Bistrogespräch

Im Moment höre ich offensichtlich immer Gespräche mit, die in meiner unmittelbaren Nähe geführt werden, an denen ich aber nicht unmittelbar beteiligt bin. Das könnte daran liegen, dass ich sehr neugierig bin, oder dass ich (wie viele Krankenschwestern) sehr genau beobachte.

Wie dem auch sei…. Nach meiner Rückkehr aus Regensburg ging ich abends mit meinem Mann eine Kleinigkeit essen. Bei uns in der Stadt gibt es seit etwa zwei Jahren ein Café/Bistro, an dem auch ein Laden mit einer Bäckerei, Wurst- und Käsetheke angeschlossen ist. Betrieben wird es von der Lebenshilfe. Es arbeiten dort Menschen mit Behinderungen, sowohl im Service als auch in der Küche. Und es wurden auch für den “freien Arbeitsmarkt” Stellen geschaffen. Oberhalb des Bistros sind “betreute Wohnungen”.

Der Laden und das Bistro lief von Anfang an gut. Er ist modern eingerichtet, hell und freundlich und man kann im Sommer auch draußen sitzen. Er befindet sich direkt am Markplatz. Die Karte ist nicht sehr umfangreich, aber es gibt täglich wechselnde Menüs zu moderaten Preisen, mit frischen Zutaten aus der Region.

Die Servicekräfte sind gut geschult. Manchmal muss man die ein oder andere Bestellung wiederholen, weil es nicht gleich verstanden wird. Das macht aber nichts, denn die Servicekräfte erklären dann auch, warum es bei ihnen manchmal etwas länger dauert.

So auch am Nachbartisch. Das Paar musste wohl auch noch einmal genauer sagen, was es von der Karte haben wollte, als der junge Mann (ich schätzte ihn zwischen 25 und 30 Jahren) erklärte, dass er beim Fußball spielen einen Unfall mit einer schweren Kopfverletzung hatte, und 8 Monate im Koma lag. Er habe alles neu lernen müsse. “Lesen und schreiben und so…”. Aber vorher sei er “ganz normal gewesen”, lachte er und entschwand mit der Bestellung Richtung Küche.

Ich wäre fast mit offenem Mund vom Stuhl gefallen! Dieser junge Mann hatte mit einem unfassbaren Selbstverständniss auf sein sicher nicht einfaches Schicksal geblickt, wie der weiseste Gelehrte der westlichen Hemisphäre!  Er betrachtet sein jetziges Leben mit einer Klarheit, die mich fast neidisch werden lies und sehr berührte. Vor dem Unfall war er eben “normal” und jetzt halt “anders”. So war es nun mal. Punkt.

Unglaublich! So einfach kann man sein Schicksal in zwei Sätzen zusammenfassen und  dann  lachend seiner Wege gehen. Ich habe an diesem Abend von der Begegnung mit dem  jungen Mann mehr gelernt, als aus vielen Stunden Vorlesung in Philosophie!

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