) Leben dazu.