Ambivalenz

Es geht nicht mal wieder um Schuhe… Und wenn doch, dann nur symbolhaft – versprochen!

Die Buchmesse in Frankfurt steht bevor und ich darf zum zweiten Mal auf dem Autorensofa Platz nehmen. Ich habe meinen fast leeren Kleider- und Schuhschrank durchsucht und natürlich nichts gefunden, was angemessen wäre. Vorher steht noch ein Urlaub im Rheingau an. Auch dafür nichts im Schrank!

Beim packen wurde mir noch einmal sehr klar, wie ambivalent mein Leben ist. Bis vor fast genau fünf Jahren hatte ich ein sehr klar strukturiertes, ganz normales Leben mit einer Karriere, Familie, Freunden und Alltag.

Es hat sich eigentlich alles geändert: Meine Beziehung zu Gott ist gewachsen. Meine Karriere ist einer Tätigkeit gewichen, in dem ich nur das mache, was ich möchte und mir Spaß macht (schreiben und reisen, wann und wohin ich will). Meine Familie besteht zum Glück noch vollständig aus Ehemann, Sohn, Eltern, Schwiegereltern, SchwägerInnen und Neffen. Sie alle sind das wichtigste in meinem Leben. Mein Freundeskreis hat sich verändert. Einige sind mit mir gewachsen und haben zu mir gestanden, einige haben sich verabschiedet und andere Menschen sind neu dazu gekommen und die Freundschaft hat sich intensiviert. Meinen neuen Alltag gestalte ich nach meinem gesundheitlichen Wohlbefinden, mit langen Spaziergängen, schreiben, Sport und normalem “Alltagströdel”.

Und da ist sie: Die Ambivalenz… Wobei das laut Definition ein eher negativer Begriff ist. Er bezeichnet “einen Zustand innerer Zerissenheit”.  Nein, zerrissen fühle ich mich ganz und gar nicht. Aber manchmal “schlagen eben zwei Herzen in einer Brust” – was meint, das sowohl das Eine als auch das Andere seine Berechtigung hat (wie die Schuhe auf dem Foto…!)

Wenn ich genauer überlege, meine ich vielleicht eher “Toleranz”… mit den Dingen, Menschen und Begebenheiten, die das Leben täglich bietet. Freud und Leid, Gut und Böse, Leben und Tod, Stärke und Schwäche – das alles gehört zu unserem Leben dazu und wir wüssten das Eine nicht zu schätzen, wenn es das Andere nicht gäbe.

Es fällt mir nicht immer leicht, das Gegebene zu akzeptieren. Dennoch habe ich die Wahl, wie ich mich der Situation stellen will. Mit Zorn oder mit Gelassenheit (oder mit irgendetwas dazwischen). Das ich eine Wahl habe, schenkt mir große Freiheit – ich entscheide!

Ob es eine kluge Entscheidung war, für eine lange Bergwanderung die schicken High Heels zu wählen, steht auf einem anderen Blatt….

In diesem Sinn wünsche ich Euch große Freiheit für Eure Wahl… Und Eure Ambivalenz…

Ich melde mich ab in den Urlaub und auf die Frankfurter Buchmesse. Ich lese am Freitag, den 13.10 um 13 Uhr auf dem Autorensofa in Halle 3.1.

Vielleicht begegnen wir uns?!

Corinna

Portfolio

Ein komisches Wort… Ich habe es in der letzten Zeit aber mehrfach gehört. Es wird überwiegend in der Wirtschaft und im technischen Bereich gebraucht und dient u.a. zur Risikoanalyse oder um eine spezifische Strategie und Marktanteile für ein Unternehmen zu bewerten.

Gelegentlich nutzt man es auch bei der Auswahl von neuen Mitarbeitern – z.B. ob der Bewerber mit seinen Fähigkeiten ins Team/Unternehmen passt. Und genau das ist der Punkt: Wie werden unsere Fähigkeiten, Gaben und Talente bewertet? Und wichtiger noch: Wie bewerten wir sie selber? Versuchen wir nicht immer unser Bestes zu geben? Wir müssen uns doch dauernd dem fortwährenden Wettbewerb stellen.

Manchmal sind wir ungnädig mit unseren Leistungen und uns selber. Habe ich alles richtig gemacht? Wo hätte ich etwas anders oder besser machen können? Unsere Talente passen aus unserer Sicht manchmal nicht ins Portfolio des Lebens… glauben wir!

Aber ist es nicht genau das, was das Leben und die Vielfalt darin so wunderbar macht? Müssen wir immer im “Mainstream” sein? Neulich unterhielt ich mich mit meinem Sohn über eine Bekannte, die sicher nicht in ein gängiges Portfolio passt, und deshalb “anders” ist. Mein fast 22 Jahre alter, sehr weiser Sohn sagte: “Sie ist wahrscheinlich “echter” als die meisten anderen Menschen.”

Diese Analyse hat mich schwer beeindruckt. Ja, die Bekannte fällt aus dem Raster, das wir uns oft so einfach aufbauen. Und dennoch ist sie mehr sie selbst, als viele Andere, die Masken tragen, schauspielern und sich verstellen. Wie mutig! Dort wo diese Frau sich eben nicht anpasste, war sie doch die eigentliche Heldin!

Und wie sieht es nun mit unseren eigenen Fähigkeiten aus? Wir sind das Produkt unserer Herkunft (Ursprungsfamilie), unserer Erziehung, unserer Werte und Normen und auch unserer Vergangenheit. Für viele Dinge können wir nichts, und dennoch haben wir die Möglichkeit, Dinge und Verhaltensmuster zu veränden, wenn wir es wirklich wollen.

Und ich denke, es ist in Ordnung – Egal ob wir uns dafür entscheiden ins Portfolio des Lebens zu passen, oder eben gerade nicht. Beides ist ok – denn es ist unsere Wahl. Und manchmal kreiert das Leben aus dieser Wahl genau die richtige Strategie, um ein gutes, gelingendes Leben zu führen. Und nur das zählt.