Schwester Lori Nelson

Naaa, wer kennt sie??? Wer sie kennt, outet sich als “Serien Nerd”…. Willkommen im Club. Ich bin einer von Euch!

Schwester Lori Nelsen wird permanent über die Lautsprecheransage ausgerufen. Niemand hat sie je gesehen, aber sie ist eine feste Größe in allen 9 Staffeln der Serie “Scrubs”. Und ja, bevor jemand fragt: Ich habe sie alle gesehen – alle Folgen, alle Staffeln – mehrfach! Ich behaupte immer, dass ich das zur Recherche mache. Stimmt auch. Aber ich schaue es auch immer wieder, weil es erstens stimmt (Recherche) und zweitens noch dazu “brüllkomisch” ist.

Und ja, auch Emergency Room, Privat Practice und Grey’s Anatomie (immer alle Staffeln und das mehrfach!) habe ich gesehen und “für mich bewertet, bzw. eingeordnet”.  Auffällig dabei ist es, dass die Hauptfiguren in allen Serien Ärzte/Ärztinnen sind. Einige Schwestern (selten Pfleger) studieren im Verlauf Medizin und falls nicht haben sie aber auf jedem Fall eine Affäre oder gar eine feste Beziehung zu einem Arzt. Es gibt einige Ärztinnen z.B.  bei ER die ein Intermezzo mit einem Pfleger haben, aber das scheitert natürlich….

Vieles ist  überzeichnet, besonders da es amerikanische Serien sind. Wenn ich auf meine berufliche Praxis zurückblicke, die ich auf  Intensivstationen verbracht habe, erkenne ich aber doch einiges wieder, Patientengeschichten, menschliche Abgründe, Happy Ends, Lovestorys, Neid und Konkurrenz, tiefe Freundschaften, Teamspirit und Pflichtgefühl, ethische Fragen, rechtliche Unsicherheiten und zutiefst menschliche Fehler.

Ich erinnere mich an viele PatientInnen, an Angehörige und an Fallgeschichten. Ich erinnere mich an den Adrenalinkick, wenn wir in Notfallsituationen (und die gibt es auf der ITS natürlich dauernd) Hand in Hand hochkonzentriert und schnell im Team arbeiteten. Ich erinnere mich an das massive Herzklopfen, als ich bemerkte das ich einen Fehler gemacht hatte (der aber zum Glück zu keinerlei Folgen für den Patienten führte). Ich erinnere mich an das Lachen, dass es auch oft gab. Manchmal mit Patienten und Angehörigen, oft auch mit KollegInnen. Ich erinnere mich an Tränen – geweinte und ungeweinte, wenn es besonders tragische Schicksale von Patienten  gab. Und ich erinnere mich an viele menschliche Abgründe, wenn wir es mit Straftätern, Gewaltverbrechern (und parallel dazu deren Opfer) und “Gangstern” zu tun hatten. Ich würde behaupten, dass mir nichts “menschliches” fremd ist….

Noch heute träume ich von “meiner” Intensivstation. Insgesamt arbeitetet ich auf vier Verschiedenen – quer durch Deutschland. “Meine” ITS war die Erste als Berufsanfängerin in Bayern. Noch heute verbindet mich eine enge Freundschaft zu einer damaligen Kollegin, die zu einer meiner besten Freundinnen wurde. Seit über 30 Jahren. Erinnerungen verbinden. Wenn man mich fragt, ob ich meinen beruflichen Werdegang jetzt anders planen würde, oder ob ich etwas anderes machen würde, lasse ich jetzt mal eine Figur aus einer Serie für mich sprechen:

“Sehen Sie in Ihr Herz, und tun Sie, was sie glücklich macht!” (Chefarzte Dr. Kelso (Staffel 8, Folge 4)

