Rotenburg – Die Buchhandlung Müller an der Goethestraße ist gut gefüllt, als Inhaberin Cornelia Mansfeld die gut 30 Besucher am Freitagabend launig begrüßt. Neben ihr der geladene Gast des Abends, Michael Jaeger – Germanist und Autor vieler Bücher über die „Weimarer Klassik“ aus Berlin.
Als ausgewiesener Experte für Goethes Werke las er aus seinem neuen Buch „Faust Glück und Unglück – Das Moderne in Goethes Tragödie“.
Was sich anhört wie eine trockene philosophische Vorlesung, entpuppt sich schnell als überraschend lebendig, weitsichtig und – leider im Wortsinn – „brandaktuell“. Geht es doch in Goethes Faust, so schlüsselt Jaeger auf, nicht nur um das klassische Arkadien, sondern vielmehr um ein „konzentriertes Gegenwartserleben“ – und um die „Xenophelie“, das der Duden als „allem Fremden, allen Fremden gegenüber positiv eingestellt, aufgeschlossen“ definiert und umgangssprachlich „Gastfreundschaft“ meint. „Fremde sind zu empfangen wie Götter“ und der Appell des Humanismus beim „Schiffbruch der Existenz“ untermauert den aktuellen Zusammenhang, wie Michel Jaeger sehr kurzweilig herausarbeitet.
Damit trifft er bei den Zuhörern einen Nerv, der aufgrund der aktuellen politischen und wenig gastfreundlichen Situationen in Deutschland sehr zum Nachdenken anregt.
Die anschließende Diskussions- und Fragerunde ist dann auch entsprechend lebhaft und greift auch Goethes „alter ego“, den Wanderer, auf. Und so stellt sich zum Abschluss dieses erhellenden und hochinteressanten Abends auch die Gretchenfrage: „Wie gastfreundlich wollen wir sein?“
Weitere Veranstaltungen und Lesungen sind in Vorbereitung, kündigt Cornelia Mansfeld am Rande des Abends an.
ckw