Graue Haare

Als Kind nannte man mich manchmal “Rote Zora/Cora”, – was mich maßlos ärgerte –  ”Karrottenkopf”, “Rotkohl” oder einfach “Rotschopf”. Tatsächlich war ich als Kind/Teenager richtig rothaarig. Das ist sehr selten! In Irland und Schottland ist es häufiger und es gibt richtige Events für “Red Heads”.  Mit den Jahren wurde ich immer heller (haha) – also blonder. Ich fand das gut und unterstützte diesen Vorgang mit etwas Chemie.

Ich trug meine Haare immer lang. Einen richtigen Kurzhaarschnitt hatte ich nie. Aktuell trage ich einen sogenannten “Bob”. Und ich fand meine Haare immer schön. Darüber, dass sie sich verändert haben (von sehr glatt zu ziemlich lockig), habe ich ja schon mal geschrieben – jetzt geht es aber um die farbliche Veränderung.

Ich werde dieses Jahr 50. Bei einem meiner vielen Untersuchungstermin fragte mich die Ärztin: “Ah, wir sind derselbe Jahrgang…. Ich werde auch 50… und ich finde das furchtbar! Ich hatte ein “Sch…-Jahr und ich glaube es geht weiter bergab.” Ich musste grinsen. “Wie finden Sie das denn?”, fragte sie mich. “Naja,” antwortetet ich, “für mich sah es eine ganze Zeit so aus, als würde ich meinen nächsten Geburtstag, geschweige denn meinen 50-zigsten gar nicht erleben… Also… ja, ich finde das toll und freue mich darauf! Sie sind doch eine tolle Frau, erfolgreich mit einer eigenen großen Praxis und mit einer tollen Ausstrahlung! Sie haben sehr viel. Nicht alles – aber wer hat das schon…”

Die sehr nette und sehr hübsche Ärztin schwieg einen Moment und sagte dann etwas zögerlich: “Ja, Sie haben eigentlich recht. Und Sie kommen natürlich aus einer ganz anderen Ecke… Ich kann verstehen, dass für Sie in Ihrer Lebenssituation jedes neue Lebensjahr ein Geschenk ist…”.

Ich denke oft an die Ärztin und frage mich, ob sie ihren Blickwinkel verändern konnte… Ich werde sie fragen, wenn ich sie in ein paar Monaten wiedersehe.

Aber zurück zu den grauen Haare. Kürzlich erschien die Biografie eines bekannten Entertainers – “Herbstblond”. Ich habe sie nicht gelesen, aber meinem  Vater zu Weihnachten geschenkt. Mir gefiel das Wort auf Anhieb. Nun habe ich ja berufsbedingt eine Affinität zu Worten, aber das finde ich besonders schön und habe es sofort für mich verbucht. Trifft es doch auf mich, wie ich vor dem Spiegel festgestellt habe, absolut zu. Herbstfarben liebe ich sehr (auch darüber gibt es ja schon diverse Blogs von mir) und das mit dem Herbst es Lebens… Naja, das passt eigentlich auch…. Wobei – Herbst dann ab 60?!

Erstmal egal. Ich habe mir früher oft vorgestellt mal eine Großmutter mit einem Dutt aus weißen Haaren zu werden. Das hat sich erledigt, da dazu meine Haare jetzt zu kurz sind, mir ein Dutt gar nicht steht und ich auch noch gar keine Enkelkinder habe (aber hoffentlich irgendwann schon). Viele meiner Freundinen sind in einem ähnlichen Alter wie ich – einige ein paar Jahre jünger, einige älter. Und auch sie stellen sich der “grauen Thematik” – und das sehr unterschiedlich. Eine Freundin hat konsequent auf Färbemittel verzichtet und ist schon seit einigen Jahren richtig grau. Und ich muss sagen, es sieht toll aus! Viel besser als vorher!

Da bin ich noch nicht! Ich habe in ein paar Tagen einen Friseur-Termin und ich werde mir an den relevanten Stellen einige Strähnchen verpassen lassen. Die Farbe wird noch nicht “Herbstblond”  heißen, bestenfalls “Spätsommer”….

Kloster im Herbst

Ich nehme mir mal wieder eine “Aus-Zeit”  bei den Benediktiner Mönchen der Priorei Damme (gehört zum Kloster Münsterschwarzach).

Das Schweigeseminar mit Pierre Stutz heißt ” Suchend sein” und beschäftigt sich mit den Gedichten, Gebeten und Geschichten von Rainer Maria Rilke….

Und obwohl ich schon einmal einen Blog über den Herbst mit einem Rilke Gedicht geschrieben habe, möchte ich Euch noch einmal damit ein wundervolles Herbstwochenende wünschen.

Nächste Woche werde ich berichte, was für Begegnungen ich im Kloster hatte.

Herbst

die Blätter fallen wie von weit,

als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andre an: es ist in allen.

und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

unendlich sanft in seinen Händen hält.

von R. M. Rilke

Herbstspaziergang

Herbst ist eine germanische Bezeichnung der Jahreszeit zwischen Sommer und Winter (herbista). Das bedeutet auch Ernte oder Zeit der Früchte.

Ich finde den Herbst kann man hören. Die Blatter rauschen im Wind, Eicheln und Kastanien fallen herab, und es ist eine Zeit zwischen den Zeiten. Es wird irgendwie leiser in der Natur. Es riecht nach Abschied, die Stoppelfelder sind goldbraun und sogar schon ein bisschen darüber hinaus. Noch wärmt mich die Sonne, aber im Schatten ist es schon fast kalt und ich beeile mich wieder ins Licht zu kommen. Ich halte mein Gesicht in die wärmende Sonne und schließe die Augen und wünschte, ich könnte es speichern, so dass ich es in der dunklen Jahreszeit abrufen kann. Ich bemühe mich, nicht zu sehr die Abschiedsmelodie des Sommers zu hören, sondern das “Hier und Jetzt” zu genießen. Es fällt mir nicht leicht, weil ich weiß, dass mir die Wärme und das Licht fehlen werden.

Herbst, Erntezeit – Erntedank. Ein schönes Fest. Ich mochte es als Kind mit einem gefüllten Körbchen in die Kirche zu gehen und es auf den Altarstufen abzustellen. Die Früchte der Arbeit, die Ernte vor sich zu sehen ist doch etwas schönes. Sich darüber zu freuen, was man selber geleistet hat und dankbar sein, für das, was uns dazu geschenkt wurde. Sei es Regen und Sonnenschein, oder Kollegen aus unserem Team und unsere Talente.  Danke sagen, dass uns so viel gelungen ist und vielleicht teilen und abgeben, an die, denen nicht alles gelungen ist – die nicht so eine gute Ernte hatten.

Ein paar Blätter fallen vor mir herunter. Eines streift mein Haar. Ich musste in der Schule ein Herbstgedicht lernen, es fällt mir ein und ich freue mich, dass ich es noch auswendig kann:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten. Sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen, diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke)

Ich drehe um, und mache mich auf den Weg nach Hause.