Mutanten

Vor einem Jahr hätte ich bei dem Wort noch an das Marvel-Universum und die X-Men gedacht.
Das Wort kommt von dem Lateinischen „mutare“ und meint „verändern„ oder „verwandeln“.

Das klingt gut, finde ich. Wenn sich etwas verändert, bewerte ich das als positiv. Das mag natürlich im Auge des Betrachters liegen. Wenn sich „etwas“ oder wir „Menschen“ uns nicht verändern würde, hätten wir uns wohl kaum  in der Vergangenheit den wechselnden Umweltbedingungen anpassen können. Evolution wäre nicht möglich gewesen und wir würden wohlmöglich noch auf Bäumen hocken.

Als ich 25 Jahre alt war, dachte ich, ich sei jetzt „fertig“. Ich fühlte mich sehr erwachsen, stand fest mit beiden Beinen im Berufsleben und hatte eine stabile Beziehung. Nichts davon ist heute noch so. Das ist gut. Stillstand ist Rückschritt. Ich „mutierte“ zur Ehefrau, zur Mutter, zu einer Akademikerin, zu einer alleinerziehenden Frau, zu einer Totkranken, zu einer Berufsunfähigen.  Das waren bisher in etwa meine Mutationen. Ich habe keine Ahnung was noch an Veränderungen kommt. Ich bin gespannt. Einige werden mir vielleicht nicht gefallen andere werden mein Leben verbessern. Ich werde es so oder so nicht aufhalten können.

Wenn wir heute von Mutanten sprechen meinen wir wahrscheinlichB.1.1.7 (britische Variante) oder B1.351 (südafrikanische Variante), oder P1 (brasilianische Variante)…. Das Leben ist seit Anfang 2020 ein Anderes geworden. Wir haben neue Worte gelernt, mussten unseren Lebensraum (durch diverse Lockdowns) verändern und wir haben unser Verhalten anpassen müssen: weniger Mobilität, weniger Umarmungen, weniger soziale Kontakte, Masken tragen, Abstand halten.

Neu. Schmerzhaft. Vielleicht und hoffentlich nicht von Dauer.  Danach werden wir wieder Veränderungen erleben. Vielleicht werden wir auch einiges davon beibehalten. Z.B. fand ich „Hände schütteln“ schon immer doof. Entweder umarme ich die Menschen oder sage nur „Guten Tag“. Schon in meiner Ausbildung zur Krankenschwester lernte ich, dass Hände schütteln ALLES überträgt… Pest, Pocken, Cholera und Corona…! Also bitte: umarmt Euch, wenn wir das alles hinter uns gelassen haben!

Im Marvel-Universum sind die X- Men/Women Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Aus Erfahrung kann ich sagen, das auch aus meinen Mutationen besondere Fähigkeiten entstanden sind: Resilienz, Durchhaltevermögen, Humor, Mut und Liebe zum Leben. Keine schlechte Bilanz!
Ich bin keine Virologin, deshalb kann ich nicht einschätzen, was die Mutanten des Virus für uns genau bedeuten. Ich hoffe auf Positives. Vielleicht zeigt es uns hier seine verletzliche Seite und die vielen klugen Wissenschaftler können das Virus knacken….

Es ist eigentlich auch egal, was wir von Mutationen halten. Sie werden stattfinden, ob wir sie wollen oder nicht…. das Leben findet seinen Weg. Darauf hoffe ich!

Gott würfelt nicht

Leonardo! Nein, nicht da Vinci, sondern Fibonacci – beschreibt mit einer Zahlenfolge Wachstumsvorgänge in der Natur, z.B.  bei Kranichen und Spiralen von Schneckenhäusern. Ich habe bei Wikipedia nachgelesen und habe jede Menge mathematische Formeln gesehen und schnell wieder weg geklickt…. Ich las aber noch von “goldenen Schnitt”. Jeder kennt die Zeichnung von dem anderen Leonardo: ” Der vituvanische Mensch”… (Quadrat, Kreis, darin eine anatomische Zeichnung eines Menschen). Der Begriff “Fraktal” wurde von dem Mathematiker B. Mandelbrot geprägt. Das ist ein Begriff, der bestimmte natürliche oder künstliche Gebilde oder geometrische Muster bezeichnet, dessen Objekt aus mehreren verkleinerten Kopien seiner selbst besteht….

Genug! Hier ist mein Verstehen an einer unüberwindbaren Hürde angelangt…. wer das Thema vertiefen möchte nehme ein “kurzes” Studium der Mathematik auf sich…

Mich begeistert daran, dass die “Natur” Dinge hervorbringt, die berechenbar sind…. was mir/meinem Glauben beweist, das Gott eben nicht gewürfelt hat, sondern sich mehr als ich jemals verstehen könnte “etwas” dabei gedacht hat, als er so wunderbare Wesen wie Buckelwale, Antilopen, Bienenvölker und Hunde erschuf. OK…. als er Zecken erschuf hatte er vielleicht den Auftrag an einen Praktikanten outgesourfed…

Wie viele Menschen in meinem Alter habe ich in meinem Leben schon einiges hinter mir. Bei den schönen Geschehnissen, war ich glücklich und dankbar. Bei den Negativen (wobei die Frage ist, ob sie wirklich negativ waren… denn Vieles wendete sich zum Guten…) haderte ich und fragte mich nach dem “Warum”???

