Notfallseelsorge – Feuerwehr für die Seele?

Ich war eine Woche auf der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz, um die Ausbildung zur “Leitenden Notfallseelsorgerin” zu absolvieren.  Inhalte waren z.B. die FwDV 100, Stab, EL, taktische Einsatzplanung, IuK im Einsatz, Führungsfunktionen bei Großschadenlagen als FachberaterPSNV, MANV 1 -4 usw. (Ich erkläre bewusst nicht alle Abkürzungen… Wenn es Euch interessiert, lest es nach! Es lohnt sich!)

Wie bitte? Der Stundenplan war auf den ersten Blick für mich in einer mir unbekannten Fremdsprache verfasst und mir war sehr schnell klar, dass ich erst einmal Vokabeln lernen muss. Auch die Akademie bzw. die Unterbringung war mir fremd. Dort wurden und werden Lehrgänge für die Freiwillige Feuerwehr, aber auch für Berufsfeuerwehren abgehalten (Truppmann 1, Truppmann 2, Gruppenführer, Zugführer…). Es hatte einen kasernenähnlichen Charakter, allerdings mit moderner Ausstattung. Ein Schaubild hing über dem Bett, wie man sein abgezogenes Bett hinterlassen muss. Die Verpflegung war auch eher “männlich” geprägt. Viel Wurst, Fleisch und deftige Salate, kein Grünzeug! Und “Feuerwehr-Marmelade” (rohes Mett mit Zwiebeln!). Für mich als Vegetarierin also kein so üppiges Angebot. Tatsächlich waren aber auch ein Paar wenige junge Frauen in den Feuerwehrlehrgängen. Natürlich immer alle in Uniform.

Die ersten 2 Tage lernten wir dann auch überwiegend “Feuerwehr”, und das war sehr gut, denn das ist eine ganz eigene Welt, die u.a. auch von Befehlsketten und Gehorsam spricht. Ebenfalls fremd, macht aber aus meiner Sicht in Großschadenlagen durchaus Sinn. Da muss eben einfach sofort alles klappen und man kann nicht “basis-demokratisch” abstimmen, ob man den Brand lieber von vorne oder von der Seite löschen möchte. Dazu ist einfach keine Zeit. Sehr oft geht es um Menschenleben, wie ich in meinem letzten Einsatz selber erlebt habe. Da haben sich einige junge Männer mit Atemschutz in ein brennendes Haus begeben und ihr Leben riskiert, um andere zu retten!  Ich ziehe ganz tief meinen Hut! Respekt! Denn der Atemschutz wiegt alleine schon 15 kg und dann kommt noch die nicht gerade leichte Ausrüstung (Werkzeug, Lampe, Gurte) und natürlich noch Schläuche dazu! Und das bei einer Umgebungsthemperatur, die schnell mal über 100 Grad geht! Nach wie vor: Diese Freiwilligen sind meine Helden des Alltags!

Zurück zum Kurs: Die anderen 2 Tage ging es primär um unsere Organisation. D.h. wie setzen wir wann und wo in einer Großschadenlage unsere NFS (Notfallseelsorger) ein, was ist für die Hilfskräfte an “Nachsorge” nötig, was sind Prioritäten am Behandlungsplatz. Den meisten ist “Triage” ein Begriff. Heute wird überwiegend eine Kategorisierung nach rot, gelb, grün und blau vorgenommen – je nach Verletzungsgrad.

Der Freitag war “Prüfungstag” – wir mussten in einem Planspiel unser neu gelerntes Wissen in ein Szenario übertragen. Ein Nahverkehrszug mit 300 Personen ist in einer Kleinstadt entgleist. Unter den Opfern befand sich eine Schulklasse der örtlichen Grundschule mit 24 Schülern. 16 wurden  (zum Teil verletzt oder tot) gefunden. Die Bergungsarbeiten sind seit 30 min. angelaufen. Wir “übten” in Echtzeit und hatten 3 Stunden Zeit in Führungsstab unser Team zu alarmieren, zu informieren und zu koordinieren!

