Der Kühlschrank

… ist in meiner Familie ein sehr wichtiges Möbel. Meiner Ansicht nach, ist viel zu viel darin. Und hier gehen die Meinungen gravierend auseinander. Aber nicht nur die Quantität ist ein Diskussionspunkt, sondern auch die Qualität. Denn natürlich ist der “richtige” Joghurt nicht darin. Oder es liegen Lebensmittel darin, die nicht dort hin gehören. Oder eben doch! Ich finde z.B. schlabberige, matschige Gummibären schrecklich. Darum lege ich alle “Gummifletsch” in den Kühlschrank, damit sie bissfest sind. Und natürlich Schokolade und Pralinen. Aber wie gesagt – darüber kann man kontrovers diskutieren.

Kürzlich erzählte ein Kollege, als wir über Kommunikation im allgemeinen und im Speziellen sprachen, folgende Begebenheit (ein Kühlschrank spielt hier die eigentliche Hauptrolle):

Er kam nach einem turbolenten Arbeitstag nach Hause. Seine Frau, ebenfalls voll berufstätig, war unmittelbar vor ihm eingetroffen. Wie in vielen Familien auch hier – der erste Gang geht zum Kühlschrank. Besagter Kollege öffnete die Kühlschranktür und sagt: “Der Kühlschrank ist leer.”

Als der Kollege die Geschichte bis hier her erzählte, habe ich hörbar nach Luft geschnappt. Der Kollege grinste und sagte: “Aha, Du auch!” Er berichtetet weiter, das es, nach diesem Satz eine “länger anhaltende Grundsatzdiskussion” mit seiner Frau gegeben hätte….

Ich kann das absolut nachvollziehen, denn ich wäre nach so einer Ansage auch explodiert. Ich nehme an, vielen ginge es genau so, denn oftmals zieht man sich eben “Schuhe an, die einem nicht passen”. Ich hätte, so wie die Frau des Arbeitskollegen, sofort interpretiert, dass ICH nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Kühlschrank ausreichend befüllt ist.

Und genau darin liegt des Pudels Kern: Interpretation! Denn tatsächlich hat er ja wirklich nur “festgestellt” : Der Kühlschrank ist leer. Seine Frau (1 Mio. andere Frauen, mich eingeschlossen, ebenso) interpretierte diesen Satz…

Fazit: Ich könnte jetzt Loriot zitieren: “Männer und Frauen passen einfach nicht zu einander.” Tue ich aber nicht, weil es nicht stimmt!

Also nochmal: Fazit: Lasst uns alle Kühlschränke dieser Welt abschaffen, denn sie sind nicht “friedensstiftend”!

Die Kraft der Worte

“Wie sprechen Menschen mit Menschen?” fagte der Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890 -1935) und beantwortete seine Frage gleich selbst: ” aneinander vorbei”.

Eigene Erfahrung: Nach einer meiner OP’s soll ich zur Weiterbehandlung in eine andere Abteilung verlegt werden.  Die Chefarzt-Visite “rauschte” ins Zimmer, ich werde mit einem kurzen Nicken bedacht. Dann rasselt der Stationsarzt den Verlauf herunter und berichtet zum Abschluss, dass die Verlegung am morgigen Tag in die Wege geleitet ist. Der Chefarzt tätschelt meinen Fuß und sagt, schon halb im Gehen: “Na, dann ist ja alles wunderbar!”

Ein klassisches Beispiel von “Knapp daneben ist auch vorbei”. Natürlich meinte der Chefarzt es wohlwollend. Wahrscheinlich wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass der weitere Behandlungspfad gut organisiert sei – was ja eigentlich eine vertrauensbildende Maßnahme ist. Die Wortwahl war allerdings völlig unangemessen, denn natürlich war wirklich gar nichts “wunderbar”.

Jeder von uns weiß, welche Kraft und Macht Worte haben. Sie können verletzen, trösten, unterstützen, wehtun oder uns zum Lachen bringen. Im Krankenhaus, in der Altenpflege und auch in der ambulanten Versorgung ist Sprache und Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil der Patientenversorgung. Aber auch besorgte Angehörige, andere Berufsgruppen und die Kolleginnen aus der Funktionsabteilung wollen und brauchen Informationen.

Kommunikation läuft nicht nur über Worte. Unsere Gestik und Mimik strafen oft dem gesprochenen Wort Lügen. Und Menschen, die verängstigt und unsicher sind, haben ein besonders feines Gespür, ob die Nachricht, bzw. das Gespräch authentisch ist. Auch nicht ausgesprochene Botschaften werden von Patienten interpretiert und fehlgedeutet. Oder sie hören “zwischen den Zeilen”. Und selten werden diese Interpretationen nochmals erfragt oder geklärt. Sie blockieren und lähmen den Patienten und das kann sich auch negativ auf den Heilungsverlauf auswirken. Vertrauen geht verloren.

Natürlich gibt es auch positive nonverbale Signale, die tröstlich, unterstüzend und stärkend wirken.

Eigene Erfahrung: Ich warte seit zweieinhalb Stunden im Wartezimmer. Als eine weitere Patientin aufgerufen wird, gehe ich zum Info-Tresen und frage höflich nach, wann ich dran bin. Die Kollegin bellt mich an: “Es dauert so lange wie es dauert!” In diesem Moment kommt eine andere Schwester vorbei, die die Augen in Richtung der Schwester am Info-Tresen verdreht und mir dann verschwörerisch zuzwinkert.

Ich empfinde das Zwinkern als Signal: Ich sehe dich, und du bist nicht alleine. Die Schwester hatte sich, womöglich unbewusst, mit mir solidarisiert. Ich wusste, ich hatte eine Verbündete und das machte mir die Wartezeit erträglicher.

Kommunikation ist nicht immer nur reden. Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway sagte einmal: “Mann braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen und fünfzig, um schweigen zu lernen.” Pflegekräfte empfinden Schweigen häufig als schwer auszuhalten, als unangenehm oder sogar als bedrohlich. Doch manchmal gibt es einfach nichts zu sagen. Für das “Aussprechen” haben wir hingegen viel Verständnis. Ganze Berufsgruppen leben davon. Wenn ein Patient bewusst nicht reden will und wir ihm trotzdem ein Gespräch aufdrängen, üben wir Macht aus. Schweigen hat nichts mit Sprachlosigkeit zu tun. Es gibt einen Kommunikationsweg durch das Schweigen hindurch, indem wir das Schweigen einfach aushalten. Denn Schweigen kann heilsam für die gesundende Seele sein, und trotzdem vermitteln Pflegekräfte durch ihr “Da-Sein” und das Aushalten des Schweigens eine Solidarität mit dem Patienten, an die er sich halten kann.

(Der vollständige Artikel ist in “Die Schwester Der Pfleger” März 2014, S. 222 – 225, Bibliomed Verlag Melsungen, erschienen.)