4, 50, 70, 80

Nein, das ist kein mathematisches Rätsel, sondern die “Jahreszahlen” von Geburtstagen. Es werden in diesem Sommer 4 Jahre seit meiner zweiten Diagnose (statt prognostizierten 3 Monaten Überlebenszeit), nächste Woche werde ich 50 (was denn sonst!), meine Mutter feierte im März ihren 70zigsten und gestern mein Schwiegervater seinen 80zigsten. Ich finde, dass alles sind tolle Zahlen. Und es verbirgt sich weit mehr als eine einfache, runde Zahl dahinter  - nämlich im Wortsinn “Lebensgeschichten”.

4 Jahre: Ein Leben durch geschenkter Zeit. Ich hatte gehofft, aber nicht unbedingt erwartet soviel Zeit zu haben.

50 Jahre: Ein tolles Leben, wenn auch nicht unbedingt geradlinig, aber immer spannend und getragen von Glaube, Liebe, Hoffnung.

70 Jahre: Ein Leben voller Fürsorge für die Familie, stark, mutig und meistens lachend, laut und voller kluger Ratschläge.

80 Jahre: Ein arbeitsames Leben für die Familie, immer hilfsbereit und für alle da und voller praktischer Ideen.

Verschiedene Geburtstage, verschiedene Lebensläufe und doch verbunden in einer Gemeinsamkeit: Familie.  Mit meinen Schwager sprach ich kürzlich über das, was wirklich zählt im Leben – Familie, und die Gewissheit, dass sie für einen da ist, wenn man sie braucht. Familiengeburtstage verlaufen unterschiedlich. Meistens mit sehr viel Essen. Und Begegnungen. Ich weigere mich konsequent seit vielen Jahren meinen Geburtstag zu feiern, da ich seit fast vier Jahren jeden Tag Geburtstag habe. Dieses Jahr habe ich meine Eltern, Schwiegereltern und ein paar enge Freunde eingeladen. Und es wird etwas zu essen geben – wahrscheinlich viel. Ich hoffe, ich bekomme keine Geschenke, denn das ist mir immer unangenehm. Die Geschenke, die ich schon bekommen habe, kann man sowieso nicht kaufen und einpacken.

Worüber ich mich freuen werde: Dabei zu sein, inmitten meiner Familie. Anrufe zu bekommen, von Freunden, die an mich denken und FB Nachrichten, SMS, WhatsApp Nachrichten und was es sonst so alles gibt. Und ich werde meiner Mutter dankbar sein, denn sie hat eigentlich vor 50 Jahren das meiste geleistet und nicht ich.

Und ich werde überlegen, was nächstes Jahr sein wird – 5, 51, 71, 81. Macht das Sinn? Eigentlich nicht. Denn meine Lebensmotto: Carpe diem bezieht sich auf das hier und jetzt – lebe/nutze den Tag – als heute und nicht nächstes Jahr…. Ich werde mich freuen – auf den nächsten Tag und auf das nächste Jahr.

Schach matt

Die Blume auf dem Foto zeigt eine Schachbrettblume. Ein begehrtes Fotomotiv, blüht sie doch nur zu einer bestimmten Zeit in bestimmten Regionen (meines Wissens nur hier im Norden und in Franken).

Ich habe zwei davon in ein Beet gepflanzt und die lila Variante zeigt das typische Schachbrettmuster deutlicher als die weiße Blüte. Die Blumen veranlassten mich, ein schon altes, oft gelesenes, dünnes Buch aus meinem “Klassiker-Regal” zu holen: Stefan Zweig, Schachnovelle.

Nun gehöre ich leider zu den Menschen, die kein Schach spielen können. Ich kenne die Regeln nicht. Mein Mann und mein Sohn spielten früher öfter einmal gegeneinander  ”das königliche Spiel – das Spiel der Spiele” und es fazinierte mich. Aber ich sah, wenn überhaupt, nur zu.

Ein Schachbrett besteht bekanntlich aus 64 Feldern in schwarz und weiß. Analog dazu gibt es je 16 Figuren. Dame, König, Turm, Bauern, Pferd. Das Spiel ist durch das Brett geometrisch begrenzt, aber es bietet unendliche Kombinationsmöglichkeiten an Zügen. Es ist eine Kunst zu spielen und doch eine (mathematische) Wissenschaft. Es gibt schwarz und weiß – und nichts dazwischen, außer leere Felder. Der Spieler steht auf der einen oder der anderen Seite.

In Zweigs Novelle geht es u.a. um einen Mann, der in der Isolationshaft der NS versucht, nicht seinen Verstand zu verlieren, in dem er ein Buch mit 150 Weltmeister-Schachspielen stiehlt. Erst spielt er sie mit Hilfe des karierten Bettlakens und Brotkrumen nach, später kann er in Gedanken spielen. Irgendwann konstruiert er dann neue, eigen Spiele und spielt “gedanklich gegen sich selbst”. Er ist schwarz und er ist weiß. Mich beeindruckte die Ausage der Novelle, das sich der Geist auch durch Gefängnis und Isolation nicht einsperren läst… “Die Gedanken sind frei….”.

