Fotoshooting 2.0

Nach einer kurzen Zugfahrt tauche ich in Hamburg in eine andere Welt ein. Nein, nicht weil es eine “Weltstadt” ist und ich “Pomeranze” vom Land komme, sondern weil mir die “Hamburger Künstlerszene” nicht so vertraut ist. Ich darf als “Modell” für einen namhaften Fotografen tätig sein, der ein neues Projekt am Start hat.

Simon arbeitet für Mercedes, Lufthansa und andere große, weltweit agierende Unternehmen, hat internationale Preise gewonnen und u.a. in Boston gearbeitet. Ich bin entsprechend begeistert, da ich zwar schon ein paar “Shootings” hatte, allerdings nicht in dieser Liga…

Als Erstes treffe ich auf einen netten Taxifahrer, mit dem ich ins Plaudern komme. Er beklagt sich – sicher zu Recht – dass Höflichkeit selten geworden ist und dass die meisten seiner Gäste weder grüßen, noch “Bitte” oder “Danke”  sagen, weil sie alle hochwichtig in ihr Handy quasseln und keinen Blick für die schöne Stadt oder gar den Menschen auf dem Fahrersitz haben. “Ich habe die Hoffnung verloren, dass sich das wieder ändert,” resümiert er frustriert und ich bitte ihn sogleich seine Hoffnung nicht auf zu geben. Er lacht und schweigt dann einen Moment. Als wir angekommen sind, sagen wir fast gleichzeitig “Danke”. Er meint unser “nettes Gespräch” und ich, dass er mich freundlich und sicher zum Ziel gebracht hat.”Das war das  Highlight des Tages….,” sagt er zum Abschied und fährt wieder los.

Voller Spannung betrete ich den Hinterhof eines sehr schönen Jahundertwendehauses mit einer schönen Steinfigur über dem Eingang und reich verzierten Fenstergiebeln in weißem und rotem Sandstein. Hier befinden sich mehrere Studios – habe ich gegoogelt. Ich muss ins Studio 4 und das ist ein loftartiger, 250 Quadratmeter großer Raum mit riesigen Dach- und Seitenfenstern. Gefühlt sind es ca. 76 Grad in dem blendend-hellen Studio und die super hübsche und sehr nette Birgit nimmt mich in Empfang. Sie ist die Stylistin und bittet mich für “H & M” (Haare und Make-up) in einen Nebenraum (ebenfalls gefühlte 76 Grad).

Sehr feinfühlig und professionell stylt sie mich um und ich bin überrascht, was sie mit wenigen Handgriffen hinbekommt. Wir geraten ins Plaudern und sind schnell bei Narben, Sinn des Lebens und anderen tiefgehenden Themen. Ihre Herzlichkeit ist berührend und ich denke an den traurigen Taxifahrer….

Dann führt mich Birgit in das “brüllheisse” Studio und ich nehme auf einem Hocker Platz, damit Simon ein Portrait schießen kann. Es ist extrem viel hochwertiges Equitment aufgebaut, da das Projekt von Simon, wie er mir später erklärte, aus mehreren Teilen besteht ….

Das Simon ein echter Vollprofi ist, wußte ich ja schon von seiner coolen Webseite. Noch deutlicher wurde es mir durch seine präzisen Anweisungen… Er machte geschätzt mindestens 250 Aufnamen in kurzer Zeit. Ich fühlte mich pudelwohl, sehr glücklich und freute mich wahnsinnig so etwas mal erleben zu dürfen. Als wir fertig sind, bitte ich um eine kurze Erklärung, wie das Projekt von Simon genau gedacht ist und er zeigte mir am Monitor einige Fotos. Leider nicht von mir, sondern von meinen Vorgängern. Ich traue mich aber nicht nach meinen Bildern zu fragen, denn mein Herumgelaufe verursachte schon zu viel Schwingungen, die zu einer Unschärfe für den zweiten Teil des Projektes führen konnten.

Ich begreife, dass ich die hochkonzentrierte Kreativität eigentlich störe, halte meine Klappe und beobachtete einen Moment still das geschäftige Treiben von Simon und seinen beiden Assistenten, die für Beleuchtung und Aufbau zuständig sind. Für das gesamte Shooting waren, glaube ich, drei oder vier verschiedene Kameras im Einsatz . Und ich frage mich, WIE das Ergebnis sein wird. Dass es gut sein wird, daran besteht bei Simons und Birgits künstlerischen Fähigkeiten kein Zweifel, doch auf die Wirkung bin ich sehr gespannt.

Fazit: Ein toller Tag in Hamburg, mit tollen Begegnungen, netten Menschen und neuen Erfahrungen. Ein Geschenk!

Makro

Mein Mann hat sich ein neues “Spielzeug” zugelegt. Um etwas polemisch zu werden: Männer lieben ja technischen Schnickschnack… Aber es ist wirklich ein schönes Spielzeug! Ein Makro-Objektiv!

Ich habe es mir zeigen und erklären lassen, aber nur die Hälfte verstanden. Begeistert und fasziniert hat mich aber das Ergebnis! Messerscharf kann man winzige Details von Gegenständen erkennen, die eigentlich ganz alltäglich sind. Man erkennt Fragmente, die man sonst gar nicht wahrnimmt.

Ich hatte vor zwei Tagen ein “Makro-Erlebnis”, weil ich nur einen Auschnitt des Bildes sah. Naja, ich gebe zu, ich “wollte” nur einen Teil des Gesamt-Bildes sehen.

