Himmelsgarten (Bamberg)

Wenn man durch den Torbogen auf das Gelände des ehemaligen Benediktiner Klosters geht (heute ist dort ein Seniorenheim), ist man außer Atem, denn der Weg ist relativ steil. Sankt Michael oder der Michelsberg, wie er liebevoll genannt wird, liegt auf dem höchsten Hügel von Bamberg und wird deshalb oft fälschlicherweise mit dem Dom verwechselt, der tatsächlich nur wenige hundert Meter entfernt, aber etwas niedriger, auf einem anderen Hügel liegt.

Die im Kern romanische Kirche, die um 1015 gegründet, aber mehrfach zerstört wurde, hat heute eine barocke Außenfassade und eine gewaltige Treppe mit vorgelagerter Terrasse. Das lässt St. Michael ein bisschen wie ein Schloss aussehen. Verstärkt wird dieser Eindruck von dem breiten Weg der direkt auf die Treppe und das Portal zustrebt. Die Seiten sind gesäumt von einem Bibelgarten, mit Sträuchern, Kräutern und Blumen, die schon in der Bibel erwähnt werden. Ich finde es schön, dass manche Dinge die Zeit (2000 Jahre!) überdauern.

Wenn man aus dem Sonnenlicht in die Kühle des Kircheninneren kommt, richtet sich der Blick ja eigentlich durch den Mittelgang auf die gewaltige Kanzel und prächtigen Altäre. Aber unweigerlich wird der Blick nach oben gezogen und man sieht über sich (im Gesamten Mittelschiff und in beiden Seitenschiffen) eine wunderbare Fortsetzung des eben erst gesehenen Bibelgartens: Das Herbarium – den Himmelsgarten. Man fühlt sich wie in einer Laube und die Vielfalt und Farbenpracht ist überwältigend. Kräuter, Blumen, Obst (Ananas, Granatäpfel) und sogar Vögel sind in einer verblüffenden Vielfalt zu sehen. Insgesamt sind es fast 600! Fast alle Pflanzen sind in blühendem oder Frucht tragendem Zustand abgebildet und sie sind naturgetreu in Form und Farbe wiedergegeben. Die Gemälde wurden 1617 fertig gestellt und beinhalten sogar schon Pflanzen, die erst im 16. Jahrhundert in Deutschland bekannt wurden (Flieder, Jasmin und Goldregen.) Die Detailtreue und die Farbenpracht ist überwältigend und ich kann mich schier nicht satt sehen, und weiß, dass ich wie jedes Mal eine Genickstarre haben werde, wenn ich den Michelsberg verlasse. Trotzdem ich liebe diesen Himmelsgarten sehr.

Das ist aber nicht das einzig Bemerkenswerte an St Michael. In der Krypta befindet sich das Grab des Bischofs Otto, der 1189 heilig gesprochen wurde. Es ist ein Hochgrab, das über einen Durchschlupf verfügt. Gläubige wollten der Reliquie ganz nahe sein und durch ihre gebückte Haltung ihre Verehrung zeigen. Noch heute gehen viele Pilger in gebückter Haltung unter dem Grab hindurch. Es soll von Rückenleiden befreien. Der Durchlass ist allerdings nur etwa hüfthoch und man muss sich tief beugen, um hindurch zu kommen. Ich habe es selber versucht, in der Hoffnung, dass auch andere Krankheiten geheilt werden. Wer dort durchkrabbeln kann, hat sicher kein Rückenleiden!

Durch die hellen Farben und die bunten Deckengemälde wirkt die Kirche sehr licht, was durch die üppigen Goldaltäre, die allesamt ein Kunstwerk für sich sind, noch unterstützt wird. Die Kirche mit dem Himmelsgarten ist für mich eine der schönsten Kirchen, die ich gesehne habe. Und ich war schon in einigen großen und berühmten europäischen Kirchen (Florenz, Rom, Paris, Madrid, London, Edinburgh usw.). Dieser durchbetete Kirchenraum taucht oft in meinen Träumen auf und lässt mich dann voller Sehnsucht nach meinem Bamberg wach werden.

Schweden – Abba schön

The winner takes it all, Dancing Queen, Honey Honey, SOS, Super Trouper. Wer wie ich seine Teenie – und Partyzeit in den 80zigern hatte, kann diese Lieder noch immer auswendig. tatsächlich komme ich nicht umhin, diese Lieder zu summen, als ich an der Küste oberhalb von Göteborg entlang fahre um die Schären zu erreichen. Orust und Tjörn sind die Ziele. Schären sind kleine Inseln, die in der Eiszeit entstanden sind und vom Eis abgeschliffen wurden. Sie können wenige Quadratmeter bis zu einigen Quadratkilometern groß sein. Orust ist z.B. die drittgrößte Insel von Schweden und 345 km² gross.

