Leipziger Buchmesse oder: Die pinkfarbene Lady

… aus Leipzig ist 86 Jahre alt und Buchhändlerin gewesen, wie sie mir später erzählt.

Sie wird von einem jungen Mann im weißen Kittel in den wunderschönen Andachtsraum des Diakonissenkrankenhauses geschoben, in dem ich meine zweite Lesung des Tages halten darf.

Sie sitzt in ihrem Rollstuhl wie eine Königin und trägt einen pinkfarbenen Bademantel, der schon bessere Tage gesehen hat. Die grüne Braunüle (Infusionsnadel) auf ihrem rechten Handrücken trägt sie wie ein Schmuckstück und eine sehr würdevolle, freundliche Aura umgibt die kleine, aber aufrechten Lady.

Während ich lese werfe ich ihr gelegentlich einen Blick zu und sie lauscht sehr aufmerksam und ihre wachen Augen mustern mich interessiert. Gelegentlich schmunzelt sie.

Nach der Lesung entspinnt sich ein Gespräch zwischen dem theologischen Direktor des Hauses, “meiner” Marketing Chefin (des Verlags), der pinkfarbenen Lady und mir. Sie erzählt von Büchern, wie die Leipziger Buchmesse entstanden ist, und kennt sich auch erstaunlich gut in der aktuellen “Szene” aus. Wir stehen um ihren Rollstuhl herum und sie muss zu uns aufblicken, was natürlich unglücklich ist. Das scheint sie aber gar nicht zu stöhren, plaudert sie doch sehr leb – und bildhaft über alles Mögliche. Sie genießt es sichtlich und ich freue mich, diese Lady kennen gelernt zu haben.

Am nächsten Tag auf der Buchmesse stürze ich mich ins sprichwörtliche “Getümmel” und lasse mich von Stand zu Stand treiben, ohne Plan und Ziel. Erfahrungsgemäß kann ich so die meisten schönen Begegnungen sammeln. In der messeeigenen Buchhandlung stoße ich auf die riesige Buchpyramide des Preisträgers (“Frohberg”) und blättere etwas unentschlossen in dem 1000 Seiten starken Buch. Ich liebe dicke Bücher, aber ich lege es dennoch weg. Ich möchte noch andere Bücher anlesen… Die ganzen “hippen” (Pop)-Literaten wie Stuckard-Barre und Ronja von Rönne stehen auf meiner gedanklichen Liste. Ich kontaktiere einen netten jungen Mann mit grünem T-Shirt, der für die vielen Fragen der potentiellen Käufer zuständig ist und frage nach Ronja von Rönne. Ein letzte Exemplar ist noch da. Ich blättere und entschließe mich, es mit zu nehmen, als ein anderer junger Mann nach eben genau diesem Buch fragt. Der grüne T-Shirt Mann deutet auf mich und sagt: “Die Dame (aua!!!) hat gerade das Letzte genommen.” Bedauernd blickt mich der Interessent an und erzählt, dass er eben bei der tollen Lesung von ihr war und ganz begeistert von ihrem Buch ist… (die Autorin ist eine hübsche, junge Frau, ohne Zweifel!). In einem Überschwang von Großherzigkeit übergebe ich ihm das Buch, um mich gleich darauf zu ärgern, denn das andere Buch, was ich wollte ist ebenfalls nicht mehr da.

Und irgendwie muss ich plötzlich an die pinkfarbene Lady von gestern denke und mir wird bewusst, dass ich die beiden Bücher natürlich auch ein andermal kaufen kann… und möglichst “würdevoll” verlasse ich den Kaufbereich….

Fazit: Supertolle Buchmesse, sehr schöne Begegnungen und etwas über Würde, wieder abgeben und mich selbst gelernt…

Salzburg (Österreich)

Der letzte Urlaub war Anfang Oktober und ist somit gefühlt schon ewig her. Dennoch sind mir einige Bilder sehr präsent! Wir waren (mal wieder) am Chiemsee. Von dort ist es nicht weit zur österreichischen Grenze und nach Salzburg. Wir waren schon einige Male dort, befanden aber, dass es allemal einen erneuten Besuch wert wäre.

