Sternekoch

Wie bereits bekannt sein dürfte, bin ich eine “Vollversagerin” in der Küche, bzw. beim Kochen. Ich esse gerne, aber nicht so viel und eher vegetarisch. Wählerisch bin ich eigentlich nicht, wobei “eigentlich” eine Einschränkung ist… Ich probiere auch mal etwas Unbekanntes, nur diverse Tiere esse ich nicht… Ab und zu mal einen “fränkischen Sauerbraten”, aber das auch nur selten. Deshalb achte ich natürlich auf ausreichend Eiweißzufuhr, damit mein Eisenspeicher im Blut ausgeglichen ist.

Wie gut passt es da, dass mein Mann Ralf gerne, oft und sehr gut kocht. Hätte ich Sterne zu vergeben, bekäme er fünf von fünf möglichen. Denn er kocht immer genau das für mich, was ich mir wünsche.

In unserem Kurzurlaub an der Mosel übernachteten wir in einem entzückenden, kleinem Hotel. Wir kamen Abends total verhungert an und fragten die Hotelbesitzerin nach einem Tip für ein gutes Abendessen. Sie empfahl ihren Neffen ein paar Straßen weiter. Er habe bei Herrn Lafer eine Ausbildung gemacht und nun gerade erst vor kurzem ein kleines Restaurant eröffnet…. Wir waren sofort begeistert und bummelten gemütlich dortin und waren von dem schönen Ort begeistert. Das Restaurant hatte nicht mehr als 20 Plätze, war in einem alten Fachwerkhaus mit passender Dekoration und gut besucht. Leider sei kein Platz mehr frei, sagte die freundliche, junge Frau als wir eintraten. Vielleicht in einer Stunde… Gerade wollten wir enttäuscht gehen, als sie uns zurück rief und auf einen gerade frei gewordenen Tisch wies. Sie räumte schnell ab, brachte eine Karte und sagte, dass der Koch selber an den Tisch kommen würde.

Die junge, gut gelaunte Frau fragte nach Getränkewünschen und wir bestellten erst einmal nur Wasser, da wir mit dem Wein warten wollten, damit er zu dem vom Koch empfohlenen Essen passte. Am Nachbartisch saß eine laut feiernde holländische Familie mit 10 Personen, davon vier Kinder. Ein Junge war eher im Teenageralter und nahm während des Essens sein Baseballcap nicht ab. Ein kleines asiatisch aussehendes Mädchen rannte zwischen den Gängen mit den anderen Kindern laut lachend nach draußen. Als das Hauptgericht kam, wurde die lärmende Kinderschar herbeigerufen und das kleine Mädchen kletterte auf ihren Sitzplatz und legte ein künstliches Bein neben ihren Stuhl….

Von dieser überraschenden Szene abgelenkt hatten wir nicht bemerkt, dass der Koch an unseren Tisch getreten war. Er war geschätzt noch keine dreißig Jahre und wirkte in seiner Kochschürze unglaublich gut gelaunt und empfahl uns seine Leckereien. Als passenden Wein würde er den trockenen Weißen empfehlen, der “50 Grad” hieß. Leider vergaßen wir zu fragen, warum das so war. Jedenfalls schmeckte er köstlich. Da es sehr heiß war,  entschied ich mich für einen knackigen, frischen Salat mit Garnelen in einem exquisiten Knoblauchöl. Köstlich!

Es war wirklich ein Genus zu essen. Was aber noch mehr als den Geschmack ausmachte, war zu beobachten mit welcher Freude die junge Frau (die offensichtlich die Freundin oder Frau des Kochs war) und der Koch selber, an der Arbeit waren. Ihre Begeisterung für ihr Restaurant war ihnen abzuspüren und auch die anderen Gäste waren gut gelaunt, voll des Lobes und die holländische Großfamilie feiert einen Geburtstag, denn die junge Frau brachte ein kleines Törtchen mit einer Wunderkerze. Es war das erste mal, dass ich “Happy Birthday” auf niederländisch hörte. Das kleine Mädchen sang laut und falsch mit, schnallte ihre Beinprothese wieder an und rannte den anderen Kindern hinterher.

Und wir genossen unseren Wein, die gute Laune der Menschen um uns herum und unser “Fünf Sterne-Leben”…

Brückenbau

Letzte Woche bei meiner Lesereise Richtung Koblenz, habe ich mit meinem Mann noch einen Kurzurlaub an der Mosel angehängt. Dabei stieß ich auf dieses Szenario mit einer Brücke über ein schönes Tal an der Mosel. Ich postete das Bild bei Facebook mit dem Text: “…ich glaube hier hat jemand zu früh Feierabend gemacht.”

Dieses Bild läßt mich in den letzten Tagen nicht los. Es macht mir Angst. Dabei habe ich keinen Grund! Ich hatte ein wunderschönes Wochenende mit meinem Mann, alle meine Lieben sind wohl auf und ich blicke in eine spannende Zukunft.  Aber jeder von uns kennt wohl das Gefühl, der eingeschlagene Weg ist einerseits stabil gebaut und führt sicher über das Tal, aber andererseits sieht man, dass der Weg doch nicht so richtig weiter geht, bzw. das der Abgrund erschreckend nahe ist.

Ich hatte das Glück, dieses Bild aus der sicheren Entfernung zu betrachten – auf festem Grund. Mir ist aber das Gefühl sehr vertraut, an einem Abgrund zu stehen und irgendwie zu spüren, dass ein unsichtbares Band einen genau auf die Grenze zwischen festen Boden und freiem Fall zieht.

