Per ÖPNV in eine “frohe Zukunft” (Impressionen aus Halle/Saale)

Premiere! Das erste Mal habe ich die Ehre, einen Gastautor zu begrüßen.

Manfred Horn ist ein guter Freund und engagierter “Pfadfinder” für Menschen und Teams in beruflichen Situationen. Dabei nutzt er sein Talent, Situationen und Probleme in Bildern beschreiben zu können, um Entwicklung möglich zu machen. Und manchmal schreibt er seine Gedanken auch nur für sich auf, so wie in diesem Text…

Viel Spaß beim lesen wünscht Euch

Corinna

Ich stehe in Halle an einer Straßenbahnhaltestelle und lasse das historische Stadtgemälde ringsherum auf mich wirken.

Diese Mischung aus lutheranisch-reformierter Aufbruchstimmung, graubrüchig, realexistierendem Sozialismus und dem pulsierendem, bunten Leben einer Studentenstadt nimmt mich in sich auf.

Das Rattern einer sich nähernden Straßenbahn reißt mich aus meinen Betrachtungen. Um die Kurve schiebt sie sich quietschend – auf der Front prangt in großen Lettern als Endstadion „Frohe Zukunft“.

Einen Augenblick bin ich irritiert über diese Botschaft. Die Frau an meiner Seite vermutet zielsicher irgendein Überbleibsel alter DDR-Vergangenheit an der Endstadion.
Ich bin da eher vordergründig unterwegs und genieße die Vorstellung, dass man so einfach in Richtung frohe Zukunft aufbrechen kann.

Suchen wir nicht alle nach einem Weg in eine frohe Zukunft?

Nie habe ich gedacht, dass man einfach so einsteigen kann. Schon würde es losgehen – ruckelnd und ratternd zwar – aber doch kontinuierlich und sogar nach Fahrplan.

Welche Haltestellen man wohl passiert bis zur frohen Zukunft? Würde ich ab und zu aussteigen – ein oder zwei Bahnen überspringen, um mich umzuschauen?

Welches Ticket würdest Du lösen? Einzelfahrschein, Tagesticket, Monats- oder Jahreskarte?
Hätte jemand Interesse an einem Rückfahrschein – wohin auch immer? Mir kommt der Refrain in den Sinn: „Good Girls Go To Heaven (Bad Girls Go Everywhere)”.

Ich betrachte durch die Fenster die Menschen in der Bahn und jene, die ein- und aussteigen.
Ob darunter auch Schwarzfahrer sind – also Menschen, die nicht erst auf die Berechtigung zur Fahrt in eine frohe Zukunft gewartet oder sich diese gar erworben haben?

Ob ein Schwarzfahrer die Fahrt wohl mehr genießt, weil er sich bereits eine innere Erlaubnis zum Lebensglück gegeben hat?
Oder – lebt er in der Furcht vor dem Kontrolleur?
Davor, dass einer kommt und sagt: „Sie haben keine Fahrkarte und müssen aussteigen!“.

Summend schließen sich die Türen und die Bahn fährt weiter.

Mir wird schlagartig klar, wie schnell man – versunken in seine Gedanken, in die Kleinigkeiten des Alltages – einfach vergisst, die Fahrt in eine frohe Zukunft anzutreten.

Wie gut, denke ich noch, dass wenigstens diese Straßenbahnlinie im 10-Minutentakt fährt.

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