Handarbeitsunterricht und Strickliesel

Weihnachten ist schon “lange” vorbei, aber ein kleines, witziges Geschenk meiner lieben Freundin Barbara bereitet mir immer noch viel Freude. Als sie es mir bei einem Besuch überreichte, musste ich lachen, hatte ich diesen Gegenstand, der in meiner Kindheit sehr präsent und viel genutzt war, doch fast vergessen.

Viele Frauen in meinem Alter werden die Strickliesel kennen. Zu meiner Schulzeit gab es noch so etwas wie “Handarbeitsunterricht”, erst in der Grundschule und später in einem Internat, das ich 2 Jahre besuchte. Dort mussten wir Mädchen (es war ein reines Mädcheninternat) sogar ganze Schultage mit Nähereien, bzw. Handarbeiten verbringen. Ich habe es gehasst! Meine Geduld war damals schon nicht die allergrößte und um mit einer Nähmaschine zu arbeiten, braucht man schon zum Einfädeln genau diese.

Die Handarbeitslehrerin war eine ältliche Dame mit einer dicken Hornbrille und aufgetürmten Haaren, die wirklich sehr freundlich war. Ich schaffte es trotzdem sie an die Grenzen ihrer Gutmütigkeit zu bringen. Nun ist eine Klasse mit etwa zwanzig 16jähriger Mädchen sicher sowieso kein Spaß, aber wenn pubertierende Mädchen wie ich damals auch noch beratungsresistent gegenüber wohlmeinenden Hilfestellungen zum Thema waren, macht das verständlicherweise keinen Spaß. Wir durften aus meiner Sicht zwischen Pest und Pocken wählen, was wir nähen wollten. Entweder ein Dirndl für ein dreijähriges Mädchen oder einen Matrosenanzug für einen dreijährigen Jungen. Das eine war mir so fern wie das andere (aufgewachsen bin ich in Nordrhein-Westfalen), und von einem dreijährigen Kind sowieso. Damals mochte ich kleine Kinder nicht besonders…. Ich entschied mich unter massivem Protest für  die Pest…. also das dusselige Dirndl (heute liebe ich sie).

Wochenlang war es im Handarbeitsunterricht eine Qual für mich, das “Ding” fertig zu stellen, und wenn man keine Freude an etwas hat, gelingt es ja auch nicht besonders gut. Mein Dirndl ähnelte eher einem Putzlappen, als einem Stück, was auch nur in Ansätzen tragbar gewesen wäre. Am Tag der Benotung mussten wir einzelnd an das Pult der Lehrerin treten und es präsentieren. Bei allem Wohlwollen konnte die Lehrein mir nicht mehr als eine vier minus, minus, minus geben. Ich sah das sehr wohl ein und hatte auch nicht mehr erwartet. An meinem Platz zurück nahm ich eine Schere und zerschnitt mein Werk vor den Augen meiner entsetzten Lehrerin. Das anschliessende Gespräch im Büro der Rektorin habe ich noch gut in Erinnerung…..

Das Projekt danach war dann übrigens Stricken und ich konnte die schlechte Note halbwegs ausgleichen…

Zurück zur Strickliesel. Dass ich noch wusste, wie es geht, ohne bei YouTube zu schauen, hat mich stolz gemacht. Ich habe mittlerweile einen (ungefähr) halben Kilometer “Strickwurst” produziert. Es macht unglaublich Spaß, weil man sehr schnell ein gutes Ergebnis bekommt. Trotzdem habe ich keine Ahnung, was ich damit machen soll… Aber ich habe eine große Haushaltsschere… aber dann muss ich sicher ins Büro meines Mannes…

Schraube locker

Eine gängige Behauptung für jemanden, der vermeintlich “nicht rund läuft”, “einen an der Waffel hat” oder eben “eine Schraube locker”. Wie so vieles liegt aber auch das natürlich im Auge des  Betrachters. Denn was ist schon “normal”?

Diese, nun entfernte Schraube sollte nicht locker sein, sondern Stabilität geben. In einem gebrochenen Knochen. Sie hat nach einem Jahr ihren Zweck erfüllt und konnte entfernt werden. Jeder, der ein bisschen heimwerkert, kennt das Elend Schrauben anbringen zu müssen um etwas zu reparieren. Ich bin in so etwas nicht besonders gut, aber jedesmal glücklich, wenn ich etwas durch eine Schraube fixieren konnte, was locker war.

Aktuell habe ich die nächsten zwei Wochen abends einen (relativ) festen Termin mit Menschen, die laut Medien “eine Schraube locker” haben. Das Dschungelcamp gucke ich fast immer. Ich könnte jetzt behaupten, dass ich ausschließlich Sozialstudien betreibe, aber natürlich stimmt das nicht. Fremdschämen, Belustigung, Fassungslosigkeit, Unverständnis und die unbeantwortete Frage, warum Menschen sich so etwas antun UND wichtiger noch: warum ich MIR das antue. Aber das ist ein anderes Thema….

Die Frage bei diesen Shows ist immer, was ist echt und was gespielt. In dieser Staffel werden besonders viele “psychische Stöhrungen” thematisiert. Angststörungen, Zwänge, Depressionen, Süchte. Nichts, was es nicht gibt und wo man sich nicht (zumindestens in Ansätzen) wiederfinden könnte. Wie real diese Krankheitsbilder sind, kann ich nicht beurteilen. Aber anders als körperliche Erkrankungen sind psychische Erkrankungen oft noch  ein Tabu, ein Stigma oder werden nicht wahr-/ernstgenommen.

