Mütter

Das Heft sprach mich sofort an – warum wohl? Weil ich auch eine Mutter habe (wie natürlich jeder Mensch) und selber seit fast 21 Jahren Eine bin.

Mütter sind etwas Besonderes. Einzigartig. Sie schenken Leben und prägen uns. Mütter sind aber auch nur Menschen. Mit Schwächen und Fehlern. Als mein Sohn ein halbes Jahr alt war, bin ich bis zu acht mal nachts aufgestanden. Ich weiß bis heute nicht, ob das richtig oder falsch war. Ich war tagsüber entsetzlich müde und am Ende meiner Kräfte und mein Kleiner dafür topfit. Ich hätte ihn nicht brüllen lassen können. Ich bekam von Freundinnen natürlich viele “gut gemeinte” Ratschläge, die ich ignorierte und mich auf meine Intuition verlies. Ganz falsch kann es wohl doch nicht gewesen sein, denn mein Sohn ist ein lebensfroher junger Mann geworden.

Mütter und ihr Verhältnis zu Töchtern wird oft als schwierig beschrieben.  Das muss aber nicht so sein. Die Beziehung kann auch geprägt sein von Liebe, Respekt, Toleranz und Verständnis. Mütter sind auch Vorbild und Lehrerinnen fürs Leben. Ich hatte erst richtiges Verständnis für meine Mutter, als ich selber Eine wurde. Ihr Rat und ihre Unterstützung waren mir eine wertvolle Hilfe.

Verblüffend  finde ich die Dinge, die ich von meiner Mutter übernommen habe und die mein Sohn von mir übernommen hat. Damit meine ich nicht die Familienähnlichkeit, sondern Gesten, Mimik und besonders Charaktereigenschaften. Die Lebensfreude, den Optimismus und die pragmatische Einstellung zu schwierigen Situation habe ich übernommen und offensichtlich auch weitergegeben.  Einen Spruch, den ich heute oft von meiner Mutter höre, ist: “….es wiederholt sich alles.”

Ja, vielleicht tut es das. Die Gefühle, die Ängste und die Freude, die ich hatte, als mein Sohn sich das Schlüsselbein brach, sein Abitur machte und dann anfing sein eigenes Leben zu Leben und auszog – all das hatte auch meine Mutter gefühlt. Wie gut ich jetzt ihr Verhalten von damals verstehe! Sie war und ist mir einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Wie wundervoll eine Mutter zu haben. Die man immer um Rat fragen kann, die einen tröstet, die einem auch mal den Kopf zurecht rückt, die sich ein Bein ausreißt, wenn man Hilfe jeglicher Art brauch – und Dinge kann, die man selber nicht kann (mit der Nähmaschine umgehen, Hühnersuppe kochen, Gurken einlegen usw.). Noch heute glaubt meine Mutter ich würde Hungers sterben, wenn ich nach einem Besuch wieder nach Hause fahre, und gibt mir allen möglichen “Leckerkram” mit. Und jedes mal erkläre ich ihr, dass es in meiner Stadt auch Geschäfte gibt…. Und was mache ich ein Wochenende später, wenn mein Sohn von der Uni zu Besuch kommt…. Ich gebe ihm die Sachen mit, die er gerne isst…. Es wiederholt sich alles…  Gott sei Dank auch die Liebe von Müttern!

Freundschaft

“Das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein”…… Ein bekannter Satz aus Casablanca (ich weiß, ich habe schon mal etwas aus diesem Film zitiert….. as time goes by…. Das liegt daran, dass das einer meiner Lieblingsfilme ist und ein paar wirklich tiefsinnige Aussagen darin stecken).

Wir alle pflegen Freundschaften.  Manchmal wird dieses Wort sehr inflationär benutzt, denn nicht jeder, mit dem wir zu tun haben und der uns etwas näher kommt ist gleich unser Freund. Freundschaft entwickelt sich, Freundschaft wächst. Manchmal begegnen uns Menschen mit denen man sofort auf einer Wellenlänge ist. Eine gute Basis für eine beginnende Freundschaft.

Mir ging es so bei einer neuen Kollegin. Wir hatten ein erstes Arbeitstreffen und sofort war uns Beiden klar, dass wir die selbe Sprache sprechen. Wir konnten uns sofort vertrauen und über alles reden. Diese Freundschaft ist noch nicht so alt, aber sehr ehrlich und intensiv.

Eine andere Freundin wohnt 600 km entfernt. Ich kenne sie seit 25 Jahren. Wir telefonieren oft und sehen uns 2-3 mal im Jahr. Und es ist immer so, als wären wir uns gestern das letzte Mal begegnet.  Wir können zusammen lachen und weinen.

Eine enge Freundin, die besonders in schweren Zeiten für mich da war, wohnt im selben Ort. Sie hat ein besonderes Gespür für  Feinheiten und sagt immer die richtigen Dinge zur richtigen Zeit und brachte mir eine wunderbare Tomatensuppe, als es mir schlecht ging.