Wie immer, wenn ich etwas ausdrucken will, ist die Druckerpatrone leer. Und ich kann leider niemanden – außer mich selber – dafür verantwortlich machen, denn ich benutze fast ausschließlich den Drucker alleine. Jedenfalls brauchte ich eine neue Patrone und ging dazu in den entsprechenden ortsansässigen Fachhandel. Ein Verkäufer kam geflissentlich auf mich zu und fragte nach meinen Wünschen. Soweit so gut! Ich erklärte die Sachlage und er reichte mir ein Packung., die ich aber gar nicht erst annahm, weil ich genau dieses Model kürzlich umgetauscht hatte, da mein Drucker sie nicht erkannte. Und genau das erklärte ich dem Herrn.

Der wiederum entgegnete: “Doch, die passen bei ihrem Drucker!”

“Nein, tun sie nicht! Ich habe das mehrfach ausprobiert und sie dann bei einer Kollegin umgetauscht.”

“Dooooch – die passen! Manchmal machen die Kunden das nicht richtig…”

Spätestens jetzt war ich nahe an der “Kernschmelze” und fragte ihn betont leise, ob er mir unterstellen wolle, dass ich keine Druckepatrone wechseln könne….

Und um auf das Mako, bzw. die Makroperspektive zurück zu kommen: Ich sah natürlich nur meinen kleinen Auschnitt mit dem Herrn. Möglicherweise war ich aber die 10te, die heute mit ihm diskutierte, oder er hatte Stress zu Hause, oder die Schwiegermutter war zu Besuch, oder er hatte gerade Probleme mit seinem Magengeschwür oder, oder…

Der Auschnitt gefiel mir in diesem Fall nicht besonders, und vielleicht hätte ich mit einem “Weitwinkel” auf die Sache schauen sollen, um bei den Metaphern der Fotografie zu bleiben. Dann wäre die Situation vielleicht nicht so eskaliert.

Fazit: Manchmal ist es gut, einen Blick für’s Detail zu haben, aber manchmal sollte man auch nicht den Blick für’s “Große – Ganze” verlieren!

Ach ja, die Geschichte mit der Druckerpatrone ging so aus: Ich verließ nach weiterer hitziger Debatte wutschnaubend das Geschäft ohne Druckerpatrone und habe bis heute keine adäquate gefunden und muss sie nun umständlich im Internet bestellen… denn in das Geschäft kann ich so jetzt natürlich nicht mehr gehen…

(Foto: R. Kohröde, März 2015)

Langzeitbelichtung

… nennt man in der Fotographie eine Einstellung, die eine Belichtungszeit von mehreren Sekunden (bis mehreren Minuten) hat, um Bewegungsabläufe im technischen oder künstlerischen Bereich aufzuzeigen. Die Bilder zeigen einen Auschnitt der Zeit, den wir normalerweise nicht wahrnehmen können. Bewegungen werden dabei verwischt, sie zerfließen in der Zeit.

Jeder von uns kennt die Momente im Leben, indenen wir die Zeit anhalten wollen – den Moment bannen – und das möglichst lange. Ein romantischer Sonnenuntergang, eine besonders schöne Feier, der Applaus nach einem gut gehaltenen Vortrag, besondere Momente mit dem Partner oder der Familie.

Doch die schönen Momente sind flüchtig, wie der Duft einen Parfums. Und dennoch schwebt er lange in der Luft, oder wir erinnern uns, wenn ein ähnlicher Duft vorbei fliegt. Und die Erinnerung nimmt uns niemand. Wir können sie jederzeit abrufen und uns die Situation fast bildhaft vor Augen führen und schon geht es uns ein kleines bisschen besser.

Eine Langzeitbelichtung verwischt aber auch Dinge, bzw. Bewegungen. Das Licht eines vorbeifahrenden Autos, oder wie auf dem Foto das Wasser, das durch die Mühle geflossen ist.

Manche Bilder verwischen auch in unserer Wahrnehmung – vielleicht, weil es zu hektisch war oder ich mich nicht auf ein Detail fokussiert habe, oder eben das Gesamtbild unscharf war. Es hilft uns, wenn schlimme Ereignisse verwischt in Erinnerung bleiben und die schwierigen Zeiten nicht ganz so scharfe Konturen haben. Das macht es uns erträglicher mit Tatsachen zu leben, die wir so nicht haben wollten.

Langzeitbelichtungen werden immer mit einem Stativ gemacht, um das Motiv nicht zu verwackeln. Das Stativ fixiert die Kamera und gibt somit Sicherheit. Wie gut, wenn man einen festen Stand hat, wenn um einen herum alles zu wackeln und zu beben scheint. Aber so eine Stütze hält uns auch fest, begrenzt unsere eigene Bewegung und lässt uns keinen Freiraum. Wir sind gefangen in einer möglicherweise selbst gewählten “Statik”.

Bewegungen bannen und verwischen – das ist für eine Langzeitbelichtung nur mit einem Stativ möglich. Ich stellen mir gerade eine aufgebaute Kamera auf einem Stativ vor und finde es eine passende Metapher für mein Leben. Ich habe Stabilität und Sicherheit erfahren, nicht so schöne und schmerzhafte Ereignisse konnte ich durch eine “Langzeitbelichtung” verwischen, wann immer ich es möchte oder ich kann die besonders intensiven Momente meines bewegten Lebens bannen. Es liegt also immer an mir, welche Einstellung, bzw. Belichtungszeit ich für das Leben (und die Kamera) wähle.

Foto: Mühle, Ralf Kohröde