Schach matt

Die Blume auf dem Foto zeigt eine Schachbrettblume. Ein begehrtes Fotomotiv, blüht sie doch nur zu einer bestimmten Zeit in bestimmten Regionen (meines Wissens nur hier im Norden und in Franken).

Ich habe zwei davon in ein Beet gepflanzt und die lila Variante zeigt das typische Schachbrettmuster deutlicher als die weiße Blüte. Die Blumen veranlassten mich, ein schon altes, oft gelesenes, dünnes Buch aus meinem “Klassiker-Regal” zu holen: Stefan Zweig, Schachnovelle.

Nun gehöre ich leider zu den Menschen, die kein Schach spielen können. Ich kenne die Regeln nicht. Mein Mann und mein Sohn spielten früher öfter einmal gegeneinander  ”das königliche Spiel – das Spiel der Spiele” und es fazinierte mich. Aber ich sah, wenn überhaupt, nur zu.

Ein Schachbrett besteht bekanntlich aus 64 Feldern in schwarz und weiß. Analog dazu gibt es je 16 Figuren. Dame, König, Turm, Bauern, Pferd. Das Spiel ist durch das Brett geometrisch begrenzt, aber es bietet unendliche Kombinationsmöglichkeiten an Zügen. Es ist eine Kunst zu spielen und doch eine (mathematische) Wissenschaft. Es gibt schwarz und weiß – und nichts dazwischen, außer leere Felder. Der Spieler steht auf der einen oder der anderen Seite.

In Zweigs Novelle geht es u.a. um einen Mann, der in der Isolationshaft der NS versucht, nicht seinen Verstand zu verlieren, in dem er ein Buch mit 150 Weltmeister-Schachspielen stiehlt. Erst spielt er sie mit Hilfe des karierten Bettlakens und Brotkrumen nach, später kann er in Gedanken spielen. Irgendwann konstruiert er dann neue, eigen Spiele und spielt “gedanklich gegen sich selbst”. Er ist schwarz und er ist weiß. Mich beeindruckte die Ausage der Novelle, das sich der Geist auch durch Gefängnis und Isolation nicht einsperren läst… “Die Gedanken sind frei….”.

Doch hier endet die Novelle nicht. Er verliert seinen Verstand, da er sich in einer selbstgewählten Schizophrenie befindet…. (mehr verrate ich nicht! Es lohnt sich die knapp 100 Seiten selber zu lesen). Also ist der Geist doch nicht frei? Können wir beides sein? Schwarz oder weiß? Er wechselte gedanklich für die Spielzüge auch die Seiten, denn beim Schach sitzt man sich üblicherweise gegenüber. Wie schwer fällt es mir, mich mal auf eine andere Seite zu begeben – mal eine andere Perspektive einzunehmen (siehe Blog Disney Model)… Und wie gerne behalte ich die einmal gewählte Frabe – schwarz oder weiß – bei.

Manche Dinge in meinem pinkfarbenen Leben verstehe ich nicht, manche Streits sind für mich nicht nachvollziehbar, ebensowenig wie manche Aussagen. Sie verletzen oder tun weh. Und so gehen Freundschaften verloren. Im Schachspiel werden “Kriegsvokabeln” verwendet. Es geht um “gewinnen” oder “verlieren”, um “Angriff” und “Verteidigung” es geht darum sich zu “schützen” um nicht “geschlagen” zu werden. Dabei “fallen” dann schon mal “Bauernopfer”. Bestenfalls gibt es ein “Remis” – ein “unentschieden”…

Der Protagonist in Zweigs Novelle ist allein (in seiner Haft und später in seinem Wahnsinn). Ein Spieler beim Schach ebenfalls, egal ob er gewinnt oder verliert. Und wenn eine Freundschaft zu Ende geht ist es sowieso egal, denn dann verlieren beide Spieler – schwarz und weiß – und sind  ”Schach matt”.