Geschichten

Geschichten lauern überall…. Ich finde das sehr spannend, weil ich die Wahl habe, ob ich sie erdenken und erzählen will oder nicht. Meiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und Bekanntes und Unbekanntes kann ich nach meinem Geschmack vermischen.

Bei einer Wanderung in Franken entdeckte ich den kleinen Eingang mit einem verwittertem Symbol darüber und ein Grabkreuz (?)….

Sofort hatte ich eine Geschichte im Kopf…..

Vor langer, langer Zeit lebte eine arme Bauerstochter bei ihrem bösen alten Onkel, denn ihre Eltern waren seit vielen Jahren tot. Sie musste schwer für ihn und seine noch bösere Frau arbeiten, das Vieh versorgen und Haus und Hof in Ordnung halten. Immer stand sie noch vor Tagesanbruch auf und ging als letzte in ihre kleine Kammer. Eines frühen morgens, als die Sonne gerade hinter den Hügeln des Frankenlandes aufging, sah sie in den Nebeln, der sich langsam über die Wiesen hob, ein kleines Männlein, dass ihren Namen rief: „Marga, hilf mir, mein Bein steckt in einem Erdloch fest…!“

Sogleich half Marga dem kleinen Männlein und zog sein Bein vorsichtig aus dem Loch. Eine blutende Wunde verband sie mit einem Stück Stoff, dass sie von ihrem Kleid abgerissen hatte. „Danke mein Kind. Bitte bring mich heim.“ Marga führte das Männlein vorsichtig zu dem kleinen gemauerten Eingang. Oberhalb war ein weißes Wappen angebracht. Marga fragte das Männlein, was das Wappen bedeuten würde.  Er lächelte und verwies auf das steinerne Kreuz direkt daneben. „Es ist das königliche Wappen meiner geliebten Frau, die dort am Eingang begraben liegt. Sie starb sehr jung vor vielen Jahren im Kindbett. Mein Sohn und ich leben dort unten nun schon sehr lange alleine. Komm mit mir, ich werde dich für Deine Hilfe reich belohnen.“ Marga zögerte, denn sie war ohnehin schon sehr verspätet. Sie würde sicher von ihrem Onkel gescholten werden. „Nein, das ist nicht nötig. Ich habe gern geholfen. Ich muss zurück nach Hause. Meine Onkel wartet und ich habe noch viel Arbeit zu verrichten.“ „Ich danke dir, Marga. Dann nimm wenigstens diesen Wunschstein von mir. Wann immer du meine Hilfe brauchst, reibe mit dem Stoff, aus dem du meinen Verband gemacht hast darüber. Dann werde ich kommen und dir helfen, wann immer du mich brauchst…“

Lautes Fahrradgeklingel reißt mich aus meiner Geschichte… ich bin  einfach weitergelaufen und war ganz von Marga, dem Männlein und seiner traurigen Geschichte gefangen als mich der Fahradfahrer überholt, sehe ich ein kleines altes Männlein darauf, der mir verschmitzt zulächelt…. genau so hatte ich mir mein verletzes Männlein vorgestellt…

Fazit: Geschichten sind überall und manchmal kann man sie kaum von der Realität unterscheiden…

Zahnarztbesuch

Die halbjährliche Kontrolle der Zähne und Prophylaxe ist fällig. Entschlossen, aber nicht begeistert melde ich mich an. Schließlich verbringe ich schon genügend Zeit in Wartezimmern und bei Ärzten. Aber was muss, das muss.

Ich bekomme kurzfristig einen Termin (braucht mein Zahnarzt etwa schon wieder einen neuen Porsche?) und kann im Wartezimmer nicht mal die aktuelle Gala lesen, um auf dem aktuellen Stand der Intrigen, Seitensprünge und Schwangerschaften der europäischen Königshäuser zu sein, und werde in den bequemen, aber ungeliebten Stuhl gebeten.

Eine junge, adrette Zahnarzthelferin (oder heißt das heute anders?) wirft schon mal einen abschätzenden Blick auf meine Kauleisten und lobt mich, weil es nur ganz wenig Zahnstein zu entfernen gibt. Puhhh – Glück gehabt. Sie ist sehr vorsichtig. Ich merke eigentlich gar nichts, nur das Geräusch verursacht mir eine Gänsehaut. Fast, als wenn Kreide über eine Tafel schrabt (ja, ich weiß! es gibt keine Tafeln mehr, sondern nur noch whiteboards mit Internetzugang).

Mein eigentlicher Zahnarzt scheint eine Probefahrt mit dem neuen Porsche zu machen, denn den jungen Mann, der  dann den Raum betritt, kenne ich nicht. Er stellt sich mit einem arabisch klingenden Namen vor und ich blicke in sanfte, riesengroße Kulleraugen, die unter dunklen Locken fast nicht zu sehen sind. Ach du Schreck, der ist ja höchstens 13, denke ich, erinnere mich aber, dass er vor dem, von mir schon vergessenen Namen, einen “Doktor” gesetzt hat. Na gut, dann ist er eben 23… also etwa so alt wie mein Sohn. Egal – ich hoffe, er weiß was er tut und bin einigermaßen beruhigt, da ich ja nur zum Nachschauen gekommen bin.

Prompt fragt er mich, ob ich Probleme habe. Ich muss grinsen und sage: “Ja, aber die stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zähnen.” Er ist sichtlich irritiert, zieht eine Augenbraue hoch und fragt “Jjaaaa?” In drei Sätzen erzähle ich meine Krankengeschichte. Er wird blass und fängt an zu stottern, das er:” ….ähhh. alles Gute….äääh gute Besserung…. naja dann wollen wir mal…. äh….”

Brav öffne ich den Mund und winde mich innerlich vor schlechtem Gewissen. Wie konnte ich nur!? Der arme Junge! Dem habe ich den Tag jetzt schön verdorben! Er spricht nur das Nötigste und vermeidet direkten Blickkontakt. Ich habe vollstes Verständnis und er tut mir leid. Wie erwartet ist alles ok und er verabschiedet sich freundlich, aber schnell. Die ebenfalls blasse Assistentin nimmt mir das “Lätzchen” ab und bittet mich, den nächsten Termin vorne an der Info auszumachen. Dann ist auch sie verschwunden, und zurück bleibt die sich schämende, reumütige ”Aussätzige”, die sich fest vornimmt etwas sensibler und feinfühliger mit der Weitergabe ihrer Geschichte umzugehen. Schließlich will ich ja niemanden wehtun… auch keinem Zahnarzt.