Wölfe

Bei uns in der Nähe gibt es ein “Wolf Center”. Dort leben zwei verschiedene Wolfsrudel, zwei “Welpen” werden gerade aufgezogen und es gibt ein großes Freigehege für “Hybriden”. Das sind Kreuzungen zwischen Wölfen und Hunden. Einige “Züchter” haben sich laut Aussage des Rangers dort, an so einem Experiment versucht. Die Züchtungen wurden dann von Menschen als Haustiere gehalten. Das hat aber verständlicherweise nicht funktioniert, da sich diese Tiere nicht “händeln” lassen. Man kann sie nicht wie normale Hunde “erziehen”. Als die Besitzer nicht mehr mit den Hybriden zurecht kamen, hat sich das Wolf Center bereit erklärt sie aufzunehmen. Sie sind von den richtigen Wölfen separiert und das Gehege ist im Gegensatz zu den Freilaufgehegen der Wölfe mit einem Sichtschutz in Hüfthöhe verkleidet.

Äußerlich waren die Hybriden für mich als Laien kaum von Schäferhunden zu unterscheiden. Es waren sehr anmutige Tiere. Trotzdem machten sie mir Angst. Die “richtigen” Wölfe wirkten auf mich zwar auch wild und gefährlich (sie waren ja in einem gut gesicherten, großen Gehege – und sie sind für Menschen grundsetzlich nicht gefährlich, wie der Ranger erklärte…), aber die Hybriden hatten etwas “Unberechenbares” an sich. Naja, vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, aber mir wurde sehr deutlich, dass wir Menschen, nur weil wir es können, noch lange nicht alles tun sollten! Und dass wir der Schöpfung nicht noch mehr ins Handwerk pfuschen sollten, als wir es ohnehin schon tun!

Zurück zu den Wölfen: Als mein Sohn klein war, spielte ich ihm öfter “Peter und der Wolf” auf CD vor und er war in der Grundschule in dem Konzert. Auch das Märchen vom “bösen Wolf” ist allseits bekannt. Die Aufklärungsarbeit, die das Wolf Center betreibt, macht sehr deutlich, dass Wölfe nicht “böse” sind. Es sind einfach wilde Tiere, die ihr Überleben sichern und daher jagen – so wie Löwen, Tiger und andere Raubtiere.  Vor Menschen haben sie eigentlich Angst/Respekt und wenn man einem Wolf begegnet (was höchst unwahrscheinlich ist) sollte man nicht weglaufen, sondern laut rufen und den Wolf dadurch verscheuchen. Insgesamt war die Führung extrem informativ, es wurden viele Vorurteile abgebaut und es war sehr unterhaltsam.

Eigentlich mag ich keine Zoos und eingesperrte Tiere. Hier hatten die Wöfe aber riesige Gehege (was zu Folge haben kann, dass man gar keinen Wolf zu Gesicht bekommt) und ich hatte nicht den Eindruck, dass hier eine Show (wie in den unsäglichen Delfinarien) mit den Wölfen veranstaltet wird.

Ich hatte das Glück, einige Wölfe zu sehen. Und ich war fasziniert! Die eleganten, geschmeidigen Bewegungen ließen sie wie Schatten wirken, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten und die Augen der Tiere wirkten auf mich hypnotisch! Ich hatte unseren Hund dabei, und war gespannt auf die Reaktionen auf beiden Seiten des Zauns. Nichts! Bei keinem der Vierbeiner! Man beäugte sich und das war’s.

Das Rudel versammelt sich, einige Tiere legten sich entspannt in die Herbstsonne und zwei jünger Wölfe veranstalteten eine Jagdt und rauften. Ich beobachtetet die Tiere eine ganze Weile; ich hingegen wurde völlig ignoriert. Ich genoß das Gefühl, zumindestens eine Ahnung vom “Leben in freier Wildbahn” dieser wunderschönen Tiere zu haben und freute mich über engagierte Menschen, die Aufklärungsarbeit und Artenschutz betreiben.

Ebola

… ist ein Fluß im Kongo. Man kann ihn auf der Landkarte nicht erkennen. Und auch nicht die vielen Menschen, die in Westafrika leben – und sterben!

Sobald man die Zeitungen aufschlägt, oder Nachrichtenmagazine im TV sieht und hört, ist Ebola, die Epedemie, eines der ersten Themen. Aber meistens sind nicht die neuen Fälle in Westafrika im Fokus – die werden höchstens zum Ende des Berichts erwähn – sondern die Neuinfektion, bzw. die Verdachtsfälle in Amerika, Madrid und aktuell auch in Paris.

Die “westliche” Welt ist alarmiert! Ein Nachrichtenmagazin titelte jüngst: “Die westliche Welt ist infiziert – mit der Angst!” Es wurden schon Lokale geräumt und Züge evakuiert, weil sich jemand übergeben hatte oder er Fiebersymptome zeigte.

Ja, ich verstehe das! Tatsächlich macht mir diese Entwicklung auch Angst. Denn so eine “Seuche” entzieht sich, wie sich ja schon zeigt, sehr schnell unserer Kontrolle. Das Fatale daran ist meiner Ansicht nach, dass wir erst jetzt reagieren, wo die “reichen Industrienationen”  in Gefahr sind. Vorher war es ja ein relativ isoliertes Gebiet in Afrika. Also weit weg! Und da sterben täglich viele Menschen an Hunger, nicht behandelten, einfachen Infektionen und Krankheiten, durch Kriege und Genozid – also eigentlich nichts Neues….

