Behind the Mask

Der Fotograf Marcel Gregory Stock schoss Fotos von Menschen hinter Masken und brachte einen Bildband dazu heraus. genial! Jeden Tag sehen wir Menschen mit Masken. Ein genauerer Blick ist auf jedem Fall lohnenswert!

Als ich vor ein paar Tagen in der Apotheke meines Vertrauens FFP2 Masken einkaufte, bekam ich elf weiße und eine rosa-pinke Maske. Die Apothekerin sah wohl an meinen Augen, dass ich unter meiner Maske breit grinste, denn sie fragte mich ob das in Ordnung wäre oder ich lieber nur weiße Masken wolle. Ich befand die rosa-pinke Maske für ok und bezahlte.

Dabei fiel mir ein, dass in jüngster Vergangenheit die Töchter von zwei engen Freundinnen Babys bekommen hatten und schon vor der Geburt von Beiden deutlich gemacht wurde, das “rosa und hellblau” obsolet sein. Das fand ich sehr sympathisch und hielt mich bei den Geschenken natürlich daran. Sogar als die Verkäuferin beim Einpacken nach dem Geschlecht des Babys fragte um eine entsprechende Schleife um das Päckchen zu binden, bat ich sie eine neutrale Farbe zu nutzen (es wurde ein schönes, leuchtendes orange).

Ich versuche zunehmend auf gendergerechte Sprache zu achten, auch wenn es mir noch nicht immer gelingt. Warum tue ich das? Weil Worte mächtig sind.  Ich kleide mich sehr bewusst weiblich weil ich sehr gerne eine Frau bin. D.h. aber nicht, das jede Frau das auch so tun muss. Nicht jeder achtet auf gendergerechte Sprache, aber das Bewusstsein schärft sich zunehmend, je mehr wir darüber nachdenken und reden. Das ist gut. Individualität, Freiheit und Identität darf aus meiner Sicht jeder für sich festlegen (außer er/sie schränkt genau das damit für andere Menschen ein)….

Zurück zu den Masken: egal welche Farbe…. Ich habe es mir mehr und mehr angewöhnt, den Menschen in die Augen zu schauen, wenn ich mit ihnen rede und sie dabei eine Maske tragen. Das habe ich schon früher getan, aber eher unbewusst. “In die Augen schauen” ist sowohl ein intimer Akt ( “in den Augen spiegelt sich die Seele”), kann aber auch als aggressiv wahrgenommen werden. “Wenn Blicke töten könnten”… habe ich manchmal gedacht, wenn mir meine “Erzrivalin”  auf dem Schulhof begegnete…

In meiner Familie und in meinem Freundeskreis bin ich dafür bekannt, dass ich überhaupt kein “Pokerface” habe und mir Zustimmung, Begeisterung, Ablehnung, Wut oder Verletztheit im Wortsinn “ins Gesicht” geschrieben ist. Das ärgert mich (und man sieht es mir an). Oft hätte ich mir früher Masken gewünscht, damit man mir eben nicht ansieht, was ich denke…

Ich arbeitete ein Jahr lang im OP und trug dort natürlich immer Masken. Auch auf den Intensivstationen, besonders auf der Transplantations-Intensiv, auf der ich drei Jahre arbeitete, trug ich oft Masken. Aber auch damals konnte man mir an meinen Augen ablesen, was ich von einer Situation hielt- Jetzt haben die meisten Menschen gelernt, mehr auf die Augensprache ihres Gegenübers zu achten. Egal ob wir Masken tragen (z.B. rosa) oder uns nur hinter einer Fassade/Maske verstecken… “lügen” Augen nicht, denn hinter den Masken ist ein Mensch mit Emotionen. Vielleicht sollten wir lernen auf die Sprache der Augen (hinter den Masken) zu hören.

Heimgeherei

Vor gut dreieinhalb Jahren ging die älteste Tochter einer sehr guten Freundin auf Wanderschaft. Samstag kam sie begleitet von einem Dutzend Wandergesellen (natürlich in Kohorten aufgeteilt, mit Mundschutz und unter Wahrung der Abstandregeln!) wieder heim – nach Hause…..Für die jungen Heimgeherin war es sicher eher ein “ankommen” und wohlfühlen, aber auch ein Abschied einer besonderen Zeit… Das  zeigte sich in den glücklichen Tränen als sie ihre Eltern und ihre Schwester umarmte.

“Heimgeherei”. Was für ein schönes Ritual! Was für ein schönes Gefühl! Was für ein schönes Wort!

Ich konnte kurz mit der jungen Frau sprechen. Sie sagte, dass sie sehr viel erlebt hat auf ihrer Reise quer durch Europa. Und das sie jeden Tag Tagebuch geschrieben habe. Es gäbe bereits viele Berichte, Zeitungsartikel und TV- und Radiointerview Anfragen. Um wieder in die Heimat zu gelangen, um die es während ihrer Wanderschaft eine “Bannmeile” von 50 Kilometern gab, musste sie über das Ortschild klettern .Umgekehrt war es so bei der “Losgeherei”….

Es gibt viele Rituale in den “Schächten”,  also den jeweiligen Handwerksgilden. Das zeigt sich auch in den bunten, vielfarbigen Kluften. Zimmerer, Polsterer, Konditoren, Tischler und viele mehr. Sehr beeindruckend, dass mehr als die Hälfte der Wandergesellen junge Frauen waren! Sie hatten ihre geschnürten Bündel und einen Wanderstab dabei. Schon bei der “Losgeherei” durfte ich dabei sein und jede Menge Rituale waren zu erfüllen. Unter andrem die “Umkluftung”. D.h. die normale Alltagskleidung wird abgelegt und dann für mindestens drei Jahre und einen Tag nur noch die Kluft getragen. Was ist das wohl für ein Gefühl wieder Jeans und ein Sweatshirt zu tragen…?

