Lehre und Leere

Seit fast 6 Jahren habe ich einen Lehrauftrag an einer Hochschule. Mir macht das wahnsinnig viel Spaß, denn die Studenten sind fast alle sehr motiviert und engagiert. Die meisten von ihnen studieren berufsbegleitend und haben konkrete Ziele vor Augen. Der überwiegende Teil strebt eine Leitungsposition im Gesundheits- oder Sozialwesen an. Alle haben die Mehrfachbelastung von Beruf, Familie, Studium und Freizeit – Organisationstalent und Managementfähigkeiten sind also schon mal Grundvoraussetzungen. Meine Studenten haben meinen allergrößten Respekt, denn ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwierig es ist, alles “unter einen Hut” zu bringen.

Wie im wahren Leben, müssen die Studenten auch Klausuren schreiben. In dem Fach , das ich unterrichte müssen sie allerdings eine Hausarbeit mit 15-20 Seiten einreichen (ebenso wie in drei anderen Fächern). Das sind sozusagen die Vorübungen zur Bacholor-Arbeit. Da es eine der ersten Hausarbeiten ist (die Studenten können sich weitgehend den Zeitplan selber erstellen) hält sich die Begeisterung in relativen Grenzen.

Viele der Studenten haben schon eine Idee, worüber sie schreiben wollen. Doch die Themen sind so allumfassend und groß, dass man mindestens eine Dissertation davon machen könnte. Da ist es dann mein Job, das Thema zu “operationalisieren” – also auf einen realistischen Umfang einzuschmelzen.

Und natürlich ist immer eine der ersten Fragen: “Wie fange ich an…?” Die Frage beantworte ich grundsätzlich sehr knapp: “… mit dem berühmten ersten Satz!” Was soll ich auch sonst anderes sagen? Kürzlich sagte eine Studentin zu mir, dass sich, sobald sie sich an den Schreibtisch setzt um zu beginnen, eine große LEERE in ihren Kopf ausbreiten würde – und sie damit eben nicht den ersten Satz schreiben könne…

Ich musste ziemlich lachen, obwohl mir die Studentin recht verzweifelt erschien. Denn eigentlich war sie mit dieser Aussage ja gar nicht so weit entfernt von einem guten ersten Satz… Denn, wenn ich an meine eigene Schul – und Studienzeit denke, habe ich auch eine Menge unnützes Wissen vermittelt bekommen. Und damit die zu füllende Leere in meinem Kopf mit Informationen gefüllt, die mich in meinem späteren Leben nicht wirklich weiter gebracht haben.

Aber zum Glück ist die Speicherkapazität der “Leere” im Kopf ja so unendlich gross, dass wir genügend Platz für die wirklich wichtigen “Lehren” haben. Und die wirklich wichtigen Lehren erteilt uns das Leben selber und nicht eine noch so engagierte Dozentin vorne am Lehrerpult.