Freundschaft zeichnet sich für mich aus über Zeiten und Entfernungen hinweg und durch Vertrauen, Unbeschwertheit und Vergebung. Natürlich kann es in Freundschaften zu Misstönen kommen, aber eine echte Freundschaft übersteht auch schwierige Zeiten und Missverständnisse.

Manche Freundschaften gehen in die Brüche, weil man sich aus den Augen verliert, weil sich Lebenswege unterschiedlich entwickeln und man sich plötzlich nichts mehr zu sagen hat oder weil es “unüberbrückbare Differenzen” gibt. Das schmerzt und tut weh. Es ist ein Verlust. Aber vielleicht gelingt es trotzdem, dankbar zu sein für die guten Zeiten, die man miteinander verbracht hat, mit durch diskutierten Nächten, Shopping-Exzessen und Gekicher. Wenn eine Freundschaft nicht zu retten ist, kann doch wenigstens eine schöne Erinnerung bleiben. Und vielleicht heilt die Zeit auch hier die Wunden.

Spiritual Care

“Warum lässt Gott das zu?” Diese Frage wird Pflegenden oft gestellt, etwa vom jungen Mann, der bei einem Motorrad-Unfall beide Beine verloren hat. Vom Familienvater, der am Bett seiner sterbenden Frau sitzt und von der alten Dame, die jeden zweiten Tag zur Dialyse gefahren wird. Oder wir haben es uns selbst auch schon einmal gefragt, beispielsweise angesichts der Bilder von 9/11 oder angesichts der Tsunamiopfer in Südostasien.

Diese Frage ist so alt wie das Christentum und wird im theologischen Kontext als Theodiezeefrage bezeichnet. Der Begriff stammt von dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) und setzt sich aus den griechischen Wörtern “theos” (= Gott) und “dike” (=Gerechtigkeit) zusammen. Der Kern der Frage ist letztlich, wie sich die Existenz eines liebenden, guten Gottes mit der Existenz des Übels und des Bösen vereinbaren lässt.

Die Frage nach dem “Warum” bringt uns Pflegekräfte immer wieder in Erklärungs- und Rechtfertigungsnot. Denn wir haben keinen Wissensvorsprung, sind vielleicht ebenso auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sowie nach dem, was über den Tod hinausgeht – nach dem, was bleibt, in der Hoffnung auf Unsterblichkeit der Seele. Wenn wir Menschen in Krisen geraten, ist mit unserer eigenen Orientierung auch immer, aber oft unausgesprochen, die Dimension Glaube, Religion oder Spiritualität präsent.

In existenziellen Lebenskrisen oder Notsituationen sind es die Patienten, die auf der Suche nach Halt sind. Für uns Pflegende stellen sich aber die selben Fragen, denn wir gehen jeden Tag mit dem Leid um. Es berühret uns, wenn unser Gegenüber leidet. Oft finden Pflegekräfte und natürlich auch Patienten Halt und Stärke in ihrem Glauben oder ihrer Spiritualität.

Der Begriff “Spiritualität” leitet sich vom lateinischen Wort “spiritus” ab, was Luft, Hauch, aber auch Atem, Seele, Geist oder Begeisterung, Mut oder Sinn bedeutet. Das dazugehörige Verb  lautet “spiro”  und bezeichnet nicht nur wehen, hauchen, sondern auch atmen, leben, sowie erfüllt und beseelt sein. Die Lateiner sahen Spiritualität in engem Zusammenhang mit dem Atmen.

Die biblische Tradition hat einen ähnlichen Ansatz. “Ruach”, das hebräische Wort für Geist, steht auch für Atem, Wind und Begeisterung. Die Verbindung zwischen Geistigkeit und Atem findet man in vielen Meditationsformen und in der Atemtherapie wieder.

Das Medizinsystem lässt oft keine Zeit für Begegnungen.  Spiritualität ist Begegnung – mit sich selber, mit all unseren Fragen, mit Gott. Hoffnung ist ein wichtiger Teil der Spiritualität. Damit ist nicht immer die Hoffnung auf Heilung gemeint, vielleicht aber die Hoffnung auf Unsterblichkeit der Seele.

Krankheit und Gesundheit waren immer auch religiöse Themen. Die Frage nach der Schuld oder der Strafe kommt darin vor. Die Begriffe Heil, Heilung, heilig haben den selben Wortstamm. Im Christentum ist der Zusammenhang von Glaube und Heilung besonders deutlich:  Christus der Heiland und Arzt. Die vielen Heilungsgeschichten im neuen Testament sind auch der Grund, warum der christliche Glaube als therapeutische Religion verstanden wird.

Bei den meisten Menschen mit schweren Erkrankungen wird die Frage “Woran glaube ich?” irgendwann aufbrechen. In der Medizin wird Gesundheit und Heilung thematisiert, in der Theologie Heil/Heilung und Erlösung. Spätestens in den ganzheitlichen Pflegekonzepten ist deutlich geworden, dass Leib und Seele, Körper und Geist untrennbar verbunden sind….. Also seien wir auch in der Begegnung mit anderen Menschen “begeistert”.

(Der vollständigen Artikel “Auf der Suche nach Halt” ist in der aktuellen Ausgabe “Die Schwester Der Pfleger” 12/2013  erschienen.)