Lesung von Krimi-Autorin Gisa Pauly in der Rotenburger Stadtbibliothek
Inspiration aus dem Alltag
Rotenburg – Von Corinna Kohröde-Warnken . Es seien die kleinen Dinge des eigenen Lebens, die auch den Weg in ihre Bücher finden, sagt Gisa Pauly. Die Autorin aus Münster ist an diesem Dienstagabend zu Gast in der Rotenburger Stadtbibliothek und hat nicht nur ihre Sylt-Krimis dabei, sondern auch jede Menge Geschichten über sich und ihr Werk.
Die ehemalige Berufschullehrerin ist mittlerweile Seifenoper-Autorin, Journalistin und ganz allgemein Schriftstellerin – Lieblingsgenre Kriminalwerk. Dass die Einladung der Büchereizentrale Niedersachsen in Lüneburg und von Christine Braun, der Leiterin der Stadtbibliothek, zur Wümmestadt passt, zeigen die mit der Fangemeinde voll besetzten Stuhlreihen.
Pauly liest unter anderem aus ihrem neunten Sylt-Krimi „Sonnendeck“ und stellt ihre Hauptprotagonistin Mamma Carlotta vor. Auf die Frage, ob es Ähnlichkeiten zwischen der Protagonistin und der Schreiberin gibt, lacht die sympathische Autorin: „Nein, nur einige Verhaltensmerkmale, zum Beispiel dass Mamma Charlotta häufig Dinge herunterfallen lässt oder Scherben produziert, behauptet jedenfalls mein Mann.“
Italien-Fan Pauly beschreibt ihren Arbeitsalltag als sehr ritualisiert. Teilweise arbeite sie schon um fünf Uhr früh an ihrem Manuskript, in dem sie das am Vortag geschriebene Korrektur liest, dieses im Laptop einarbeitet und dann weiterschreibt. Nebenbei lese sie aber auch gerne anderes – aktuell Charlotte Link.
Noch druckfrisch, da erst am 14. September veröffentlicht, ist ihr neues Buch „Der Mann ist das Problem“. Es ist eine Geschichte außerhalb der Sylter Krimis und werde wohl keine Serie. Die Idee dazu gab es laut Pauly schon lange, passte aber nicht in das Konzept der Serie um Mamma Charlotta.
Inspirieren lässt sich die Autorin nach eigenen Angaben durch Begegnungen aus dem Alltag. So sah sie beispielsweise einen sehr schnell fahrenden Leichenwagen in Italien und sofort hatte sie eine Szene dazu im Kopf. Diese Sequenz werde in ihrem jetzt schon konzipierten neuen Sylter Krimi, der 2017 erscheint vorkommen, verrät sie.
Rotenburg – Von Corinna Kohröde-Warnken. Milan Lerinc (41) sitzt mit einem freundlichen Lächeln bei Gerlinde Wozniak von der Freiwilligen-Initiative Rotenburg im Büro. Eines ihrer Projekte heißt „MEN – Mobile Engagementberatung Niedersachsen“. Ein Schwerpunkt ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in das Ehrenamt. Der Mann ist einer von etwa 100 Asylbewerbern, die derzeit hier in der Stadt Rotenburg untergebracht sind. Lerinc war mit seiner Familie aus Serbien geflüchtet. Er kam direkt mit dem Flugzeug nach Deutschland. Serbien sei ein sehr korruptes Land und Demokratie und der Schutz von Minderheiten nicht immer gegeben, beschreibt er sein Heimatland. Er ließ eine schöne Drei-Zimmer-Wohnung und das Klavier seiner Tochter zurück. Papiere, die seine berufliche Qualifikation bescheinigen, konnte er auf der Flucht ebenfalls nicht mitnehmen. Er hat mit körperlich Behinderten und Schlaganfallpatienten gearbeitet. Sein Asylantrag wird noch bearbeitet. Das dauert etwa drei bis sechs Monate. Erst wenn sein Status, so heißt es in der Amtssprache, geklärt ist, kann er an den Integrationskursen, in denen das Erlernen der deutschen Sprache eine wichtige Säule ist, teilnehmen.