Bei aller Trivialität, die diese Shows bieten, könnte es aber vielleicht eine winzige Chance von “Aufklärung” oder wenigstens verstärkter Wahrnehmung geben. Auf jedem Fall wird überall davon gesprochen, wer von den Campern denn nun die “größte Schraube locker” hat.

Jeden Morgen muss ich über mich selber lachen. Nämlich dann, wenn ich meine diversen Cremes in exakt ausgerichteter Linie und Reihenfolge aufstelle, wie ich sie benutze. Oder wenn ich einen sauberen Topf aus dem Schrank hole und ihn, bevor ich ihn benutze, ausspüle, dreimal an der Türklinke rüttele, um sicher zu sein, dass die Tür auch wirklich zu ist…..usw. usw. Ich könnte die Liste fortsetzen, aber spätestens dann würde klar, dass ich einen ganzen Schraubenkasten locker habe… Wahrscheinlich befinde ich mich damit auch in guter Gesellschaft. Aber wie sagt man so schön: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung…

Die eigentliche Funktion von Schrauben – nämlich zu stabilisieren – ist bisher noch nicht so richtig deutlich geworden. Meine “Schrauben”, die mich stabilisieren, sind meine Familie und Freunde. Sie geben mir Halt und fragen nicht nach meinen Schwächen. Sie greifen zu oder mir unter die Arme, wenn ich instabil bin. Dass sie selber dabei “locker” bleiben, finde ich gut, hilfreich und sehr angenehm, denn ich muss nichts erklären oder mich rechtfertigen. Das ist eine perfekte Konstellation!

Fazit: “Schraube locker” hat immer einen gewissen Unterhaltungswert und aktiviert die Mitmenschen gleich mit…

Kindergeburtstag

Ich weiß es noch als wäre es gestern gewesen. Es war mitten in der Nacht, genau 3:11 Uhr als der hellste Sonnenstrahl meiner Welt die Nacht mit einem lauten Schrei durchbrach. Ja, ich weiß… Sonnenstrahlen schreien nicht. Dieser aber schon, denn mein Sohn erblickte das Licht der Welt.

Schon bei seinem ersten Geburtstag sangen wir:

Heute kann es regnen, stürmen oder schneien,

denn du strahlst ja selber wie ein Schonnenschein…

Es folgte eine turbulente Zeit mit unglaublichem Staunen, überwältigender Freude, grenzenlosem Glück, manchmal Angst und wenig Schlaf. Kindergarten und Einschulung…. Und Kindergeburtstage… Eltern wissen, was für ein Stress das sein kann. Vor über 20 Jahren waren Kindergeburtstage eben Kindergeburtstage und keine “generalstabsmässig geplanten Events”, sondern ein Gewusel von 5-10 gleichalten Freunden, die das Haus in ein Chaos verwandelten. Da mein Sohn Malte im Januar geboren wurde, war eine Gartenparty eher selten. Es gab zwar mal eine “Nachtwanderung im Schnee” mit eigens dafür gekauften Taschenlampen und anschließender Spaghetti Bolognese Schlacht und Pyjama-Party, aber das war schon etwas später.

Bei den Kindergeburtstagen im Kindergarten und frühem Grundschulalter überlegte ich mir noch Schnitzeljagden durchs Haus, Topfschlagen, Ratespiele, “Stopp-Essen” und was es sonst so gibt. Alles in der Hoffnung, das Mobiliar auch nach Auszug der feierwütigen Zwergenhorde weiter benutzen zu können. Meistens gelang es.

Später waren dann externe Unterhaltungsmöglichkeiten angesagt. Bowling, Kinobesuch, Schwimmbad-Party  (inclusive Herzattake meinerseits, aus Angst ein Gastkind oder mein Eigenes könne wohlmöglich ertrinken, sich den Kopf aufschlagen oder vom Sprungbrett auf die Fliesen knallen….). Wieder ein paar Jahre später wurden wir Eltern gebeten, das Haus zu räumen oder zumindestens das Zimmer, in dem dann die “Party” stattfand, nicht zu betreten. Auch das ging generell gut aus. Im Studentenleben hatte ich mit der Organisation des “Kindergeburtstages” plötzlich nichts mehr zu tun. Einerseits eine Erleichterung, andererseits mit Wehmut garniert, wie der Geburtstagskuchen auf dem wiederum sehr plötzlich eine 2 vornedran stand. Und die überraschende Erkenntnis, einen erwachsenen Sohn zu haben.

Letzte Woche war es wieder soweit. Wir besuchten das Geburtstagskind in der benachbarten Metropole in seiner Wohnung. Beladen mit Geschenken, einem Geburtstagskuchen und dem seit der Geburt existierenden Geburtstagskranz. Den bekommen dann mal meine Enkelkinder, verkündete ich schon vor einigen Jahren. Solange sie noch nicht als winzige Sonnenstrahlen das Licht der Welt erblickt haben (und was könnten sie anderes sein als Sonnenstrahlen, bei dem Vater), verbleibt der Kranz bei mir….

Die Kerze wurde mit geschlossenen Augen und nach kurzem Innehalten, um gedanklich einen Wunsch zu formulieren, ausgepustet. Man darf den Wunsch nicht laut aussprechen, da er sonst nicht in Erfüllung geht, behauptet eine alte “Regel”. Nun wäre ich aber nicht seit 24 Jahren seine Mutter, um nicht trotzdem zu wissen, was Malte sich gewünscht hat ( Mütter wissen IMMER ALLES!).  Und genau das wünsche ich ihm auch!

Alles Gute zum Geburtstag, Sonnenschein!