Badesalz

Manchmal hat man das Gefühl einfach mal abzutauchen zu müssen. Manchmal sieht man Dinge jeden Tag, und sieht sie dann doch nicht. Manchmal sind Dinge so “schräg”, dass man es kaum glauben kann.

Das Abtauchen bezieht sich auf ein Wannenbad –  die Dinge, die man sieht und doch nicht sieht, sind die diversen Badesalze, die schon länger in meinem Spiegelschrank liegen und “schräg” bezieht sich auf die “Glückliche Auszeit”, wie eine Badesalztüte sich nannte, mit Rotem Mohn und Hanf….. ja, klar, dass man dannach glücklich ist….

Mich veranlasste der “Titel” nach einem Lachanfall, darüber zu sinieren, was mir eine “glückliche Auszeit” verschafft. Ich war über Sylvester im Urlaub und kann behaupten, dass das eine sehr entspannte Auszeit für mich war (mit und ohne Wannenbad).

Aber bedarf es wirklich immer eines Urlaubs (oder einer Badesalztüte) um eine glückliche Auszeit zu bekommen? Kann ich nicht jeden Tag ein paar Momente Auszeit generieren? Wie bei einer DVD, wenn ich auf die Pausentaste drücke?

Zu Beginn eines neuen Jahres habe ich immer das Bedürfniss aufzuräumen, Ordnung zu schaffen, Altes abzuheften, um mit neuem Schwung und voller Energie Dinge anzugehen, die ich im alten Jahr versäumt habe. Wenn ich zurück blicke, war es für mich ein sehr gutes Jahr und wenn ich nach vorne blicke, hoffe ich auf ein weiteres gutes Jahr.

Mit den guten Vorsätzen ist das ja immer so eine Sache – man setzt sich selber damit ja auch in bisschen unter Druck… Und wie ist es dann mit der “glücklichen Auszeit”? Vielleicht ist es ein guter Vorsatz sich (Zeit)Räume für eine tägliche Auszeit zu gönnen. Mal für einen Lidschlag lang aussteigen, innehalten und einfach nur den Moment genießen.

Was eine “glückliche Auszeit” für jeden Einzelnen ist, liegt im Auge des Betrachters. Für mich sind es oft Momente der Stille, manchmal Begegnungen mit anderen Menschen, ein gselliger Abend mit Freunden, oder manchmal auch ein Sonnenstrahl, der mich zwingt mit den Augen zu blinzeln. Wichtig ist es wohl, ihn einfach zu finden – diesen glücklichen Moment.

Einfacher gesagt, als getan. Aber ich bin sicher, sie ist da, diese “glückliche Auszeit”- und ich weiß auch, dass mir das Badesalz nicht unbedingt dabei helfen wird.

Kloster-Begegnung

Mit fast einer Sunde Verspätung (Stau auf der A1) kam ich im Kloster an. Ich hatte großzügig Zeit eingeplant, da ich gerne “in Ruhe ankommen” wollte. Es blieben mir noch fast zwei Stunden bis zur “Vesper”, dem benediktinischen Antiphongesang der Psalmen vor dem Abendbrot.

Im Empfang wurde ich von dem “zivilen” Herrn mit Namen begrüßt. “Sie sehen mich beeindruckt,” freute ich mich. Er lachte und sagte: “Ja, manche Gäste bleiben mir in Erinnerung. “Ich verbuchte das als Kompliment und ging bester Laune auf mein Zimmer.

Die Zimmer sind hell, modern, zweckmäßig und von einer Schlichtheit, die man in einem Kloster erwartet. Ich “sortierte” mich, holte mir einen Tee und ging nach der sehr stimmungsvollen Vesper zum Abendessen. Es gibt dort am Ankunftstag immer ein reichhaltiges, liebevoll zubereitetes Abendbrot mit einem Auflaufgericht. So auch an diesem Tag. Unsere Gruppe saß im großen Speisesaal, wo noch für zwei andere Gruppen eingedeckt war. Das verwunderte mich etwas, da mein Kurs im Schweigen stattfinden sollte und man dann eigentlich in einem abgetrennten Raum isst.

Die anderen Gruppen waren deutlich größer als unsere und entsprechend laut war das “Geschnatter”.  Direkt neben mir saß die Kursleiterin und begrüßte jeden Neuankömmling mit Handschlag. Mir direkt gegenüber saß eine sympathische, etwa gleichalte Frau, die sich später als Gleisbau-Ingenieurin zu erkennen gab. Direkt neben ihr saß eine hagere Frau Ende 50, die unentwegt auf die Kursleiterin einredete. Nein, nicht einredete – dozierte! Lehrerin – dachte ich und ich sollte recht behalten! Ich muss etwas entnervt geschaut haben, denn mein Gegenüber grinste und verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Auch ich sprach nicht – schweigen war ja eigentlich angesagt.

