Angehörige

Eigentlich wollte ich über den Start meiner Lesereise in Berlin mit meinem “Pinkfarbenes Leben” erzählen. Denn das war ein besonderes Ereigniss für mich. Es sollte aber ganz anders werden, als gedacht, denn 10 Minuten bevor ich starten sollte, schaute ich noch mal auf mein Handy und sah, dass eine Nachricht auf der Mailbox war….

Ich hatte viele Perspektiven in meinem “Krankenhaus-Leben”, aber jetzt kam eine neue dazu. Die Perspektive einer besorgten Angehörigen….denn mein Mann hatte einen Autounfall und musste stationär behandelt werden.

Der vertraute Geruch nach Putz- und Desinfektionsmittel ist immer gleich, egal ob als Mitarbeiterin, Patientin oder eben als Angehörige. Aber der Fokus ändert sich. Als Mitarbieterin habe ich immer versucht, einen allgemeinen Überblick zu bekommen. Als Patientin war ich zentriert auf meine Belange, aber als Angehörige will ich einen allgemeinen Überblick, aber natürlich auch sehr detailliert die Fakten, geplanten Maßnahmen und mögliche Prognosen wissen. Und ich möchte, dass alles perfekt läuft. Den Anspruch hat wohl jeder, zumindestens in deutschen Krankenhäusern. Sind wir doch relativ gut versorgt mit Medizintechnik, medizinischem Fortschritt und eigentlich auch mit  gut ausgebildetem Personal. Dennoch ist das Pflegepersonal (gefühlt) immer unterbesetzt und ich sehe herum eilende Pflegekräfte, die gleichzeitig telefonieren, Essen austeilen, Fragen beantworten und dennoch ein freundliches Lächeln für mich als ankommende Angehörige haben. Wie machen sie das nur?

Einen Stationsarzt zu sprechen ist ganz oben auf meiner Agenda und das klappt auch sehr schnell (dank der Vermittlung der zuständigen Pflegekraft). Und auch hier erfahre ich viel Kooperationsbereitschaft, Offenheit und Empathie. Erstaunlich! Bin ich doch als ehemalige Kollegin sehr “aufdringlich” mit Fragen, Kommentaren und Vorschlägen… Aber die Geduld ist groß bei beiden Ärzten, mit denen ich spreche. Dafür bin ich dankbar und es beruhigt mich etwas.

Als ich das Patientenzimmer betrete, habe ich das Gefühl in Lambaréné zu sein. Ein Vier-Bett-Zimmer… (in dem zwar nur drei Patienten liegen) aber es ist vollgestellt mit Unterarmgehstützen, Rollstuhl, Rollator und diversen anderen Hilfsmitteln. Ich unterdrücke meinen Impuls, erst einmal aufzuräumen und reiße stattdessen das Fenster auf.

Natürlich bin ich nicht der einzige Besucher. Zum Glück kann mein Mann auf seinen eigenen Beinen das Zimmer verlassen. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach unten und gehen in die sehr schöne Krankenhauskapelle. Ein frischer Strauß mit bunten Tulpen steht auf dem Altar und eine aufgeschlagene Bibel liegt lesebereit. Wir suchen nach unserem Hochzeitspsalm (Psalm 91), zünden eine Kerze an und sind dankbar, dass uns noch Schlimmeres erspart geblieben ist und wir umgeben sind von unserer wunderbaren Familie und unglaublich hilfsbereiten Freunden.

Fazit: Pflegekräfte sind “Engel ohne Flügel”, Ärzte sind viel besser als ihr Ruf, Angehörige von Patienten können ganz schön nervig sein und Krankenhauskapellen sind Kraftquellen.