Hildegard von Bingen

Sich mit mächtigen Männern anzulegen erfordert viel Mut, Selbstbewusstsein und Gottvertrauen. Das gilt heute, aber besonders um 1150 n C., als die Stellung und Wertschätzung von Frauen noch eine ganz Andere war. Dennoch scheute sich eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit nicht, genau das zu tun. Sie stritt mit hohen geistlichen Amtsträgern bzw.  Erzbischöfen.  Hildegard prägte ein neues Frauenbild in der Kirche. Sie selbst, eine benediktinische Nonne und spätere Äbtissin hatte viele Fähigkeiten, nicht nur Führungsqualitäten sondern auch Forschergeist. Sie gilt bis heute als Universalgelehrte, eine Bezeichnung, die man nur wenigen Menschen zudenkt, u.a. auch Leonardo da Vinci.

Bekannt ist Hildegard von Bingen heute besonders wegen ihrer biologischen, pharmazeutischen und medizinischen Erkenntnisse. Die  Kloster- und Hildegard-Medizin boomt seit einigen Jahren. Durch ihre naturkundlichen Erkenntnisse über die Heilwirkung von Pflanzen und Kräutern wird sie heute teilweise auch als erste deutsche Ärztin bezeichnet.

Was veranlasste diese Frau sich gegen die Mächtigen durchzusetzen und den Kranken zu helfen? Sicher war es zu einem großen Teil ihrer christlichen Nächstenliebe geschuldet. Sie sah wohl ihren göttlichen Auftrag darin. Auch heute noch gibt es viele Menschen, insbesondere nach wie vor Frauen, die ihre “Berufung” im Helfen und Heilen sehen.

Warum bin ich als Krankenschwester angetreten? Auch ich wollte helfen, etwas Gutes tun, mit Menschen arbeiten und für die Hilfebedürftigen da sein. Ich machte meine Ausbildung Mitte der 80ziger Jahre in einem kirchlichen Krankenhaus. Wir Schülerinnen hatten damals noch Zeit um für die Privatstationen Servietten zu falten und eine Zweitausbildung in Floristik zu absolvieren. Ich lernte, dass man Rosen in kalten Wasser baden muss, damit sie länger halten, aber auch, dass ein kleiner Schuss Desinfektionsmittel im Wasser mich von der lästigen Pflicht der Blumenpflege am nächsten Tag befreite. Das war damals meine Art mich gegen eine “mächtige” Stationsschwester durchzusetzen.

Ich lernte aber auch, besonders von den Ordensschwestern, wie man Patienten versorgt, sich ihnen zuwendet – ihnen begegnet, in Angst, Schmerz und Not. Vielleicht haben Frauen dafür tatsächlich eine besondere Wahrnehmung, vielleicht ist es aber auch der Tradition geschuldet, dass es überwiegend Krankenschwestern gibt, obwohl die Zahl der männlichen Auszubildenden erfreulicherweise jährlich steigt.

Was sich auch verändert hat, ist die Zeit, die man für die Patienten hat. Falldichte, DRG’s, Verweildauer, Drehtürefekt, blutige Entlassungen – all das sind beherrschende Vokabel im Alltag des Krankenpflegepersonals. Da ist schon lange keine Zeit mehr für Blumenpflege, aber leider auch oft nicht für Gespräche oder einfach mal zuhören und da sein. Das stört uns Krankenschwestern selbst am allermeisten. Denn dafür sind wir doch ursprünglich einmal angetreten -  als Universalgenies in Sachen Helfen. (Berufs-)politisch muss sich Vieles ändern. Doch das können wir nur selber, denn sonst bestimmen Andere für uns. Auch wir sind, wie Hildegard von Bingen, aufgerufen uns gegen die Mächtigen durchzusetzen und unsere Anwaltschaft für die Nöte der Patienten wahrzunehmen, um ihnen das zu gewähren, was Begegnung ausmacht: Würde, Zeit und Achtung.

(Foto: Abtei St. Hildegard in Eibingen., von Ralf Kohröde)