Aus diesem Grund findet das Gespräch auf Englisch statt, auch wenn er ab und zu lachend versucht, ein paar deutsche Worte einzustreuen. Er lebt mit seiner Frau, seinem 22-jährigen Sohn und seiner 15-jährigen Tochter in einem etwa 20 Quadratmeter großen Zimmer in einem Flüchtlingsheim in Rotenburg. Dort muss er sich ein Bad mit weiteren 20 Asylsuchenden teilen. Deutsch lernt er – so gut es geht – von seinen Kindern. „Sprache ist der Schlüssel“, erklärt Gerlinde Wozniak, die selbst auch zum ersten Mal mit einem Asylbewerber zu tun hat, der ehrenamtlich tätig werden möchte; und sie kann auch gleich eine Erfolgsmeldung verkünden. Lerinc wird in einer Altenpflegeeinrichtung als Ehrenamtlicher mit Senioren arbeiten. „Ich will nicht den ganzen Tag herumsitzen und nichts tun. Das fühlt sich ,very bad‘ – sehr schlecht – an“, sagt er. Es sei ihm unangenehm, Geld vom Sozialamt zu bekommen und nichts dafür getan zu haben. „Ich möchte etwas geben, bevor ich etwas bekomme.“ Seine Kinder mussten hier auch medizinisch versorgt werden. Das sei in Deutschland ein gut funktionierendes System. Er kenne das aus seiner Heimat so nicht, erzählt er. Dort hieß es bei Untersuchungen von den Ärzten immer, das alles normal wäre. Hier stellten sich dann aber doch behandlungsbedürftige Erkrankungen heraus. In Serbien habe man nicht so viel für ihn und seine Familie getan, wie in diesen paar Monaten, seit er hier ist. Er sei den Menschen in Deutschland dankbar dafür. Ihm seien überwiegend Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft begegnet. Auch und besonders in den Behörden: „Jeder versucht dort zu helfen, so schnell und so gut er kann.“ Laut Wozniak ist es zumindest in Rotenburg neu, dass Asylbewerber ins Ehrenamt gehen wollen, „Ein großes Anliegen ist es, eine Win-Win-Situation herzustellen. Asylsuchende können anderen Menschen helfen und dabei Deutsch lernen, gemeinnützige Organisationen gewinnen zusätzliche Ehrenamtliche“, fasst Gerlinde Wozniak ihr Projekt zusammen.
Interessierte Organisationen können sich zur Kontaktaufnahme bei Gerlinde Wozniak (Telefon: 04261 / 4100510) melden.
Rotenburg – Die Buchhandlung Müller an der Goethestraße ist gut gefüllt, als Inhaberin Cornelia Mansfeld die gut 30 Besucher am Freitagabend launig begrüßt. Neben ihr der geladene Gast des Abends, Michael Jaeger – Germanist und Autor vieler Bücher über die „Weimarer Klassik“ aus Berlin.
Als ausgewiesener Experte für Goethes Werke las er aus seinem neuen Buch „Faust Glück und Unglück – Das Moderne in Goethes Tragödie“.
Was sich anhört wie eine trockene philosophische Vorlesung, entpuppt sich schnell als überraschend lebendig, weitsichtig und – leider im Wortsinn – „brandaktuell“. Geht es doch in Goethes Faust, so schlüsselt Jaeger auf, nicht nur um das klassische Arkadien, sondern vielmehr um ein „konzentriertes Gegenwartserleben“ – und um die „Xenophelie“, das der Duden als „allem Fremden, allen Fremden gegenüber positiv eingestellt, aufgeschlossen“ definiert und umgangssprachlich „Gastfreundschaft“ meint. „Fremde sind zu empfangen wie Götter“ und der Appell des Humanismus beim „Schiffbruch der Existenz“ untermauert den aktuellen Zusammenhang, wie Michel Jaeger sehr kurzweilig herausarbeitet.
Damit trifft er bei den Zuhörern einen Nerv, der aufgrund der aktuellen politischen und wenig gastfreundlichen Situationen in Deutschland sehr zum Nachdenken anregt.
Die anschließende Diskussions- und Fragerunde ist dann auch entsprechend lebhaft und greift auch Goethes „alter ego“, den Wanderer, auf. Und so stellt sich zum Abschluss dieses erhellenden und hochinteressanten Abends auch die Gretchenfrage: „Wie gastfreundlich wollen wir sein?“
Weitere Veranstaltungen und Lesungen sind in Vorbereitung, kündigt Cornelia Mansfeld am Rande des Abends an.