Verpackte Kindheit

“Jedem Abschied wohnt der Zauber eines Neuanfangs inne” heißt es…. Wie ich diese Weisheiten manchmal hasse! Besonders, wenn sie auf mich ganz persönlich zu treffen…

Das Studium meines Sohnes neigt sich dem Ende entgegen. Wo geht es hin? Was wird?  Wer bin ich an welchem Platz? Diese Fragen habe ich mir mit 21 auch gestellt. Ich hatte gerade meine Ausbildung als Krankenschwester beendet, als es mich nach Bayern verschlug. Richtig? Falsch? Keine Anhnung! Aber es war gut. Denn es ist etwas tolles daraus entstanden – mein Sohn! Er wurde ein paar Jahre später dort “unten” geboren. Und jetzt stellt er sich all diese Fragen.

Wenn wir am Scheideweg stehen, wohin die Reise geht, halten wir inne und überlegen. Beim Einpacken der Kisten war es jedenfalls so. Mein Sohn kam nicht sehr zügig voran. Es wurde in Büchern geblättert und geschmökert. Urmel, Jim Knopf, das Sams, Sir Oblong Fitz Oblong – der kleine dicke Ritter, Roja Räubertochter und die Kinder von Bullerbü waren an vielen, vielen Abenden zu Gast bei uns, wenn ich meinem damals noch kleinen Sohn vor dem schlafen vorlas. Mittlerweile überragt er mich mindestens um einen ganzen Kopf und die Helden der Kindheit sind zu einer hoffentlich schönen Erinnerung geworden.

Auch die riesigen Lego-Gebilde, in erster Linie “Star Wars”-Raumschiffe, wurden sehr liebevoll und sorgsam in die Kisten gelegt. Der At-At verlor dabei sein Bein und einen Teil des Panzers. Ich sah meinem Sohn zu wie er es wieder zusammensetzte und die Kiste dann verschloss. Ich erinnere mich noch genau daran, wie groß seine Freude war, als er das lang gewünschte Teil geschenkt bekam. Und mit welcher Begeisterung und Enthusiasmus er das riesige “Viech” ohne den Plan zusammen setzte. Jetzt schwelgte ich in Erinnerungen…

Und ein bisschen Wehmut machte sich in mir breit. Wie schade, dass diese Zeit vorbei war. Hatte ich alles richtig gemacht? Hatte ich etwas versäumt? Hatte ich ihm das wichtigste “Rüstzeug” für sein weiteres Leben mitgegeben?

Ich half ein bisschen beim Einpacken und wir plauderten über seine Kindheit und er erzählte, an was er sich besonders erinnerte. Das waren zum Teil ganz andere Dinge, als ich auf meiner “Festplatte” abgespeichert hatte. Es waren überwiegend schöne und lustige Dinge, die er mir erzählte und das freute mich.

Ich hoffe, dass er diese Kindheitserinnerungen nicht in Kisten verpackt und staubdicht verschließt, sondern dass sie in seinem Gedächtnis lebendig bleiben und er vielleicht ‘mal seinen Kindern (und Enkeln) davon erzählt.

Sachspenden

Es ist naßkalt an diesem Montagmorgen, als ich mit unserem Kombi voller prall gefüllter Kleidersäcken, Taschen, Kartons und Körben mit Spielsachen vor der ehemaligen Kaserne, die jetzt als Erstaufnahme-”Station” genutzt wird, ankomme.

Ich weigere mich über “Lager” zu sprechen/schreiben. Zu negativ besetzt ist dieser Begriff, sowohl historisch als auch emotional. Hat dieser Begriff für mich doch so gar nichts zu tun mit “Ankommen, Willkommen sein, Wärme und Zuwendung”!

Am Wochenende sind annähernd 100 Menschen mit Bussen von der deutsch-österreichischen Grenze wie geplant angekommen. Weitere 200 werden in den nächsten Tagen erwartet. Es war etwas Zeit, um sich vorzubereiten und Landkreis, Hilfsorganisationen und Freiwillig haben ganze Arbeit geleistet. Es gab Aufrufe, was an “Sachspenden” benötigt wird. Sachspenden für müde, traurige und geschundene Seelen.

