Schlüsselschrank

Kürzlich waren wir bei meinen lieben Schwiegereltern zu Besuch. In ihrem großen Flur steht eine Kommode, auf der schon ein bisschen Weihnachtsdeko stand. Daneben ein Stapel Briefe, der zur Post gebracht werden wollte, eine Brille und mindestens drei Schlüsselbunde an verschiedenartigen Anhängern. Mein Mann Ralf legte sein Schlüsselbund ebenfalls daneben. Alle Besucher machen das, denn dann muss man wenigstens nicht hektisch danach suchen, wenn man wieder los will. Das kennen wir alle, denke ich, nur zu gut…. Man will aus dem Haus und das Suchen fängt an. Ich habe (natürlich) einen pinkfarbenen Schlüsselanhänger, auf dem “Carpe diem” steht und einen Schutzengel mit Glitzerstein von meinem Sohn Malte.

Spaßhaft sage ich oft, dass an diesem Schlüsselbund “mein halbes Leben” hängt. Haustürschlüssel, Fahrrad- und Autoschlüssel, Garagenschlüssel und der Haustürschlüssel vom Elternhaus. Das ist einerseits natürlich Quatsch, denn mein “halbes” Leben hängt mit Sicherheit nicht von diesen Schlüsseln ab. Andererseits symbolisiert mein Schlüsselbund aber dennoch wesentliche Teile meines Lebens. Meine Herkunft, meine Mobilität, mein zu Hause/meine Heimat, meinen Glauben und mein Lebensmotto.

Als ich die verschiedenen Schlüssel auf der Kommode meiner Schwiegereltern sah, musste ich lachen und ich fragte mich ob jeder “seinen” Schlüssel greifen würde… “Du meine Güte, so viel Schlüssel… findet ihr da noch zurecht?” fragte ich meine Schwiegermutter. Jetzt musste sie lachen und sagte: …das ist doch noch gar nichts….” und winkte mich ein Stück die Treppe hinauf. Dort befindet sich ein Wandschrank. Sie öffnete ihn und es kamen mehrere Leisten mit diversen Schlüsseln zum Vorschein.

Jeder ihrere vier Söhne, Nachbarn und Freunde hatten bei ihnen ihre Zweit- oder Drittschlüssel hinterlegt… für den Notfall, falls man sich versehentlich mal ausgesperrt hat, oder der Hund gefüttert werden muss, wenn man mal nicht da ist, oder die Blumen versorgt werden müssen. Auch von unserem Haus hängt ein Schlüssel dort. Und meine Freundin Ulrike, die in meiner Nähe wohnt, hat einen Schlüssel…. Für den Notfall.

Die Weitergabe von Schlüsseln hat viel mit Vertrauen zu tun. Den Schlüssel für mein Zuhause (oder für mein Herz) gebe ich nur einem Menschen, dem ich absolut vertraue, bei dem ich sicher bin, dass mit dem Schlüssel kein Mißbrauch betrieben wird. Und bei dem ich weiß, dass er gut darauf acht gibt.

Bei dem Anblick der vielen verschiedenen Schlüssel (im ebenfalls verschließbaren Schrank) meiner Schwiegereltern musste ich lächeln. Ja, ihnen kann man bedingungslos vertrauen, mein “halbes Leben” ist sicher und gut verwahrt. Ich muss nicht suchen, denn ich weiß, wo ein Ersatzschlüssel ist…

Fazit: Wer liebt, hat den Schlüssel zur letzten Wahrheit gefunden; wer hasst, steht vor dem nichts. Martin Luther King