Spieglein, Spieglein an der Wand…

Mein Spiegelbild und ich – innen und außen – gleich und doch anders. Spiegel kommt von dem lateinischen “speculum”, was Abbild und “specere” sehen, bedeutet.  Ein sehr symbolhafter Gegenstand. Er gilt als Zeichen der Eitelkeit, aber auch als Zeichen der Selbsterkenntnis, Klugheit und Wahrheit und findet sich in vielen Sprichworten wieder.

Damit ein Spiegel das tut was er soll, muss er zu einem gewissen Maß transparent sein,  durchsichtig für jedermann – möchte ich das? Wohl eher nicht. Sich selber sehen (und erkennen), dazu gehört Mut, denn es sind ja nicht nur positive Dinge im Spiegelbild zu sehen. Wie sagte schon Aldous Huxley: “Nichts bewahrt uns so gründlich vor Illusionen wie ein Blick in den Spiegel.”

Manchmal schaue ich in den Spiegel und sehe nicht mein Gesicht, sondern Züge meiner Eltern und auch die meines Sohnes. Jeder Mensch ist einzigartig und doch finden wir uns in anderen wieder. Äußerlich, aber auch von Charakter her. Ich weiss ganz genau welche Eigenschaften in meinen Genen stecken, welche Eigenschaften ich erlernt habe und welche ich weitergegeben habe. Das ist manchmal schmerzlich, manchmal lustig aber eigentlich auch sehr schön. Etwas weitergeben, etwas hinterlassen. Ist es nicht das, was uns “sein” lässt? Möchten wir nicht alle, dass wir in Erinnerung bleiben, entweder im kollektiven Gedächtnis des Genpools und/oder in der individuellen Erinnerung von Familie und Freunden?

Mein Spiegelbild ist vergänglich. Jeden Morgen entdecke ich mindestens ein neues Fältchen und ein paar graue Haare mehr. Ein Hinweis auf das Altern und ein Hinweis, dass ich wieder an (Lebens-)Erfahrung hinzugewonnen habe. Es stört mich nicht mehr, auch wenn die Cremetuben in meinem Spiegelschrank mehr und teurer werden. Das Gesicht im Spiegel – das bin ich und doch nicht ich. Wir haben diverse Möglichkeiten ein bisschen nachzuhelfen. Ich kann die müden Schatten unter meinen Augen abtönen, ein bisschen Rouge auflegen und schon sehe ich frischer aus. Die Augen etwas betonen und ich wirke wacher und ein bisschen Lippenstift und fertig ist die Fassade. Das ist das, was wir gerne präsentieren. Äußerlichkeiten und ein perfektes (Ab)Bild dessen, was wir gerne sein würden, aber nicht immer sind. Und es bleibt die ewige Frage: Was sehen wir eigentlich im Spiegel?

Ein kleiner  Junge überlegte mit seinem Stofftieger eine ähnlich philosophische Hypothese: “Hast du dir je die Frage gestellt, ob dein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche real und du nur eine Reflektion von ihm bist?” (Calvin, in Watterson, Bill ”Calvin und Hobbs”).

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