Unwillkürlich durchsucht meine Familie alle Schränke nach brauchbarer Kleidung und natürlich findet sich jede Menge! Das Auto ist schnell voll. Als ich vor der Kaserne eintreffe, hält mich – wie offensichtlich schon viele andere – denn der Vorplatz ist voller Autos –  ein Mann von einem privaten Wachdienst auf. Wir dürfen das Gelände nicht betreten, die “Sachspenden” werden von einem LKW nach “innen” transportiert.

Schon leicht genervt frage ich den Wachmann, ob ich jemand “Offiziellen” sprechen kann, da ich wissen möchte, was an “Seelischer-Zuwendungs-Spende” gebraucht wird. Gleich stehen vier oder fünf andere Menschen an meiner Seiten und wollen ähnliche Fragen stellen. Es dauert eine geschlagene halbe Stunde, bis jemand “Offizielles” kommt, unsere Fragen sehr freundlich und dankbar beantwortet und gleich drei Leute zum Kleider sortieren mit nimmt. Die Übrigen und mich bittet die nette Dame, eine Mail zu schicken, mit den Qualifikationen die wir haben. Sie würde sich melden. Es sind Sozialarbeiter, Kinderpflegerinnen und psychologisch ausgebildete Helfer, die wohl eine Mail schreiben werden, entnehme ich den Gesprächen.

Während der Verhandlungen geht eine Gruppe von frierenden Flüchtlingen an uns vorbei. Sie haben ihre Kaputzen tief ins Gesicht gezogen und die Schultern sind ebenfalls hochgezogen. Ich blicke in freundlich lächelnde, aber verunsicherte Gesichter. Sie grüßen alle mit einem leisen “Hello” und sehen erfreut auf die “Sachspenden”. Ja, warme Kleidung wird offensichtlich dringend gebraucht.

Ich hoffe, dass bald auch “Seelen-Spenden” abgegeben werden können, die die neu angekommenen Menschen von innen wärmen…..

“Gutmenschen-Einkauferei”

… mit diesem “Quasi-Schimpfwort” kam mein Mann vom Wochenendeinkauf zurück – mit einem prall gefüllten Einkaufskorb aus dem Bioladen.

Frisches Obst, edle Käsesorten, Backzutaten, Säfte und andere “Spezereien”. Sah alles sehr appetitlich aus und wir waren sicher: Gesund ist es auch und nachhaltig produziert! Was sind wir doch für gute Menschen! Auch wenn es einen höheren Preis hat….

Ein paar Tage später waren wir im Urlaub in unseren Franken und am Chiemsee. Wir genossen einen goldenen Oktober und wanderten in der warmen Herbstsonne. Es war Apfellese. Da Mundraub nicht strafbar ist, pflückten wir den ein oder anderen Apfel direkt vom Baum und genossen ihn als Wegzehrung. In den Gaststätten gibt es entsprechend Apfelmost, Apfelstrudel und Apfelkompot mit Vanilleeis.  Alles Bio, oder was?

Einige Abende später eine interessante Reportage über das Kaufverhalten der Kunden bei Äpfeln. Fast 90% kaufen nach Aussehen der Äpfel…. Glatt, glänzend, eine rote und eine grüne Seite. Herausgestellt hat sich, das die Äpfel zwar wie gemalt aussahen, aber absolut geschmacksneutral waren und fast keine Vitamine mehr enthielten! Die “alten” Sorten, die nicht der EU-Norm entsprechen und deshalb nur beim Erzeuger verkauft werden dürfen (wie blöd ist das denn?), hatten nicht die vom Verbrauer gewünschte DIN-Norm, waren aber geschmacklich bei über 90% !

Von Bio oder nachhaltiger Produktion war überhaupt nicht die Rede…..

Zurück zu unserer “Gutmenschen-Einkauferei”. Das gute Gefühl, ein umweltbewusster Verbraucher zu sein, hat einen hohen Preis. Und ob es wirklich so ist, kann ich nicht überprüfen, denn ich muss glauben, was auf der Umverpackung steht (wie nachhaltig ist das denn???). Ich habe das Glück, in Regionen zu leben, in denen ich “nicht der EU-Norm entsprechende” Lebensmittel direkt vom Erzeuger kaufen kann: Milch- und Wurstwaren, Gemüse und saisonales Obst. Dies ist obendrein sehr viel günstiger als im Bioladen. Ich kenne die Leute im Hofladen und erfahre ganz nebenbei noch den regionalen Klatsch und Tratsch. Wenn das nicht nachhaltig ist……