Spiritual Care

“Warum lässt Gott das zu?” Diese Frage wird Pflegenden oft gestellt, etwa vom jungen Mann, der bei einem Motorrad-Unfall beide Beine verloren hat. Vom Familienvater, der am Bett seiner sterbenden Frau sitzt und von der alten Dame, die jeden zweiten Tag zur Dialyse gefahren wird. Oder wir haben es uns selbst auch schon einmal gefragt, beispielsweise angesichts der Bilder von 9/11 oder angesichts der Tsunamiopfer in Südostasien.

Diese Frage ist so alt wie das Christentum und wird im theologischen Kontext als Theodiezeefrage bezeichnet. Der Begriff stammt von dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) und setzt sich aus den griechischen Wörtern “theos” (= Gott) und “dike” (=Gerechtigkeit) zusammen. Der Kern der Frage ist letztlich, wie sich die Existenz eines liebenden, guten Gottes mit der Existenz des Übels und des Bösen vereinbaren lässt.

Die Frage nach dem “Warum” bringt uns Pflegekräfte immer wieder in Erklärungs- und Rechtfertigungsnot. Denn wir haben keinen Wissensvorsprung, sind vielleicht ebenso auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sowie nach dem, was über den Tod hinausgeht – nach dem, was bleibt, in der Hoffnung auf Unsterblichkeit der Seele. Wenn wir Menschen in Krisen geraten, ist mit unserer eigenen Orientierung auch immer, aber oft unausgesprochen, die Dimension Glaube, Religion oder Spiritualität präsent.

In existenziellen Lebenskrisen oder Notsituationen sind es die Patienten, die auf der Suche nach Halt sind. Für uns Pflegende stellen sich aber die selben Fragen, denn wir gehen jeden Tag mit dem Leid um. Es berühret uns, wenn unser Gegenüber leidet. Oft finden Pflegekräfte und natürlich auch Patienten Halt und Stärke in ihrem Glauben oder ihrer Spiritualität.

Der Begriff “Spiritualität” leitet sich vom lateinischen Wort “spiritus” ab, was Luft, Hauch, aber auch Atem, Seele, Geist oder Begeisterung, Mut oder Sinn bedeutet. Das dazugehörige Verb  lautet “spiro”  und bezeichnet nicht nur wehen, hauchen, sondern auch atmen, leben, sowie erfüllt und beseelt sein. Die Lateiner sahen Spiritualität in engem Zusammenhang mit dem Atmen.

Die biblische Tradition hat einen ähnlichen Ansatz. “Ruach”, das hebräische Wort für Geist, steht auch für Atem, Wind und Begeisterung. Die Verbindung zwischen Geistigkeit und Atem findet man in vielen Meditationsformen und in der Atemtherapie wieder.

Das Medizinsystem lässt oft keine Zeit für Begegnungen.  Spiritualität ist Begegnung – mit sich selber, mit all unseren Fragen, mit Gott. Hoffnung ist ein wichtiger Teil der Spiritualität. Damit ist nicht immer die Hoffnung auf Heilung gemeint, vielleicht aber die Hoffnung auf Unsterblichkeit der Seele.

Krankheit und Gesundheit waren immer auch religiöse Themen. Die Frage nach der Schuld oder der Strafe kommt darin vor. Die Begriffe Heil, Heilung, heilig haben den selben Wortstamm. Im Christentum ist der Zusammenhang von Glaube und Heilung besonders deutlich:  Christus der Heiland und Arzt. Die vielen Heilungsgeschichten im neuen Testament sind auch der Grund, warum der christliche Glaube als therapeutische Religion verstanden wird.

Bei den meisten Menschen mit schweren Erkrankungen wird die Frage “Woran glaube ich?” irgendwann aufbrechen. In der Medizin wird Gesundheit und Heilung thematisiert, in der Theologie Heil/Heilung und Erlösung. Spätestens in den ganzheitlichen Pflegekonzepten ist deutlich geworden, dass Leib und Seele, Körper und Geist untrennbar verbunden sind….. Also seien wir auch in der Begegnung mit anderen Menschen “begeistert”.

(Der vollständigen Artikel “Auf der Suche nach Halt” ist in der aktuellen Ausgabe “Die Schwester Der Pfleger” 12/2013  erschienen.)