Die Kraft der Worte

“Wie sprechen Menschen mit Menschen?” fagte der Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890 -1935) und beantwortete seine Frage gleich selbst: ” aneinander vorbei”.

Eigene Erfahrung: Nach einer meiner OP’s soll ich zur Weiterbehandlung in eine andere Abteilung verlegt werden.  Die Chefarzt-Visite “rauschte” ins Zimmer, ich werde mit einem kurzen Nicken bedacht. Dann rasselt der Stationsarzt den Verlauf herunter und berichtet zum Abschluss, dass die Verlegung am morgigen Tag in die Wege geleitet ist. Der Chefarzt tätschelt meinen Fuß und sagt, schon halb im Gehen: “Na, dann ist ja alles wunderbar!”

Ein klassisches Beispiel von “Knapp daneben ist auch vorbei”. Natürlich meinte der Chefarzt es wohlwollend. Wahrscheinlich wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass der weitere Behandlungspfad gut organisiert sei – was ja eigentlich eine vertrauensbildende Maßnahme ist. Die Wortwahl war allerdings völlig unangemessen, denn natürlich war wirklich gar nichts “wunderbar”.

Jeder von uns weiß, welche Kraft und Macht Worte haben. Sie können verletzen, trösten, unterstützen, wehtun oder uns zum Lachen bringen. Im Krankenhaus, in der Altenpflege und auch in der ambulanten Versorgung ist Sprache und Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil der Patientenversorgung. Aber auch besorgte Angehörige, andere Berufsgruppen und die Kolleginnen aus der Funktionsabteilung wollen und brauchen Informationen.

Kommunikation läuft nicht nur über Worte. Unsere Gestik und Mimik strafen oft dem gesprochenen Wort Lügen. Und Menschen, die verängstigt und unsicher sind, haben ein besonders feines Gespür, ob die Nachricht, bzw. das Gespräch authentisch ist. Auch nicht ausgesprochene Botschaften werden von Patienten interpretiert und fehlgedeutet. Oder sie hören “zwischen den Zeilen”. Und selten werden diese Interpretationen nochmals erfragt oder geklärt. Sie blockieren und lähmen den Patienten und das kann sich auch negativ auf den Heilungsverlauf auswirken. Vertrauen geht verloren.

Natürlich gibt es auch positive nonverbale Signale, die tröstlich, unterstüzend und stärkend wirken.

Eigene Erfahrung: Ich warte seit zweieinhalb Stunden im Wartezimmer. Als eine weitere Patientin aufgerufen wird, gehe ich zum Info-Tresen und frage höflich nach, wann ich dran bin. Die Kollegin bellt mich an: “Es dauert so lange wie es dauert!” In diesem Moment kommt eine andere Schwester vorbei, die die Augen in Richtung der Schwester am Info-Tresen verdreht und mir dann verschwörerisch zuzwinkert.

Ich empfinde das Zwinkern als Signal: Ich sehe dich, und du bist nicht alleine. Die Schwester hatte sich, womöglich unbewusst, mit mir solidarisiert. Ich wusste, ich hatte eine Verbündete und das machte mir die Wartezeit erträglicher.

Kommunikation ist nicht immer nur reden. Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway sagte einmal: “Mann braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen und fünfzig, um schweigen zu lernen.” Pflegekräfte empfinden Schweigen häufig als schwer auszuhalten, als unangenehm oder sogar als bedrohlich. Doch manchmal gibt es einfach nichts zu sagen. Für das “Aussprechen” haben wir hingegen viel Verständnis. Ganze Berufsgruppen leben davon. Wenn ein Patient bewusst nicht reden will und wir ihm trotzdem ein Gespräch aufdrängen, üben wir Macht aus. Schweigen hat nichts mit Sprachlosigkeit zu tun. Es gibt einen Kommunikationsweg durch das Schweigen hindurch, indem wir das Schweigen einfach aushalten. Denn Schweigen kann heilsam für die gesundende Seele sein, und trotzdem vermitteln Pflegekräfte durch ihr “Da-Sein” und das Aushalten des Schweigens eine Solidarität mit dem Patienten, an die er sich halten kann.

(Der vollständige Artikel ist in “Die Schwester Der Pfleger” März 2014, S. 222 – 225, Bibliomed Verlag Melsungen, erschienen.)

Auftritt

Ich sprach vor ein paar Tagen mit einem hiesigen “Lokal-Matador”, wie er auf einem Konzert vor 900 Leuten angekündigt wurde. Thorsten (Todde) ist ein Musiker aus meiner Stadt. Seine neueste CD ist noch druckfrisch. Und er ist mein “Web-Designer”. Sein aktueller Auftrag war Visitenkarten für mich zu entwerfen, die ich für meinen Vortrag in Regensburg brauche. Er ist also ein “kreativer Kopf” und das merkt man besonders an seiner Musik und an seinen Texten. Jetzt geht es auf “Promo-Tour” durch Deutschland.

Wir kamen ins plaudern: Wie ist das so vor dem Auftritt? Nervosität? Lampenfieber? Neugierde, wie das Publikum reagiert? Gewissheit, das man eine “Botschaft” hat, die man weitergeben möchte? Singend oder als Vortrag. Der Adrinalinkick, den man wie beim Bungeejumping für einen kurzen Moment spürt und einem die Gewissheit gibt, dass man lebt?

