Staffellauf

Der Tag danach ist geprägt von Erleichterung  (natürlich nur bei guten Ergebnissen). Menschen wie ich müssen/dürfen alle paar Monate  (bei mir ist es noch relativ engmaschig, 2-3 Monate) zu Kontrolluntersuchungen. In meiner Klinik heißt es “staging”. Wikipedia definiert es: “… als Teil der Diagnostik, der der Feststellung des Ausbreitungsgrades eines bösartigen Tumores dient. Sie wird zur Basis für die Entscheidung, zu welcher Therapie dem Patienten geraten wird.”

Ich würde es eher “Staffellauf” nennen. Man hat ein Ziel vor Augen, muss aber dazu verschiedene Positionen erreichen. Anders als beim richtigen Staffellauf gibt man den Stab allerdings nicht weiter, sondern trägt ihn selber durch alle Stationen. Bei mir sind es 6 Stationen: CT, MRT, Sono, Befundgespräch mit dem Radiologen, Labor und Abschlussgespräch mit dem Onkologen.

Das Schlimmste sind eigentlich noch nicht einmal die Untersuchungen an sich. Daran “gewöhnt” man sich mit der Zeit. OK – toll ist es nicht, Kontrastmittel gespritzt zu bekommen und in dem wummernden MRT zu liegen, ohne sich bewegen zu können und dürfen. Auch das reichlich aufgetragenen Gel für die Sonographie ist ekelig. Ich mache immer die Augen zu, spreche ein Gebet und stelle mir die Hochries (mein Lieblingsberg im Chiemgau) bildlich vor. Die meisten MTA´s sind nett und kompetent, haben aber nicht viel Zeit für ein beruhigendes Gespräch oder wenigstens einen einfühlsamen Satz. Naja, viel reden will ich aber eigentlich auch nicht. Ich möchte nur da durch!

Das Schlimmste sind eigentlich die Wartezimmer, bzw. die Warterei. Also, Wartezimmer sind es ja sowieso schon mal nicht, sondern eigentlich nur Stühle auf dem Flur. Es zieht, ist kalt, hektisch laufen Leute mit den sprichwörtlichen “wehenden Kitteln” vorbei und die Stühle sind eine Zumutung für Jeden! Kalt, hart, unbequem und orthopädisch eine Katastrophe (von Design ganz abgesehen, was aber ja auch eigentlich keine Rolle spielt).

Und wieso “Wartezimmer”? Ich will nicht warten! Ich verbringe sowieso schon viel Lebenszeit bei Ärzten. Und ich habe doch einen Termin! Worauf warte ich also? Gut – es kann Verschiebungen geben, ein Notfall kommt dazwischen – sehe ich alles ein. Aber aus für mich nicht erkennbaren Gründen dauert es unnötig lange, bis ich endlich zur nächsten Station in meinem ganz persönlichen Staffellauf “darf”. Ach ja, absolut kontraproduktiv sind auch “Wartezimmer-Gespräche”. Ich finde die gehören verboten. Erstaunlich, was Menschen/Patienten für ein unfassbares Halbwissen an medizinischen Kenntnissen haben! Und gerne auch Narben, Verbände oder Wunden zeigen – Jedem! Ob man sie sehen will oder nicht! Natürlich reichlich garniert mit der entsprechenden Krankengeschichte und katastrophalen Unsachlichkeiten und verworrener Kenntnis von medizinischen Zusammenhängen. Ich will das nicht hören! Ich versuche gerade meine eigene Stabilität zu behalten und habe keine Kraft, interessiert und mitfühlend zu sein. Nicht jetzt, nicht an so einem Tag. Sonst gerne. Auch die Umstrukturierungsmaßnahmen und Verbesserungsvorschläge zu einer vernünftigen Organisation und Verkürzung von Wartezeiten von wohlmeinenden Patienten interessieren mich nicht, obwohl ich auch einiges beizutragen hätte….

Das Gespräch mit der Radiologin ist ok. Sie ist sachlich und formuliert einfühlsam. Ich habe das Gefühl sie spricht mit mir und nicht mit einer DRG.  Nächste Station: Labor. Hurra, die Braunüle liegt noch gut und ich muss nicht ein weiteres Mal gestochen werden. Eigentlich eine Kleinigkeit, trotzdem freut es mich. Letzte Station: Abschlussgespräch mit dem Onkologen. Diesmal gibt es ein richtiges Wartezimmer – und es ist knallvoll. Wieder Krankengeschichten. Und Lobeshymnen über den Onkologen. Ich könnte einstimmen, denn sie sind berechtigt. Aber ich halte meinen Mund, versuche meine Ohren zu verschließen und schaue aus dem Fenster. Ich bin müde. Ich laufe, bzw. sitze diesen heutigen Staffellauf seit 5 Stunden plus eine Stunde Anfahrtsweg.

Das Gespräch mit dem Onkologen ist sehr gut. Gute Nachrichten und er fragt nach meinen flankierenden Maßnahmen auf meinem Heilungsweg. Er sieht Körper und Seele und das tut gut!

Die Abschlussstation des Staffellaufs ist dann nicht etwa die Siegerehrung, sondern die Neuanmeldung…. in drei Monaten geht es wieder an den Start.