Ich hatte schon in der Übung eine Frequenz von mindestens 120, meinen Teamkollegen ging es nicht anders und der Ton wurde zeitweise etwas ruppig. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass es in einer realen Situation ganz schon zur Sache geht! Um so wichtiger Ruhe zu bewahren, sich auf sein Wissen und Können zu besinnen und dann mit sehr eindeutigen Ansagen die richtigen Entscheidungen zu treffen!

Fazit der Woche: Leibhaftige Helden, viel Fleisch, viel Inhalt, viel gelernt! Ich bin sehr froh, die Gelegenheit für so eine Ausbildung bekommen zu haben!

Helden des Alltags (Notfallseelsorge Teil I)

In meiner Kindheit gab es eine Zeichentrickfigur – der kleine Drache Grisu -  der unbedingt Feuerwehrmann werden wollte. Aber er entfachte dauernd selber ein Feuer durch seinen, für ihn nicht kontrollierbaren Atem. Ich möchte jetzt auch Feuerwehrfrau werden, auch wenn es vielleicht meine physischen Kräfte übersteigt. Denn die braucht man unbedingt, habe ich in der Ausbildungswoche Notfallseelsorge gelernt, in der wir auch eine Rettungsleitstelle und eine Freiwillige Feuerwehr besuchten.

Ich schäme mich! Ich habe mir nicht mal im Ansatz Gedanken darüber gemacht, was diese Jugendlichen, jungen Männer und Frauen und Erwachsene tatsächlich leisten! In meiner Familie habe ich alleine 4 Schwäger und 5 Neffen, die bei der freiwilligen Feuerwehr sind. Und zwar seit Jahren, bzw. Jahrzehnten. Ungezählt sind die Stunden, die mit Übungen und Schulungen, Wettkämpfen und Einsätzen verbracht werden. Atemschutz-Lehrgang, Gefahrstoff-Lehrgang, Unfallortsicherung, Bergungslehrgänge und, und und! Ein junger Feuerwehrmann berichtete, dass er im Sommer an mindestens 5 Tagen mehrere Stunden bei der Feuerwehr Dienst tut – nicht immer Einsätze hat, aber vor Ort Geräte wartet, aufräumt, trainiert.

Trainieren muss man wohl auch. Ein Atemschutzgerät mit Sauerstoffflasche wiegt bis zu 15 kg. Wer einmal eine Feuerwehrjacke in der Hand gehabt hat, weiss wie schwer alleine der Anzug ist. Dazu kommen Axt, Lampe und möglicherweise der Schlauch oder andere Gerätschaften. Da kommen schnell 50 – 70 kg zusammen, berichtete der junge Mann. Damit laufen sie möglicherweise 5 Etagen oder mehr hinauf und mit der doppelten Last herunter, falls sie ein Opfer finden und bergen! Und das unter Gefahr für das eigene Leben! Wahnsinn!

Damit nicht genug. Oft sind sie am Unfallort diejenigen, die Schwerstverletzte oder Tote aus zertrümmerten Autos bergen. Mit schwerem Gerät. Oder Leichen unter dem Zug herausziehen, wenn sich jemand suizidiert hat.  Oder bei “Großschadenslagen” (so heißt es in der Feuerwehrsprache) 20, zum teils verkohlte Leichen aus einem Bus bergen müssen (tatsächlich vor etwa 4 Jahren in der Nähe von Hannover passiert).

All diese Helfer haben noch ein “normales” Leben, mit Familie, Beruf und Freunden. Und in Ihrer Freizeit setzen sie ihre Kraft, Energie und Zeit für diese schwere Aufgabe ein. Nochmal – ich schäme mich, das bisher nicht entsprechend gewürdigt zu haben. Ich habe mir fest vorgenommen, jedes mal, wenn ich das Martinshorn der Feuerwehr höre, ein Gebet für diese, oft ungesehenen Helden des Alltags zu sprechen. Denn das sind sie ab sofort für mich Menschen, die sich ehrenamtlich für die Rettung anderer Menschen einsetzen und dabei oft ihr eigenes Leben riskieren.

Respekt und Dank!