Zahnarztbesuch

Die halbjährliche Kontrolle der Zähne und Prophylaxe ist fällig. Entschlossen, aber nicht begeistert melde ich mich an. Schließlich verbringe ich schon genügend Zeit in Wartezimmern und bei Ärzten. Aber was muss, das muss.

Ich bekomme kurzfristig einen Termin (braucht mein Zahnarzt etwa schon wieder einen neuen Porsche?) und kann im Wartezimmer nicht mal die aktuelle Gala lesen, um auf dem aktuellen Stand der Intrigen, Seitensprünge und Schwangerschaften der europäischen Königshäuser zu sein, und werde in den bequemen, aber ungeliebten Stuhl gebeten.

Eine junge, adrette Zahnarzthelferin (oder heißt das heute anders?) wirft schon mal einen abschätzenden Blick auf meine Kauleisten und lobt mich, weil es nur ganz wenig Zahnstein zu entfernen gibt. Puhhh – Glück gehabt. Sie ist sehr vorsichtig. Ich merke eigentlich gar nichts, nur das Geräusch verursacht mir eine Gänsehaut. Fast, als wenn Kreide über eine Tafel schrabt (ja, ich weiß! es gibt keine Tafeln mehr, sondern nur noch whiteboards mit Internetzugang).

Mein eigentlicher Zahnarzt scheint eine Probefahrt mit dem neuen Porsche zu machen, denn den jungen Mann, der  dann den Raum betritt, kenne ich nicht. Er stellt sich mit einem arabisch klingenden Namen vor und ich blicke in sanfte, riesengroße Kulleraugen, die unter dunklen Locken fast nicht zu sehen sind. Ach du Schreck, der ist ja höchstens 13, denke ich, erinnere mich aber, dass er vor dem, von mir schon vergessenen Namen, einen “Doktor” gesetzt hat. Na gut, dann ist er eben 23… also etwa so alt wie mein Sohn. Egal – ich hoffe, er weiß was er tut und bin einigermaßen beruhigt, da ich ja nur zum Nachschauen gekommen bin.

Prompt fragt er mich, ob ich Probleme habe. Ich muss grinsen und sage: “Ja, aber die stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zähnen.” Er ist sichtlich irritiert, zieht eine Augenbraue hoch und fragt “Jjaaaa?” In drei Sätzen erzähle ich meine Krankengeschichte. Er wird blass und fängt an zu stottern, das er:” ….ähhh. alles Gute….äääh gute Besserung…. naja dann wollen wir mal…. äh….”

Brav öffne ich den Mund und winde mich innerlich vor schlechtem Gewissen. Wie konnte ich nur!? Der arme Junge! Dem habe ich den Tag jetzt schön verdorben! Er spricht nur das Nötigste und vermeidet direkten Blickkontakt. Ich habe vollstes Verständnis und er tut mir leid. Wie erwartet ist alles ok und er verabschiedet sich freundlich, aber schnell. Die ebenfalls blasse Assistentin nimmt mir das “Lätzchen” ab und bittet mich, den nächsten Termin vorne an der Info auszumachen. Dann ist auch sie verschwunden, und zurück bleibt die sich schämende, reumütige ”Aussätzige”, die sich fest vornimmt etwas sensibler und feinfühliger mit der Weitergabe ihrer Geschichte umzugehen. Schließlich will ich ja niemanden wehtun… auch keinem Zahnarzt.

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