Das Bild ist nur ein Ausschnitt. Etwas weiter entfernt stehen weitere Säulen, die den noch zu bauenden Weg tragen werden. Alles ist vorbereitet. Die Arbeiter müssen “nur” noch beginnen den Weg (Strasse) fortzusetzen und schrittweise den Abgrund über “Brücken”….

Es ist sehr schwer, weiterzugehen, wenn man nicht weiß, wie tragfähig der Weg ist, den man eingeschlagen hat.  Mein Sohn steht gerade am Ende seines Studiums und eine Richtung ist eingeschlagen –  Säulen sind vorbereitet – die ersten Schritte ins Berufsleben sind gemacht. Wie der Weg genau weitergeht ist noch nicht klar. Und es fühlt sich sicher nicht gut an, keinen sichtbaren Weg zu gehen. Aber wohnt dem Ganzen nicht auch der Zauber eines Abenteuers inne…? So ähnlich wie beim Bungee Jumping…?  Es gibt jede Menge Menschen, die genau diesen Kick suchen (ich nicht!). Sie wissen, dass nichts passiert. Sie sind gesichert und gehen auf den Abgrund zu, um sich fallen zu lassen und zu vertrauen, dass die Sicherungsleine hält. Bewundernswert!

Zurück zur noch nicht fertig gestellten Brücke: Sie führt über ein wunderschönes Weinanbaugebiete an der Mosel und es gibt natürlich diverse Bürgerinitiativen gegen diesen monumentalen Bau. Und ich finde auch, dass es trotz ökonomischer Interessen sehr viele ökologische Gründe gibt diese Brücke nicht zu bauen. Aber natürlich bin ich nicht ausreichend im Thema um das abschließend bewerten zu können.

Fazit: Mir macht das Bild nach wie vor Angst, ich werde definitiv niemals einen Bungee Sprung wagen, die schöne Landschaft wird durch den Bau zerschnitten und wegen mir könnte der Brückenbau an dieser Stelle auch so belassen werden. Ansonsten haben Brücken aber schon ihre Berechtigung.

Pfarrgarten

Als ich vor einigen Wochen bei meinem Freund Martin in dem wunderschönen Pfarrkeller aus dem 17. Jahrhundert eine Lesung aus meinem Buch hielt, gingen wir spät abends durch den Pfarrgarten zu meinem Auto zurück. Es war zwar schon dunkel, aber ich konnte etwas von der “verwilderten Ödnis” erkennen. Als wir durch das halb verfallene Tor aus sehr alten Sandsteinen gingen, fragte ich Martin, der erst seit ein paar Monaten dort wohnte und arbeitete, ob der Garten in Stand gesetzt würde…. wäre doch schade darum, den geschützten Innenhof nicht nutzen zu können. Ja, da würde sich bald etwas tun, verriet er mir mit einem Schmunzeln.

Letzte Woche in meiner “Schreib-Klausur” ging mir etwas die Luft aus und ich brauchte dringend Inspiration und Abwechslung. Kurz entschlossen schrieb ich Martin über einen bekannten Kurznachrichtendienst an, ob er Zeit für ein Treffen habe. Er antwortete sofort und lud mich in den “neuen Pfarrgarten” ein. Ich sagte für den übernächsten Tag begeistert zu und war sehr gespannt auf das neue Gartenkonzept.

Stolz brachte mich Martin in den neu gestalteten Garten, wo er in einer sehr hübschen Ecke einen Kaffeetisch vorbereitet hatte. Es war nichts mehr von der Ödnis zu sehen! Neue Pflasterung, die aber die alten Steine integrierte, farbig, freundlich gestrichene Anbauten und Pavillons, eine gepflegte, kleine Rasenfläche mit einer hübschen Hecke und mit einem sehr schönen Wasserspiel, und eine exzellent restaurierte Sandsteinmauer vervollständigten das Gesamtkonzept. In die Steinauer war ein kleines, metallenes Bildnis des Abendmahls eingelassen, das eigentlich schon auf dem Schutthaufen gelegen hatte, berichtete mir Martin. Und natürlich darf auch eine Marienfigur in diesem traumhaft schönen Pfarrgarten nicht fehlen.

Besonders der Tordurchgang, der jetzt gar nicht mehr marode wirkt, sondern sehr einladend, gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist nur ein Durchgang – ohne Tür – zu beiden Seiten offen – man kann hinaus und hineingehen, ohne Barriere. Was für eine Freiheit. Es erscheint mir besonders symbolträchtig und tatsächlich werden Martin und ich später über Türen, die offen sind – oder geöffnet werden, sprechen.

“Da waren aber Profis am Werk”, mutmaße ich. “Nur einige wenige! Das meiste haben verschiedene Menschen aus der Gemeinde, Jugendgruppen und Freiwillige gemacht” berichtet Martin nicht ohne Freude und Stolz. “Alle haben Hand angelegt und ganz praktisch Steine geschleppt, Erde umgegraben, gestrichen, gehämmert und gesägt. Und wir hatten natürlich auch ein paar finanzielle Sponsoren. Ohne geht es nicht. Das hat alles total Spaß gemacht”, gerät Martin richtig ins Schwärmen.

Ich hatte das Privileg, den ganzen, sonnigen Nachmittag in tiefen Gesprächen in diesem wunderschönen alten und doch neuen Pfarrgarten mit einem offenen Tor zu sein und Inspiration in überreichlichem Maß mitzunehmen.