Konjunktiv

In der Grundschule hieß es bei mir “Möglichkeitsform”. Wir verwenden es für Situationen, die nicht real, sondern nur möglich sind. Das kann z.B. etwas sein, das wir uns nur vorstellen oder wünschen. Oder wir wiederholen eine Äußerung, von der wir nicht wissen, ob sie wahr ist oder nicht.

Wenn ich mich genauer beobachte, sage ich schon ziemlich häufig “hätte, wäre, wenn…” (wie am Anfang des Satzes…). Wieso glauben wir Menschen es hätte besser kommen können, oder wir würden etwas verpassen? Ist Zufriedenheit ein Fremdwort geworden? Laufen wir immer dem “Non plus Ultra” hinterher?

Natürlich haben wir alle Wünsche, Träume und Hoffnungen. Und jeden Tag schauen wir nach vorne um auf dem richtigen Weg zu bleiben, oder ihn neu zu finden. Jeden Tag bieten sich neue Möglichkeiten. Manchmal lassen wir sie ungenutzt verstreichen, manchmal greifen wir zu und stellen hinterher fest, es wäre vielleicht doch besser gewesen, es zu lassen.

Aber nur so “leben” wir. Wir machen Fehler und lernen bestenfalls daraus. Und sehr oft gibt uns das Leben eine zweite Chance. Wir können unsere Fehler korrigieren, uns entschuldigen oder einfach noch mal von vorne anfangen. Wir müssen uns nur trauen.

Ein Auszug aus einem Songtext:

…mein Leben wär’ erfüllt

und nicht so primitiv

wäre, würde, rein fiktiv

was wär’, wenn’s für mich besser lief

vollkommen bin ich leider nur

im Konjunktiv. (Annett Louisan, “Eve”)

Wie ist es aber, wenn wir uns trauen und eine Chance ergreifen, für einen neuen Job, für eine feste Bindung oder für den Kauf einer Wohnung? Wir freuen uns und sind glücklich! Vor uns öffnet sich eine Tür und dahinter ist es hell und voller Erwartung gehen wir hindurch. Und dennoch fragen wir uns: “Wäre der alte Job nicht sicherer gewesen?, Hätte ich doch einen anderen Partner wählen sollen? Wenn nun doch ein Haken bei dem Wohnungskauf ist…?”

Ich denke das “Zauberwort” zum Konjunktiv heißt “Vertrauen”. Darauf, dass wir nicht alleine sind und Fehler machen dürfen. Und dass wir nicht immer das “Non plus Ultra” erreichen müssen. Und einfach sein dürfen, wie wir sind – nicht vollkommen, aber im “Hier und Jetzt”.

Flugangst

Eine Freundin fliegt heute nach Chicago, ein Bekannter nächste Woche  nach New York und Las Vegas, mein Mann ist ebenfalls viel im Flieger unterwegs, so wie etwa 8 Millionen Fluggäste weltweit. Und ich hasse fliegen!

Warum? Erstens: Die Luft ist nicht unser Element. Wenn wir hätten fliegen sollen, hätten wir Flügel – haben wir aber nicht! Also bleibe ich doch lieber am Boden (der Tatsachen?!). Zweitens: Ich bin völlig ausgeliefert. Der Tagesform des Piloten, dem Können der Flugsicherheit, uneinsichtigen Passagieren, die trotz Verbot während des Starts und der Landung telefonieren! Oder Menschen, die meinen, Flugzeuge seien Waffen, die sie für eine “Mission” benutzen können.

Natürlich ist Flugangst irrational. Es geschehen mehr Unfälle auf der Straße als in der Luft. Weiß ich alles! Trotzdem bekomme ich Herzrasen und feuchte Hände wenn ich fliegen muss. Wenn irgend möglich vermeide ich es. Interessanterweise hat es mir früher nicht so viel ausgemacht zu fliegen. Ich bin nach Madrid, Mailand, Pisa, Glasgow, auf die Kanaren, nach Rhodos und Malta geflogen. Naja, begeistert hat es mich nie, denn eigentlich ist es ja wie Busfahren, aber ich hatte keine überdimensionierte Angst. Höchstens ein leichtes Kribbeln im Bauch.  Es gibt eigentlich keinen Grund, warum sich das verändert hat, jedenfalls bin ich mir dessen nicht bewusst.

Vielleicht hat es mit der Angst vor Kontrollverlust zu tun. Es ist ähnlich wie bei einer Narkose. Man begibt sich komplett in die Hände anderer Menschen (Anästhesisten oder Piloten) in der Hoffnung, dass sie ihren Job beherrschen und nicht von irgend welchen privaten Dingen abgelenkt sind oder am Vorabend eine Flasche Rotwein getrunken haben.

Es hat wohl eher mit Vertrauen zu tun, wenn ich es richtig bedenke. Der Spruch “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser” kennen wir alle. Sich dahinter zu verstecken ist einfach. Immer alle Fäden in der Hand behalten, alles steuern können, nichts was uns entgleitet. Ein Wunschtraum. Denn so ist das Leben ja nicht. Aber sich wirklich fallen lassen – ob in eine Narkose oder beim Fliegen – das fällt schwer. Darauf vertrauen, das alle ihren Job machen, das alles gut wird, das wir behütet und beschützt sind. Warum fällt es so schwer?

Ein kleines Kind springt in der Gewissheit, dass die Mutter es auffängt von einer Mauer. “Urvertrauen” nennt man das in der Psychologie. Ich kann mich an dieses Gefühl erinnern und wünsche es mir oft zurück. An machen Tagen ist es da. Da WEISS ich, dass mir gar nichts passieren kann, egal was passiert…

“Wir fallen nicht tiefer als in Gottes Hand”, sagte meine Oma oft und sie musste es wissen, denn sie hat viele Schicksalsschläge erlebt. In diesem Sinne: Guten Flug!