Der Himmel ist bedeckt als ich mit dem Auto über die Brücke nach Tjörn fahre. Die Insel erst einmal liegenlassen, so lautetet eine Empfehlung von Freunden, die schon mehrfach da waren. Allein die Fahrt durch das Inselinnere ist spektakulär. Gefühlt ist es sehr gebirgig, aber das Navi zeigt nur Höhen bis 150 m über NN an. Die Felsen sind alle sehr glatt und es ist karg. Keine Bäume oder Sträucher nur gelbe Flechten klammern sich an die grauen, leicht marmorierten Steine. Überhaupt wirkt alles sehr farblos und etwas schummerig, was aber an dem fahlen Licht liegt. Als die Sonne etwas später durch die Wolken bricht explodieren die Farben. Der kleine Ort an der Küstenseite hat viele entzückende weiße, rote und blaue Holzhäuser. In der “Oberstadt” stehen überwiegend weiße, moderne Häuser, die mit schwerem Gerät in die Felsen gebaut wurden. Scheint eine Preisfrage zu sein, wo man hier wohnt.

Ich gehe Richtung Hafen und sehe einen Leuchtturm, zu dem man über die Felsen laufen kann. Ich bleibe auf der Hälfte des Weges stehen, finde einen “bequemen” Felsen und lasse die Kulisse auf mich wirken. Immer wieder fahren kleine Fischerboote raus, Möwen kreischen und es ist keine Menschenseele zu sehen. Der Himmel reißt immer weiter auf und es ist angenehm warm, da auch kaum Wind weht. Ich merke, dass mein Herzschlag langsamer wird. In mir kehrt Ruhe ein. Selbst die Abba Melodien verstummen. Ich spreche ein Gebet und bleibe eine ganze Weile an diesem Ort sitzen.

Irgendwann bekomme ich Hunger und mache mich auf die Suche nach einem Kiosk oder Café. Es gibt einige am Hafenbecken, aber die haben alle zu. Es ist Wintersaison. Ein älterer Mann mit blonden Locken, die unter einer blauen Strickmütze hervor schauen, spricht mich auf Schwedisch an, als er von einem Segelboot herauf klettert. Er hält mich offensichtlich für eine Schwedin. Auf Englisch erzählt er, das nur 150 Menschen im Winter hier sind. In den Sommermonaten kommen die Stockholmer und Göteborger Besitzer der schicken Häuser, die so ab 500000€ kosten. Mein Traum von einer kleinen Hütte auf Orust zerplatzt. Ich beneide ihn um sein Segelboot, aber er winkt ab und sagt, dass er eigentlich viel lieber mit seiner Harley auf Orust unterwegs ist. Ich muss schmunzeln – habe ich es doch gewusst! Er gibt mir noch einen Tipp wo evtl. ein ICA (schwedischer Lebensmittelladen) offen ist und wünscht mir einen schönen Aufenthalt. Mir kommen die Menschen hier irgendwie freundlicher vor, aber das mag auch an meiner positiveren Grundstimmung liegen.

Ich finde den offenen Laden. Dort gibt es alles, was man zum Überleben braucht. Zeitgleich höre ich Kirchenglocken und erinnere mich, dass ich einen Kirchturm gesehen habe. Schnell treffe ich auf eine relativ große, aus hellen Steinen gemauerte Kirche. Unterhalb der etwa 20 Stufen stehen 2 rote Rollatoren und ich frage mich, wie deren Besitzer in die Kirche gekommen sind, da es weder Rampe noch einen anderen Eingang gibt. Ich werde dieses Rätsel nicht lösen und trete in die helle freundliche und lichtdurchflutete Kirche ein. Eine Frau mit einer Kaffeekanne spricht mich wieder auf Schwedisch an und ich frage auf Englisch, ob ich für einen kleinen Moment in die Kirche schauen darf. Sie lacht und nickt. Es riecht verführerisch nach Kaffee und Kuchen und in einem durch Glas abgetrennten Raum sehe ich eine gedeckte Kaffeetafel, mit lachenden, blonden Menschen aller Generationen.

Ich bin überrascht, dass hier im Vorraum der Kirche offensichtlich ein Familiengeburtstag stattfindet und habe nur einen kurzen Blick für das Innere der Kirche. Eigentlich interessiert mich sonst immer die Kirchenkunst, aber irgendwie zieht es mich wieder an den Eingang, bzw. in den Vorraum, der mit einer hellen Küchenzeile ausgestattet ist, zurück. Ich muss an das Abendmahl Bild von Leonardo da Vinci denken, an die vertrauensvolle Gemeinschaft und die Verbundenheit. Das erkenne ich in der Szenerie hier im Vorraum der Kirche auch und freue mich einen Herzschlag lang mit einbezogen zu sein, denn Einige nicken mir freundlich zu. Dann fühle ich mich wie ein Eindringling und gehe schnell hinnaus. Ich will nicht stören.  Eine Familie zu haben ist toll. Ich denke an meine und habe wieder Abba im Ohr:…the winner takes it all…