Ich freue mich riesig auf den Regensburger Pflegetag am 19. März. Darüber, dass ich dabei sein darf. Dass es mir so gut geht, dass ich mir den “Stress” zumuten kann und darüber, dass ich meine Geschichte erzählen darf. Ein Erfolg wäre es schon, wenn auch nur eine Person von meinen Erfahrungen positiv profitierten würde.

Ich habe schon oft Vorträge, auch vor großem Publikum gehalten. Und mich genau so oft gefragt: Warum tue ich mir das an? Denn die viertel Stunde davor ist Adrinalin pur! Meine Frequenz wird mindestens bei 120 sein und ich werde ein flaues Gefühl im Magen haben.  Aber es fühlt sich nicht so an wie vor Untersuchungsterminen, sondern es fühlt sich richtig gut an – so als würde man gleich ein Geschenk öffnen dürfen.

Wenn ich dann erst einmal angefangen habe zu sprechen, ist alles gut. Ich werde schlagartig ruhiger und konzentriere mich auf das Publikum. Sehr oft schaue ich einzelne Zuhörer direkt an, um aus ihren Gesichtern zu lesen. Gefällt es, oder langweile ich sie? Sind sie gedanklich bei dem Gesagten oder reisen sie schon wieder nach Hause? Es ist toll, zu beobachten, was meine Worte für  Reaktionen auslösen können.

Das Gefühl danach ist unbeschreiblich. Natürlich freue ich mich über den Applaus! Aber viel schöner finde ich es, wenn einige Zuhörer direkt zu mir kommen und mir erzählen, was sie über meinen Vortrag denken. Es wird nie perfekt sein. Ich werde mal stottern, mich versprechen oder den Faden verlieren. Aber ich bin ein fehlbarer Mensch und ich hoffe, dass das Publikum weiß, das es nicht so ganz einfach ist vor vielen Menschen über ein Thema zu sprechen, dass voller Emotionen ist.

Egal, wie es wird – ich bin dabei! Mitten im Leben! Das ist MEIN Leben! Wie wunderbar!

R/Evolution

Vor einigen Monaten traf ich mich in Hamburg an einem wunderschönen, sonnigen Tag in einem Restaurant an der Innenalster mit einem Mentor und Freund. Wir hatten uns länger nicht gesehen und entsprechend viel gab es zu erzählen. Da wir beide einen Hang zur Philosophie haben, waren wir schnell bei den ”Veränderungen” des bzw. unsern Lebens - bei der Evolution.

Evolution ist eigentlich die Veränderung von (vererbbaren) Merkmalen von Generation zu Generation. Wir Menschen durchlaufen im Leben verschiedene “Zeitalter/Generationen”. Gerade eben waren wir noch wilde, lebenshungrige Teenager und dann sind wir plötzlich im letzten Drittel unseres Lebens als “Fast- Senioren” angekommen. Und ja, wir haben viele Veränderungen durchgemacht. Ist das Evolution? Mein Mentor sprach von der Evolution, wie von einem guten Freund. Das Bewegen in Zeit und in Raum und unter Menschen setzte er mit ihr gleich.

Was für eine schöne Metapher: Bewegung – nicht Stillstand. Veränderung - nicht Gleichheit – über die Zeit hinweg. Und ach, nicht alleine – sondern unter Menschen. Wir entwickeln uns an anderen und mit anderen Menschen!

In meinem letzten Blog habe ich über die “soziale Evolution” geschrieben. Auch wenn ich dabei Trivialitäten wie “Schuhe” bemüht habe, Evolution kann nur im sozialen Kontext entstehen. Jeder einzelne wäre nichts ohne die Gemeinschaft, oder? Damit will ich Individualität keinesfalls ausschließen.  Aber ob wir wollen oder nicht sind wir doch immer Teil eines Ganzen. Ich weiß, dass das vielen Angst macht. Wir sind Teil des kollektiven und digitalen Gedächtnis und von uns existiert wohlmöglich ein “Profil”, von dem wir nicht wissen. Ist auch das eine Form von Evolution?

Oder ist es der Gegenbegriff von Evolution? Die Revolution? Im heutigen Sprachgebrauch meinen wir damit meistens “etwas Neues erschaffen” – einen grundlegenden, nachhaltigen Wandel, der sehr abrupt und manchmal auch gewaltsam stattfinden kann?! Manche Ereignisse in unserem Leben “revolutionieren” vielleicht unseren Lebensstil. Für mich würde ich das so in Anspruch nehmen. Ich habe mir bestimmte Ereignisse nicht gewünscht, oder bewusst herbei geführt. Dennoch wurden Merkmale in meinem Leben verändert. Zugegebenermaßen nicht ganz schmerzfrei. Aber hätte ich mich einer R/Evolution entziehen können? Und wollte ich das überhaupt? Nein, denn wir sind viel mehr als “nur” Produkte einer Millionen Jahre alten Evolution, wie es Jürgen Werth in einem eingängigen Kirchenlied sehr treffend in Worte fasste:

Das Du lebst war eines anderen Idee, und das Du atmest sein Geschenk an Dich.

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur.

Ganz egal ob Du Dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.

Du bist Du.