Lebens-Navi

Kürzlich saßen wir, wie so oft, mit unserem engen Freundeskreis – bestehend aus vier Paaren – bei geselliger Runde zusammen. Das ein oder andere Glas Frankenwein wurde verkostet und es gab ungesunde Knabbereien, Kaffee und viel Gelächter. Das Besondere an dieser Runde ist, dass wir alle unsere “Eigenarten”, sehr unterschiedliche Lebenswege und Berufe haben, uns aber eine sehr enge, vertrauensvolle und tragfähige Freundschaft verbindet.

Jeder hat aus seinem Alltag Begegnungen oder lustige Begebenheiten erzählt und wir lachten laut und viel. Irgendwann kamen Themen wie die weltpolitische Gesamtlage,  Wirtschaftswachtum und religiöse Weltanschauungen auf den Tisch. Das ist eine weitere Besonderheit an unserem Freundeskreis. Kein Thema ist vor unserer analytisch, mehr oder weniger fachlichen, nicht immer objektiven aber ehrlichen Diskussion sicher.

Ein Freund erzählte von einer Beerdigung, die ohne religiösen Hintergrund statt gefunden hatte. Oder doch nicht? Denn die Frage nach dem “Danach” war wohl trotzdem präsent. In diesem Zusammenhang fiel der Begriff “Orientierung” und unser Freund, ein gläubiger Christ, “erfand” das “Lebens-Navi”…. Die Diskussion wechselte dann irgendwie die Richtung und wir waren bei anderen Themen.

Erst später, bei meinen üblichen Spaziergängen mit meinem Hund Rala, dachte ich intensiver darüber nach. Ein “Lebens-Navi” passt gerade gut in meine jetzige Lebenssitutaion. Jeder kennt wohl Zeiten, in denen man sich ein bisschen orientierungslos fühlt. Man wünscht sich eine Karte oder eben ein Navigationssystem, das einem den Weg zeigt.

Dienstag erscheint mein neues Buch. Darin geht es auch um Orientierung. 8 Frauen und Männer erzählen, wie sie ihren Weg durchs Leben trotz einer chronischen Erkrankung gefunden haben. Und ohne zuviel verraten zu wollen, gab es einen Wegweiser, der so alt wie einfach ist: Glaube, Liebe, Hoffnung.

Für mich war Hoffnung ein wichtiger Anker, mein Herz gehört meinem Sohn und meinem Mann, meiner Familie und meinen Freunden. Der Glaube hat mich durch schwere Zeiten getragen und in der jetzigen, sehr guten Zeit, die ich erleben darf, gehört der Glaube ebenso zu meinem Alltag.

Ich habe keinen sehr guten Orientierungssinn. Mein Fahrlehrer malte mir als ich mit 18 Jahren den Autoführerschein machte, sogar ein “R” und ein “L” auf meinen jeweiligen Handrücken, da ich grundsätzlich in die entgegen gesetzte Richtung abbog. Das war damals noch ein analoges Navi…. aber mit dem Lebens-Navi “Glaube, Liebe, Hoffnung” komme ich jetzt überall hin.

Elphi, Zeit und Currywurst

Als Kind fand ich “Familienausflüge” langweilig bis ätzend (das dann im Teenageralter). Irgendwelchen kulturellen Kram angucken, Berge erwandern um dann hinterher feststellen zu müssen, dass es auch einen Sessellift gegeben hätte, mit meinen Eltern durch Städte laufen ohne gleichaltrige coole Freundinnen oder Freunde…. Einfach öde – so empfand ich es damals, als ich Zeit für eine unbegrenzte Selbstverständlichkeit hielt.

Ich hatte ja auch keine Wahl, denn natürlich legten meine Eltern das Programm fest. Ich wurde natürlich auch mal gefragt, aber die Vorschläge die ich hatte, waren nicht sehr kompertiebel mit den Vorstellungen meiner Eltern für einen pädagogisch wertvollen Familienausflug.

Jetzt war es umgekehrt. Ich nötigte meine Eltern geradezu ihren Enkel mal in seiner Studienstadt zu besuchen und sich parallel dazu die kulturellen Highlights die es dort reichlich gibt in natura in Augenschein zu nehmen.

Nach einem leckern Mittagessen fuhren wir durch die Innestadt (was schon ein Abenteuer an sich ist, weil Grosstadtrambos mit Angeberautos immer Vorfahrt haben, auch wenn die Ampel rot ist) zur sagenumwobenen Elphi. Natürlich kannten wir sie aus den Medien, aber sie ist tatsächlich imposanter als ich dachte. In dem hypermodernen, hellen, mit breiten Parkbuchten (für Grosstadtrambos mit Angeberautos, die nicht einparken können) ausgestatteten Parkhaus fanden wir entgegen allen Befürchtungen sofort einen Parkplatz (Als wir wiederkamen, waren wir in Besitz desselbigen, so hoch waren die Parkgebühren!)

Also erstes wurde uns mitgeteilt, das mein Hund Rala schon mal nicht mit auf die Plaza durfte. Also schickte ich meine Eltern mit Enkel über die “größte Rolltreppe Europas” alleine dorthin. Ich ging derweil mit meinem Hund an der Promenade entlang und wunderte mich sehr. Ich war zum Glück gut gesättigt, sonst wäre ich wohl in Versuchung gewesen eine Currywurst für 9,50€ zu kaufen… (und die war nicht mal vegetarisch/vegan…).