Die aktuelle Situation an der deutsch-österreichischen Grenze war uns aus den Nachrichten natürlich bekannt, aber erst als wir auf der Autobahn unmittelbar vor dem EU-Schild waren, realisierten wir die dramatische Situation. Auf der Gegenseite war die Fahrbahn nur einspurig befahrbar und ein riesiges Polizeiaufgebot befand sich an den Seitenstreifen. Der Verkehr ging nur schleppend voran, und es bildete sich ein fast 5 km langer Stau. Transporter und LKW’s wurden “bevorzugt” kontrolliert. Staunend sahen wir auf die Autoschlange und kamen auf unserer Seite aber zügig an den Stadtrand von Salzburg. Nun sind die meisten Vorstädte ja nicht sonderlich hübsch, aber hier hatte ich den Eindruck, dass es besonders trist war. An einer roten Ampel konnten wir in einen Hinterhof sehen, in dem sich hunderte von Menschen aufhielten und entweder auf die Ausgabe von Kleidung, Sachmitteln oder Nahrung oder vielleicht auch auf eine Registrierung warteten. Männer, Frauen, Kinder, Junge, Alte – eine bunte Mischung, aber alle frierend und dicht beieinander stehend. Grün. Die Ampel sprang um und wir ließen dieses Bild zurück. Vorläufig.

Gute 20 Minuten später suchten wir einen halbwegs günstigen Parkplatz. Natürlich war keiner zu finden und wir mussten wohl oder übel in eine Tiefgarage direkt an der Salzach, die uns am frühen Abend fast 20€ kosten sollte.

Ich hatte mich auf Salzburg gefreut, aber irgendwie war meine Laune nicht die Allerbeste. Auf dem Weg Richtung Altstadt sah ich den, auf dem obigen Foto abgebildeten BMW mit “Sacher”-Werbung und einen dazugehörigen Transporter, der Stehtische und Unmengen von Platten mit Leckereien in ein ” Schicki-Restaurat” trug. Das schloss ich zumindestens aus dem Ambiente und den edel gekleideten Menschen, die hineinströmten. Ich hatte sofort das Bild der vielen frierenden Menschen in dem Hinterhof vor Augen, und meine Laune wurde nicht besser. Im Gegenteil, ich wurde immer ärgerlicher. In erster Linie auf mich selber.

Was hatte ich hier verloren? Ein entspannter Bummel durch eine überteuerte, zugegebener Maßen sehr schöne Stadt? Daran war eigentlich nicht zu denken. Wir drückten uns dennoch einige Stunden in Salzburg herum, und aßen unsere mitgebrachte sehr leckere Brotzeit auf einer Bank und beobachteten teuer gekleidete Touristen, zu denen wir ja ohne Frage selber dazugehörten.

Auf dem Rückweg fuhren wir einen anderen Weg und kamen natürlich in einen anderen Stau. Zeit, darüber nach zu denken, dass das, was für mich Erholung und Abwechslung ist, für viele andere Menschen gerade der Kampf um eine neue Existenz darstellt.

Zuhause meldete ich mich umgehend als ehrenamtliche Krankenschwester in einer Erstaufnahme-Einrichtung in einem Nachbarort an. Das Bild von den frierenden, wartenden Menschen, an denen eine überdimensionale Sachertorte vorbei getragen wird, verfolgt mich bis in meine Träume.

Zeit-Reise

Ich kann mir den fast schon dekadenten Luxus gönnen, einfach weg zu fahren, wann immer ich will, da ich an keine zeitlichen Vorgaben und Verpflichtungen gebunden bin.

Das ist ein wahres Geschenk, so großzügig mit seiner Zeit umgehen zu dürfen. Denn Zeit ist das Kostbarste, was wir besitzen.

Und genau das tue ich jetzt und melde mich ab nach Bayern (Franken und Chiemsee).

Aus gegebenem Anlass aktualisiere ich meinen Blog, u.a. mit einem neuen Foto, das mein Freund und Fotograf Olly gemacht hat (schaut gerne unter www.oliver-agit.de auf seine schöne Website).

Und größere Ereignisse werfen ihre Schatten schon voraus…..

Ich wünsche Euch eine gute Zeit!

Corinna