Das erwies sich als Irrtum, denn eigentlich wurde nicht geschwiegen (außer beim Essen, wie wir später vereinbarten). In dem Seminar wurde viel gesprochen, von der Leiterin, aber auch wir Teilnehmerinnen (insgesamt 6 Frauen) mussten etwas sagen. Und wenn sich irgend eine Gelegenheit ergab, wusste besagte Lehrerin ebenfalls etwas zu Thema beizutragen! Offensichtlich hatte sie etwas zu verarbeiteten und schüttete noch in der Eröffnungsrunde ihr Herz aus.

Ich fand das sehr mutig, aber es dominierte etwas den Kurs. Egal – Hauptsache ihr ging es danach besser!

In der Mittagspause machte ich einen kleinen Spaziergang (zu dem Labyrinth, von dem ich schon erzählt habe). Auf dem Weg ins Haus sprach mich eine Frau an, die zu einer anderen Gruppe gehörte, die mir aber irgendwie schon aufgefallen war, und fragte mich ob ich Corinna heißen würde. Wir seien uns auf einem Seminar vor einigen Jahren begegnet. Ich hatte sie nicht sofort “auf dem Schirm”, aber dann sagte sie ein Paar Stichpunkte und es fiel mir wieder ein, dass wir uns auf einem Seminar in sehr kleiner Runde (3 Teilnehmer) kennengelernt hatten. Tatsächlich hatten wir einige sehr intensive Gespräche. Auch jetzt ging unser Gespräch schnell in die Tiefe. Ungewöhnlich, aber vielleicht war es die besondere Umgebung, oder einfach ein Geschenk.

Wenn ich ein Kloster-Wochenende mache, hoffe ich auf “Begegnung”. Mit mir selber, mit meinen inneren Störenfrieden, mit den Dingen, die ich bearbeiten möchte und bestenfalls auf eine Begegnung mit Gott. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Gott öfter treffe, aber eigentlich nie so, wie ich es mir vorgestellt habe. Keine Stimme, keine Erscheinung, keine Zeichen – aber sehr oft durch eine Begegnung mit anderen Menschen.

Bistrogespräch

Im Moment höre ich offensichtlich immer Gespräche mit, die in meiner unmittelbaren Nähe geführt werden, an denen ich aber nicht unmittelbar beteiligt bin. Das könnte daran liegen, dass ich sehr neugierig bin, oder dass ich (wie viele Krankenschwestern) sehr genau beobachte.

Wie dem auch sei…. Nach meiner Rückkehr aus Regensburg ging ich abends mit meinem Mann eine Kleinigkeit essen. Bei uns in der Stadt gibt es seit etwa zwei Jahren ein Café/Bistro, an dem auch ein Laden mit einer Bäckerei, Wurst- und Käsetheke angeschlossen ist. Betrieben wird es von der Lebenshilfe. Es arbeiten dort Menschen mit Behinderungen, sowohl im Service als auch in der Küche. Und es wurden auch für den “freien Arbeitsmarkt” Stellen geschaffen. Oberhalb des Bistros sind “betreute Wohnungen”.

Der Laden und das Bistro lief von Anfang an gut. Er ist modern eingerichtet, hell und freundlich und man kann im Sommer auch draußen sitzen. Er befindet sich direkt am Markplatz. Die Karte ist nicht sehr umfangreich, aber es gibt täglich wechselnde Menüs zu moderaten Preisen, mit frischen Zutaten aus der Region.

Die Servicekräfte sind gut geschult. Manchmal muss man die ein oder andere Bestellung wiederholen, weil es nicht gleich verstanden wird. Das macht aber nichts, denn die Servicekräfte erklären dann auch, warum es bei ihnen manchmal etwas länger dauert.

So auch am Nachbartisch. Das Paar musste wohl auch noch einmal genauer sagen, was es von der Karte haben wollte, als der junge Mann (ich schätzte ihn zwischen 25 und 30 Jahren) erklärte, dass er beim Fußball spielen einen Unfall mit einer schweren Kopfverletzung hatte, und 8 Monate im Koma lag. Er habe alles neu lernen müsse. “Lesen und schreiben und so…”. Aber vorher sei er “ganz normal gewesen”, lachte er und entschwand mit der Bestellung Richtung Küche.

Ich wäre fast mit offenem Mund vom Stuhl gefallen! Dieser junge Mann hatte mit einem unfassbaren Selbstverständniss auf sein sicher nicht einfaches Schicksal geblickt, wie der weiseste Gelehrte der westlichen Hemisphäre!  Er betrachtet sein jetziges Leben mit einer Klarheit, die mich fast neidisch werden lies und sehr berührte. Vor dem Unfall war er eben “normal” und jetzt halt “anders”. So war es nun mal. Punkt.

Unglaublich! So einfach kann man sein Schicksal in zwei Sätzen zusammenfassen und  dann  lachend seiner Wege gehen. Ich habe an diesem Abend von der Begegnung mit dem  jungen Mann mehr gelernt, als aus vielen Stunden Vorlesung in Philosophie!