Doch hier endet die Novelle nicht. Er verliert seinen Verstand, da er sich in einer selbstgewählten Schizophrenie befindet…. (mehr verrate ich nicht! Es lohnt sich die knapp 100 Seiten selber zu lesen). Also ist der Geist doch nicht frei? Können wir beides sein? Schwarz oder weiß? Er wechselte gedanklich für die Spielzüge auch die Seiten, denn beim Schach sitzt man sich üblicherweise gegenüber. Wie schwer fällt es mir, mich mal auf eine andere Seite zu begeben – mal eine andere Perspektive einzunehmen (siehe Blog Disney Model)… Und wie gerne behalte ich die einmal gewählte Frabe – schwarz oder weiß – bei.

Manche Dinge in meinem pinkfarbenen Leben verstehe ich nicht, manche Streits sind für mich nicht nachvollziehbar, ebensowenig wie manche Aussagen. Sie verletzen oder tun weh. Und so gehen Freundschaften verloren. Im Schachspiel werden “Kriegsvokabeln” verwendet. Es geht um “gewinnen” oder “verlieren”, um “Angriff” und “Verteidigung” es geht darum sich zu “schützen” um nicht “geschlagen” zu werden. Dabei “fallen” dann schon mal “Bauernopfer”. Bestenfalls gibt es ein “Remis” – ein “unentschieden”…

Der Protagonist in Zweigs Novelle ist allein (in seiner Haft und später in seinem Wahnsinn). Ein Spieler beim Schach ebenfalls, egal ob er gewinnt oder verliert. Und wenn eine Freundschaft zu Ende geht ist es sowieso egal, denn dann verlieren beide Spieler – schwarz und weiß – und sind  ”Schach matt”.

Der Klosterhof wird pink….

… titelt die tolle Pressechefin “meines” Vier-Türme Verlages auf der Hompage nach meiner Lesung. Na, wenn das keine “krachige” Überschrift ist.

Letzte Woche war ich auf Lesereise in meiner Wahlheimat Franken. Dienstags durfte ich im historischen Pfarrkeller (17. Jahrhundert) bei meinem Freund Martin, der in Forchheim Regionaldekan ist, lesen. Der spektakuläre Raum war schon sehr gut gefüllt, als ich nochmal zu meinem Mann an den Platz ging, um ihn meinen Krempel (Tasche, Schal usw.) anzuvertrauen. Hinter mir befand sich die Treppe (wir waren ja im Keller), als ich einem Impuls folgte, mich umdrehteund diese hinauf sah. Mir blieb fast das Herz vor Freude stehen, als ich die Frau auf der Treppe erkannte. Eine gute Freundin aus Bamberger Zeiten, die ich seit 16 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Lachend und weinend fielen wir uns in die Arme und wollten gar nicht mehr loslassen. Was für eine tolle Überraschung! Mit verwischter Wimperntusche aber einem reich gefüllten Herz voller Freude begann ich zu lesen. Hinterher hatten wir noch Gelegenheit kurz zu plaudern um mit dem sicheren Versprechen auseinander zu gehen, uns bei allernächster Gelegenheit zu treffen.

Der Tag danach, Mittwoch, war die Lesung in Münscterschwarzach im Klosterhof, wo sich die wunderschöne, neue Buchhandlung befindet. Hier werde ich ebenfalls herzlich in Empfang genommen und wieder füllt sich der Raum. Mich freuten zwei Dinge ganz besonders: Wieder kommt eine liebe Freundin und hat über eine Stunde Fahrtzeit auf sich genommen, um mich lesen zu hören. Dabei kennt sie mein Buch, denn sie kommt einige Male darin vor. Die zweite große Freude: Die Pressesprecherin und der Verlagsleiter, Pater Linus sind auch da. Welch eine Ehre! Insgesamt sind sechs oder sieben der Bennediktiner Mönche da, die sich auch nach der Lesung auf ein kurzes Geplauder mit mir einlassen.

Im “Vorspann” habe ich erwähnt, dass ich Protestantin bin, und promt fragt mich einer der Brüder nach meinem Konfirmationsspruch….. Ich laufe hellrosa (nicht pink) an und stottere, dass ich den tatsächlich gar nicht weiß. Er lacht zum Glück und ich nehme mir fest vor, zu Hause sofort nach zu sehen, wie er denn lautet. Bei dieser Lesung ergibt sich eine relativ lange und intensive Frage- und Austauschrunde. Das genieße ich sehr, erzählen doch viele von ihren Erlebnissen und Erkenntnissen mit Gott. Beim signieren höre ich sehr persönliche Geschichten und freue mich über das mir entgegengebrachte Vertrauen.

Insgesamt habe ich nun schon 8 Lesungen hinter mir und mindestens genau so viele vor mir. Eine Routine stellt sich zum Glück nicht ein, denn jede Lesung ist anders. Abhängig von den Räumlichkeiten, den Gastgebern und natürlich dem Publikum. Und alle waren wunderbar auf ihre eigene Weise. Welch ein Geschenk! Ich werde auch in Zukunft dem Publikum nicht verraten, dass es für mich mindestens genau so neu, interessant und unerwartet ist, wie hoffentlich auch für sie.