Das Gefühl nach Hause zu kommen ist für die allermeisten Menschen schön. Wie es sich anfühlt nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu kommen, vermissen wir zur Zeit oft, da viele von uns im Homeoffice arbeiten und eher das Gefühl haben eingesperrt zu sein. Ich empfinde das nicht so, da ich schon vor der Pandemie und den diversen Lockdowns überwiegend von zu Hause gearbeitet habe. Immer in ein kuscheliges Bett zu krabbeln, eine warme Dusche und saubere Handtücher zur Verfügung zu haben, ist auf der Wanderschaft wahrscheinlich nicht jeden Tag verfügbar. Wie wunderbar sich das alles anfühlt, erkennt man oft erst, wenn man es längere Zeit nicht hatte.

Und überhaupt: ein Zuhause zu haben ist etwas Besonderes. Ein Ort, an den man/frau zurückkehren kann, wo man sich sicher und geborgen weiß ist viel wert. Ich habe oft an die junge Frau auf Wanderschaft gedacht. Mein Ding wäre das nicht und ist es auch nie gewesen. Ich bewundere ihren Mut und ihre Entschlossenheit und “beneide” sie um die vielen kleinen und großen Abendteuer, die sie sicher erlebt hat…. Ich vermute, dass sie aber auch sehr froh ist, wieder zu hause zu sein. Ein neuer Lebensabschnitt liegt vor ihr. Sie hat Pläne. Ich bin sicher, nach den Erfahrungen, die sie gesammelt hat wird sie einige Dinge wesentlich “unaufgeregter” betrachten, als so manch Andere in ihrem jungen Alter. Sie kann auf Erfahrungen zurückgreifen, die nicht viele Menschen haben. Was für ein Schatz. Ich freue mich schon jetzt auf ihre Erzählungen…bei mir zu Hause!

Coming of age…

…bedeutet “heranwachsen, erwachsenwerden”.

Ich las kürzlich den neuen “coming of age” Roman von Benedict Wells (super!) über das Erwachsen werden eines 16jährigen Jungen. Nun bin ich selber weit entfernt von diesem Alter, was aber nicht heißen soll, dass ich mich nicht doch gelegentlich wenig erwachsen verhalte… bzw. versuche erwachsen zu werden.  Aber wer legt fest, was erwachsenes Verhalten eigentlich ist? Die Erwartungshaltung sich erwachsen zu benehmen ist jedenfalls in unserer Gesellschaft omnipräsent.

Als ich ein Kind war, dachte ich nicht über Liebe und Tod, Vergebung und Schuld, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Vergangenheit und Zukunft nach. Oder nur sehr wenig. Alles war gut so wie es war. Ich lebte mit meinen Eltern und Großeltern in einem Haus, ich war ein von allen geliebtes Einzelkind und wenn ich Sorgen hatte, dann höchstens darüber, ob ich nun Prinzessin werden würde, oder nicht.

Das änderte sich, als ich selber “coming of age” wurde. Ich wollte Krankenschwester werden und spätestens mit Eintritt in diesen Beruf waren plötzlich alle “Erwachsenen-Themen ” auch für mich präsent. Ich will nicht sagen, dass es ein Schock war, denn ich war durch meine behütete Kindheit wie mit einem “Exosuite” aus Fürsorge und Liebe geschützt aber doch durchlässig um zu lernen, wie das Leben ist.

Ich habe seither viel erlebt. Gutes wie Schlimmes. Das war erwartbar. Weil das Leben nun mal so ist. Und es geht mir dabei nicht anders als allen anderen Menschen auch. Wohlmöglich gibt es Menschen, die noch mehr erlebt haben als ich. Oder Menschen, die nicht so eine hohe Resilienz haben, wie ich. Oder es schlimmere Begleitumstände gab, z.B. keinen Rückhalt von einer liebenden Familie oder treuen Freunden.

Erwachsen werden und sein ist nicht einfach. Manchmal wünsche ich mir die Zeit zurück, als ich noch ein Kind war, keine Verantwortung zu tragen hatte  und alles so… so “leicht” war. Das ist unrealistisch. Und auch nicht ganz richtig.

Was wären wir für Persönlichkeiten, wenn wir nicht all das erlebt hätten was wir erlebt haben? Ich kann z.B. nicht verleugnen, dass ich über 30 Jahre im Krankenhaus gearbeitet habe. Ich kann immer auf die positiven Gefühle wie Vertrauen und Geborgenheit, die ich in meiner Kindheit erlebt habe zurück greifen. Meine Vergangenheit prägt mich.  Auch und gerade in Krisenzeiten. Ich musste eine “Matrix” erlernen, wie ich mit Krisen umgehe. Jeder erlernt seine eigenen Bewältigungsstrategien.

Wenn ich morgens den Situationsbericht vom RKI lese, zücke ich gedanklich meine persönlich Matrix, weil ich “erwachsen” mir dieser schwierigen Situation, die gefühlt schon viel zu lange dauert, umgehen will. Nicht immer reagiere ich erwachsen… manchmal klappe ich die Zeitung einfach wieder zu. Das ist so als würde ich mir die Decke über den Kopf ziehen, damit das “Böse” weg geht. Es bleibt aber! Es ist falsch die Augen zu zu machen, denn dann ändere ich nichts. Deshalb schlage ich die Zeitung wieder auf, lese alles und informiere mich, damit ich dann meine Konsequenzen daraus ziehe. Das ist erwachsenes Verhalten. Das hilft mit Krisen umzugehen und sie zu überstehen.

Fazit: Hoffentlich können wir uns alle bei allem guten und richtigen, vernünftigen Erwachsenwerden, etwas “Kind sein” erhalten….