Eisbach-Surfer

Neulich in München…. wollte ich unbedingt einen Tag im “Englischen Garten” verbringen. Es war gefühlt fast einhundert Jahre her, dass ich das letzte Mal dort war. Ob sich etwas verändert hat? Nein, ich finde es noch genau so “hip” dort wie früher… Ich liebe, liebe, liebe es dort zu sein.

Der erste Weg führte mich und Ralf natürlich zum chinesischen Turm (nach dem extrem schnellen auffinden eines Prkplatzes, was definitiv auch “hip” ist und das mitten in Schwabing!). Da es erst früher Mittag war, war noch relativ wenig los und wir tranken unser erstes Radler (nach 12 Uhr!) unter dem weiß-blauen Münchener Himmel. Es schmeckte herrlich!

Gemültlich bummelten wir durch die Grünanlagen und ignorierten geflissentlich die wenigen “Nackerten”. An den extrem nervigen kanadischen Gänsen konnten wir mit unserem Hund Rala nicht so unauffällig vorbeigehen, denn Rala veranstaltete ein riesen Theater und kläffte sowohl die Gänse als auch die “Nackerten” um das bisschen Verstand…

Vom Eisbach und den Surfern hatte ich eine Reportage gesehen und wollte unbedingt das ganze live erleben. Da Surf-Fotos auch ein extrem gutes Motiv für meinen fotografierenden Ehemann sind, war das unser nächstes Ziel.

Schon von weitem sah man eine kleine Versammlung am Rand des Baches stehen und die Brücke dahinter war auch voller Menschen. Trotzdem konnten wir uns einen guten Platz sichern, den wir mehr als 1,5 Stunden blockierten. Es war schier unglaublich mit welcher Begeisterung sich die Surfer ins Wasser stürzten und sehr lange und professionell die “perfekte Welle”  ritten und auch noch Sprünge, Drehungen und Kapriolen machten.

Natürlich waren alle obercool und hip und gewohnt, dass sie intensiv beobachtet wurden. Knapp die Hälfte waren Mädchen und Frauen, die zum Teil besser als die coolen Jungs waren. Auch ein älterer, schon leicht übergewichtiger, grauhaariger Surfer war dabei, aber ebenfalls ein Könner, denn er blieb lange oben.

Ich sah die ganze Zeit fasziniert zu und Ralf machte gefühlt eine Million Fotos. Es war aber auch wirklich spektakulär. Und es gab einfach durchgängig “die perfekte Welle”, weil der Eisbach entsprechen gestaut ist. Dahinter wird der Bach schnell ruhiger und die Surfer können sich etwas treiben lassen und dann ans Ufer klettern. Allerdings passiert auch relativ häufig etwas und es gab schon mehrere Todesfälle.

Da ich selber überhaupt keine Erfahrung mit surfen habe, kann ich nur mutmaßen, dass es eine besonder Faszination sein muss die Welle zu beherrschen, sich einer relativ großen Gefahr aus zu setzen und teures Equitment zu benötigen. Und es scheint nicht wenig anstrengend zu sein, weil fast Alle extrem durchtrainiert waren.

Wenn ich ehrlich bin, überlegte ich kurz, mal einen Anfängerkurs bei nächster Gelegenheit zu buchen, freute mich aber sofort, dass die Wahrscheinlichkeit das tatsächlich umsetzen zu müssen relativ gering ist. Denn ich bin nicht so oft auf Hawaii…. Und da sind ja bekanntlich die “perfektesten Wellen”….

Hildegard von Bingen

Sich mit mächtigen Männern anzulegen erfordert viel Mut, Selbstbewusstsein und Gottvertrauen. Das gilt heute, aber besonders um 1150 n C., als die Stellung und Wertschätzung von Frauen noch eine ganz Andere war. Dennoch scheute sich eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit nicht, genau das zu tun. Sie stritt mit hohen geistlichen Amtsträgern bzw.  Erzbischöfen.  Hildegard prägte ein neues Frauenbild in der Kirche. Sie selbst, eine benediktinische Nonne und spätere Äbtissin hatte viele Fähigkeiten, nicht nur Führungsqualitäten sondern auch Forschergeist. Sie gilt bis heute als Universalgelehrte, eine Bezeichnung, die man nur wenigen Menschen zudenkt, u.a. auch Leonardo da Vinci.

Bekannt ist Hildegard von Bingen heute besonders wegen ihrer biologischen, pharmazeutischen und medizinischen Erkenntnisse. Die  Kloster- und Hildegard-Medizin boomt seit einigen Jahren. Durch ihre naturkundlichen Erkenntnisse über die Heilwirkung von Pflanzen und Kräutern wird sie heute teilweise auch als erste deutsche Ärztin bezeichnet.

Was veranlasste diese Frau sich gegen die Mächtigen durchzusetzen und den Kranken zu helfen? Sicher war es zu einem großen Teil ihrer christlichen Nächstenliebe geschuldet. Sie sah wohl ihren göttlichen Auftrag darin. Auch heute noch gibt es viele Menschen, insbesondere nach wie vor Frauen, die ihre “Berufung” im Helfen und Heilen sehen.

Warum bin ich als Krankenschwester angetreten? Auch ich wollte helfen, etwas Gutes tun, mit Menschen arbeiten und für die Hilfebedürftigen da sein. Ich machte meine Ausbildung Mitte der 80ziger Jahre in einem kirchlichen Krankenhaus. Wir Schülerinnen hatten damals noch Zeit um für die Privatstationen Servietten zu falten und eine Zweitausbildung in Floristik zu absolvieren. Ich lernte, dass man Rosen in kalten Wasser baden muss, damit sie länger halten, aber auch, dass ein kleiner Schuss Desinfektionsmittel im Wasser mich von der lästigen Pflicht der Blumenpflege am nächsten Tag befreite. Das war damals meine Art mich gegen eine “mächtige” Stationsschwester durchzusetzen.

Ich lernte aber auch, besonders von den Ordensschwestern, wie man Patienten versorgt, sich ihnen zuwendet – ihnen begegnet, in Angst, Schmerz und Not. Vielleicht haben Frauen dafür tatsächlich eine besondere Wahrnehmung, vielleicht ist es aber auch der Tradition geschuldet, dass es überwiegend Krankenschwestern gibt, obwohl die Zahl der männlichen Auszubildenden erfreulicherweise jährlich steigt.

Was sich auch verändert hat, ist die Zeit, die man für die Patienten hat. Falldichte, DRG’s, Verweildauer, Drehtürefekt, blutige Entlassungen – all das sind beherrschende Vokabel im Alltag des Krankenpflegepersonals. Da ist schon lange keine Zeit mehr für Blumenpflege, aber leider auch oft nicht für Gespräche oder einfach mal zuhören und da sein. Das stört uns Krankenschwestern selbst am allermeisten. Denn dafür sind wir doch ursprünglich einmal angetreten -  als Universalgenies in Sachen Helfen. (Berufs-)politisch muss sich Vieles ändern. Doch das können wir nur selber, denn sonst bestimmen Andere für uns. Auch wir sind, wie Hildegard von Bingen, aufgerufen uns gegen die Mächtigen durchzusetzen und unsere Anwaltschaft für die Nöte der Patienten wahrzunehmen, um ihnen das zu gewähren, was Begegnung ausmacht: Würde, Zeit und Achtung.

(Foto: Abtei St. Hildegard in Eibingen., von Ralf Kohröde)