Hatte ich etwas falsch gemacht und wenn ja, wurde ich nun dafür “bestraft”?, War es “Zufall”, Absicht oder einfach Schicksal. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich für mich eine Antwort fand. Und die hat dann wieder mit der Eingangsbetrachtung zu tun: Wachstumsvorgänge (von mir) erfolgen nach einer für mich nicht verstehbaren Formel, aber es steckt eine “Logik”, eine Formel und ein Sinn dahinter. Denn tatsächlich ist aus wirklich jedem “Schicksalsschlag” der mich traf etwas wirklich Gutes, etwas Wunderbares entstanden.

Offengestanden erkannte ich das natürlich nicht sofort und die Frage ob nicht auch etwas einfacherer Weg zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hätten, stellte ich mir mehr als einmal. Überraschung: keine Ahnung!

Ich finde den Gedanken sehr tröstlich, dass alles einem “größeren Plan” folgt, auch wenn ich ihn nicht auf Anhieb gut heiße oder gar verstehe. Ich glaube, dass wenn es Würfel gegeben hätte, sie nach einem bewussten Plan geworfen wurden. Das lässt mich ruhig schlafen.

Das hat nichts damit zu tun, das wir Marionetten an einem Faden sind. Wir haben immer eine Wahl uns zu entscheiden. Gehe ich nach links oder rechts? Bleibe ich einen Moment stehen oder gehe ich einfach gerade aus weiter. Manchmal ging ich rückwärts – und das ist auch nicht schlecht, denn dann hat man/frau eventuell eine bessere Perspektive auf den Weg…

Fazit: Alea iacta est (Julius Caesar, 49 v.Chr.)

Knallende Türen

Als ich 12 oder 13 Jahre alt war und sich die ersten Ausläufer der beginnenden Pubertät Bahn brachen, hatte ich wie viele Teenager in dem Alter viel „Brei“ im Kopf. Meine Eltern könnten ein Lied davon singen. Die üblichen Trotz- und Kolleranfälle gab es regelmäßig – z.B. wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte – also immer.

Ich war (und bin) das einzige Kind meiner Eltern, entsprechend besorgt waren sie um mein Wohlergehen. Gefühlt durfte ich GAR NICHTS! Ich musste immer als erstes zu Hause sein. musste erst Hausaufgaben erledigen, bevor ich mich mit Freundinnen verabreden konnte und die Tür blieb immer einen Spalt offen, wenn ich angerufen wurde und ich das Telefon nach draußen auf den Flur zerrte um wenigstens halbwegs ungestört zu telefonieren… Ungerechte Welt! So empfand ich damals. Retrospektiv hat es mir allerdings kein bisschen geschadet – im Gegenteil.

Ein paar Monate vor meinem 18ten Geburtstag war ich zu einer coolen Party eingeladen. Bei der Diskussion wann ich wieder zu Hause sein müsse, beschied mir meine Mutter, das sie 23 Uhr für ausreichend spät/früh hielt. Ich fuhr das volle Programm an Argumenten auf, warum ich unbedingt länger bleiben müsse. Alle perlten an meiner Mutter ab wie an einer Teflonpfanne.

Die Diskussion wurde lauter und heftiger bis ich erbost vom Stuhl aufsprang, meinen sofortigen Auszug aus meinem Elternhaus verkündete und mit Schwung die Tür knallte. Ich war noch nicht ganz die Treppe runter, als meine Mutter zornbebend hinter mir stand, mir “versprach” beim Koffer packen zu helfen und mir explizit verbot “ihre” Türen zu zu schlagen…. das könne ich später mit meinen eigenen Türen machen…..

Zeitsprung: Über 40 Jahre später….

Wegen irgendeiner Kleinigkeit (es sind ja immer Kleinigkeiten) war ich nach einem Telefonat auf 180… Etwa zeitgleich hörte ich ein klappern am Briefkasten. Ziemlich geladen riss ich die Tür auf, schaute in den Briefkasten und fand einen offiziell aussehenden Brief von einer kreisfreien Stadt in der Nähe vor. Mir schwante Übles und richtig…. ein dusseliges schwarzweißes Foto von mir hinterm Steuer meines Autos verhöhnte mich. Meine ohnehin aufs Maximum hochgefahrenen Emotionen waren kurz vor der Kernschmelze.

Es ist ja immer gut seine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen. Ich behaupte von mir, das ich das tue. Geduld ist definitiv nicht meine Stärke. Darum dauert mir persönlich der Fortschritt beim impfen immer noch zu lange. Ja, das ganze hat sich beschleunigt und es ist müßig, darüber zu lamentieren, was alles hätte besser laufen können. Rational ist mir das klar – emotional eher nicht! Als meine Mutter anrief und mir erzählte, dass sie im Impfzentrum trotz bestätigtem Termin wieder weg geschickt wurde , versuchte ich am Telefon ruhig zu bleiben. Nachdem ich aufgelegt hatte, war es vorbei mit meiner Beherrschung. Mit Wucht knallte ich die Wohnzimmertür. Und zwar so sehr, das meine arme alte Hündin Rala erschrocken hochsprang und in den Garten flüchtete. Das tat mir natürlich sofort leid, und durch das Türe knallen hatte sich die Situation für meine Mutter auch kein bisschen verändert. Egal. Mir ging es danach ein bisschen besser….

Am nächsten Tag sah ich einen kleinen Riss in der alten Holztüre die ich ungerechterweise so schlecht behandelt hatte…. ich befürchte es wird nicht der letzte sein…