Das meine ich keineswegs zynisch, denn ich höre und lese genauso diese Nachrichten und sie perlen oft an mir ab, wie Wasser an einer  Teflonpfanne. Wenn ich auf die Landkarte sehe, fällt mir als erstes die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt in Afrika ein, weiße Strände, Wärme und unerfüllte Träume von einem Urlaub dort. Würde ich jetzt dort Urlaub machen? Sicher nicht! Aber nicht weil sich die Natur dort verändert hat, sondern weil die Angst mitreisen würde. Es wäre unvernünftig. Und ich versuche gerade Krebs zu überleben und will dann nicht an einer Epedemie sterben. Das wäre doch “schräg”, oder?

Tatsächlich habe ich überlegt, wie es wäre als Freiwillige dort zu helfen. Ich wäre qualifiziert. Schließlich habe ich eine Intensivausbildung und habe mit Isolationspatienten (Transplantierten) gearbeitet. Altruismus? Ja, vielleicht. Ich wollte nach meiner Ausbildung in die Entwicklungshilfe… Ärzte ohne Grenzen, Kap Anamur… Ich bin in Deutschland geblieben. Jetzt gehen viele Freiwillige dort hin, und setzen sich bewusst einer nicht kalkulierbaren Gefahr aus. Sie haben alle meinen allergrößten Respekt! Viele Krankenschwestern und Ärzte haben sich schon angesteckt – über 500, habe ich gelesen. Und mehr als die Hälfte sind an Ebola gestorben. Mich berühren diese Geschichten…. Und was ist mit den 9000 anderen Fällen und den davon 4500 Verstorbenen? Was ist mit den Menschen, die in den Ländern mit einer hohen Infektionsrate leben und nicht in unsere hochtechnisierten Krankenhäuser ausgeflogen werden?

Ich schrieb kürzlich über “Vorurteile” … Und ein weiteres Mal ertappe ich mich. Das Schicksal der “westlichen Hilfskräfte” ist mir näher, als alle anderen Fälle. Warum? Ich kann mich einfacher mit Ihnen identifizieren. Denn sie haben vielleicht ein ähnliches Leben geführt, wie ich.

Ja, mir macht Ebola Angst und ja, ich habe Vorurteile und ja, ich möchte helfen. Ich hoffe, dass bereits schlaue Köpfe an einem Heilmittel oder Impfstoff arbeiten. Die Hilfe, die ich bieten kann ist marginal. Sie beschränkt sich auf Spenden und Gebete. Aber in der Summe hilft es vielleicht doch. Und die Gebete nehmen mir die Angst.

Per ÖPNV in eine “frohe Zukunft” (Impressionen aus Halle/Saale)

Premiere! Das erste Mal habe ich die Ehre, einen Gastautor zu begrüßen.

Manfred Horn ist ein guter Freund und engagierter “Pfadfinder” für Menschen und Teams in beruflichen Situationen. Dabei nutzt er sein Talent, Situationen und Probleme in Bildern beschreiben zu können, um Entwicklung möglich zu machen. Und manchmal schreibt er seine Gedanken auch nur für sich auf, so wie in diesem Text…

Viel Spaß beim lesen wünscht Euch

Corinna

Ich stehe in Halle an einer Straßenbahnhaltestelle und lasse das historische Stadtgemälde ringsherum auf mich wirken.

Diese Mischung aus lutheranisch-reformierter Aufbruchstimmung, graubrüchig, realexistierendem Sozialismus und dem pulsierendem, bunten Leben einer Studentenstadt nimmt mich in sich auf.

Das Rattern einer sich nähernden Straßenbahn reißt mich aus meinen Betrachtungen. Um die Kurve schiebt sie sich quietschend – auf der Front prangt in großen Lettern als Endstadion „Frohe Zukunft“.

Einen Augenblick bin ich irritiert über diese Botschaft. Die Frau an meiner Seite vermutet zielsicher irgendein Überbleibsel alter DDR-Vergangenheit an der Endstadion.
Ich bin da eher vordergründig unterwegs und genieße die Vorstellung, dass man so einfach in Richtung frohe Zukunft aufbrechen kann.

Suchen wir nicht alle nach einem Weg in eine frohe Zukunft?

Nie habe ich gedacht, dass man einfach so einsteigen kann. Schon würde es losgehen – ruckelnd und ratternd zwar – aber doch kontinuierlich und sogar nach Fahrplan.

Welche Haltestellen man wohl passiert bis zur frohen Zukunft? Würde ich ab und zu aussteigen – ein oder zwei Bahnen überspringen, um mich umzuschauen?

Welches Ticket würdest Du lösen? Einzelfahrschein, Tagesticket, Monats- oder Jahreskarte?
Hätte jemand Interesse an einem Rückfahrschein – wohin auch immer? Mir kommt der Refrain in den Sinn: „Good Girls Go To Heaven (Bad Girls Go Everywhere)”.

Ich betrachte durch die Fenster die Menschen in der Bahn und jene, die ein- und aussteigen.
Ob darunter auch Schwarzfahrer sind – also Menschen, die nicht erst auf die Berechtigung zur Fahrt in eine frohe Zukunft gewartet oder sich diese gar erworben haben?

Ob ein Schwarzfahrer die Fahrt wohl mehr genießt, weil er sich bereits eine innere Erlaubnis zum Lebensglück gegeben hat?
Oder – lebt er in der Furcht vor dem Kontrolleur?
Davor, dass einer kommt und sagt: „Sie haben keine Fahrkarte und müssen aussteigen!“.

Summend schließen sich die Türen und die Bahn fährt weiter.

Mir wird schlagartig klar, wie schnell man – versunken in seine Gedanken, in die Kleinigkeiten des Alltages – einfach vergisst, die Fahrt in eine frohe Zukunft anzutreten.

Wie gut, denke ich noch, dass wenigstens diese Straßenbahnlinie im 10-Minutentakt fährt.