Die meisten der Spaziergänger waren gut gelaunt und offensichtlich geneigt viel Geld für Kaffee, Eis und Currywurst aus zu geben. Ich genoss den Ausblick auf den Hafen, die hypermodernen Gebäude und das Wissen, bald wieder in meiner (spiessigen) überschaubaren und gemütlichen Kleinstadt zu sein.

Der Besuchertrupp, den ich auf die  Plaza geschickt hatte, kam begeistert zurück. Die Augen meiner Eltern strahlten, sie lachten und scherzten mit ihrem Enkel, der lebhaft gestikulierte und erzählte. Dieses Bild hat sich auf meiner persönlichen Festplatte eingebrannt. Und keine noch so aufwendige Architektur (obwohl sie wirklich sehenswert ist!) noch eine Schickimicki-Currywurst, noch Parkplatz-Reichtum können dieses zeitlose, herzerwärmende Bild  in meinem Herzen toppen. Wahrscheinlich wird die Elphi meine Eltern, mich und wahrscheinlich auch meinen Sohn überdauern. Aber die geschenkte Zeit, die wir gemeinsam hatten, wird nicht vergehen. Sie ist und bleibt in unseren Herzen und niemand kann uns das nehmen.

Fazit: Steine sind nicht so zeitlos wie die Liebe zu seiner Familie.

Grün…

…. Ist die Hoffnung” sagt Pater Anselm, als ich ihn bei dem Interview frage, was er mit dieser Farbe assoziiert. “Und nicht, weil ich so heiße”, lacht er.

Ich hatte das große Glück Pater Anselm zu meinem neuen Buch interviewen zu dürfen und er traf sofort mit seiner Aussage ins Schwarze – nein, ins Grüne! Nicht nur, dass es meine Lieblingsfarbe ist, sondern auch, dass ich mindestens zwei meiner Bücher mit Verweisen auf die Farbe grün begonnen habe.

Hildegard von Bingen schrieb von der Heilwirkung der “Grünkraft” – der “viriditas”:…  Die grüne Lebenskraft, nicht nur als Farbe, sondern als ein Wesensmerkmal des Lebens überhaupt. Ohne Grün können wir nicht leben. Das gilt nicht nur für das biologische Grün, sondern für alle Bereiche des Lebens, bis in das Geistige und Religiöse hinein.” Sie empfahl, “ins Grüne zu schauen”, um die Augen wieder glänzend zu machen (tatsächlich erhöht die Farbe Grün den Augeninnendruck und fördert so die Produktion von Tränenflüssigkeit bzw. um zu entspannen (deshalb nutzte man früher grüne Schultafeln). Die Farbe Grün hat auch in den Weltreligionen eine besondere Bedeutung. Im Islam ist es die Farbe des Propheten Mohammed. Im Christentum die Farbe der Erneuerung. In China wird die Farbe Grün dem weiblichen Yin (dem empfangenden Prinzip) zugeordnet. Im alten Ägypten schrieb man dem grünen Halbedelstein Malachit heilende Kräfte zu, ebenso wie dem grünen Smaragd (vgl. “Zwischen Todesangst und Lebensmut”, S. 7 und 8).

Aus diesem einen einleitenden Satz entspann sich dann ein hochinteressantes und sehr lebendiges Gespräch über Hoffnung (es wird im neuen Buch nachzulesen sein) und ich hatte nicht das Gefühl ein Interview zu führen (obwohl ich mich natürlich sehr gut vorbereitet hatte), sondern eher ein tiefes, anregendes Gespräch. Die vereinbarte Zeit verging wie im Flug. Ich habe nur wenige Notizen gemacht, weil ich lieber zuhören wollte und mich ganz auf das Gesagte von Pater Anselm konzentrierte. Denn jemand wie er hat in nur einem Satz soviel zu sagen, dass man daraus schon ein ganzes Buch machen könnte.

Es war jedenfalls eine großartige Erfahrung für mich und als ich mich von Pater Anselm verabschiedet hatte, ging ich noch völlig in Gedanken den Weg durch das riesige Gelände der Münsterschwarzacher Abtei zurück zum Verlag, der sich ebenfalls auf dem Gelände befindet. Wer zufällig mal in der Nähe ist, sollte sich unbedingt einen Abstecher dorthin gönnen. Die vier Türme der Abtei sieht man schon von der Autobahnabfahrt. Der wunderschöne Buchladen verleitet zum kofferweise Wegtragen von Büchern, Eine-Welt Produkten und selbstproduziertem Schmuck. Der Klosterladen bietet eine Reihe von sehr leckeren, gesunden und selbstproduzierten Lebensmitteln (Backwaren, Wein, Käse und Wurst und viele andere Spezialitäten).

Das Gelände ist also entsprechend groß, da es viele Betriebsstätten gibt und da ich erstens noch in Gedanken versunken war und ich zweitens sowieso einen extrem schlechten Orientierungssinn habe, verlief ich mich prompt und landete vor einer Halle mit landwirtschaftlichen Geräten. Hinter mir hielt ein Trecker und der Fahrer beugte sich lachend aus dem Fenster und fragte im tiefsten, wohlklingendem Fränkisch, ob ich denn den gesuchten Weg gefunden hätte. Er hatte mich also schon länger beobachtet, wie ich etwas orientierungslos durch die Gegend lief.  ”Doo um des grrüne Dor herrrum is’ der Verlooch…”

Aha, nochmal die Farbe Grün und glücklicherweise verstehe ich durch meine mittlerweile schon jahrzehntelange Verbundenheit die wunderbare fränkische Mundart sehr gut und fand meinen Weg…